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Keine Arzthaftung trotz Aufklärungsfehler?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Wer mit gesundheitlichen Beschwerden einen Arzt aufsucht, erhofft sich natürlich eine schnelle und unkomplizierte Heilung. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Arzt grundsätzlich keinen Erfolg schuldet. Eine Heilung kann nämlich nicht garantiert werden – schließlich reagiert jeder Mensch auf eine Behandlung anders. Allerdings muss der Arzt – sofern nichts anderes vereinbart wurde – seinen Patienten nach dem allgemein anerkannten fachlichen Standard behandeln. Ferner trifft jeden Arzt eine sog. Aufklärungspflicht. Ein Verstoß dagegen kann weitreichende Folgen haben.

Allgemeines zur Aufklärungspflicht

Bevor der Arzt mit seiner Behandlung beginnt, muss der Patient hierin einwilligen, sich also mit der vom Arzt „bevorzugten“ Therapie einverstanden erklären, vgl. § 630d I 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Das kann er aber nur, wenn er genau weiß, was auf ihn zukommt.

Umfang der Aufklärung

Nach § 630e I 2 BGB muss der Patient daher insbesondere über Art und Umfang der Maßnahme sowie deren Folgen und Risiken aufgeklärt werden. Des Weiteren muss der Mediziner unter anderem anführen, ob die Maßnahme wirklich nötig ist, wie dringlich der Eingriff ist, wie hoch die Erfolgschancen sind und ob bzw. welche Behandlungsalternativen existieren – sofern auch diese Maßnahmen dem allgemein anerkannten fachlichen Standard entsprechen. Sofern es also eine neue Behandlungsmethode mit noch unbekannten Risiken gibt, muss der Mediziner seinen Patienten nicht darauf hinweisen – tut er es doch, muss er den Kranken allerdings besonders über die damit verbundenen Risiken informieren. Dem Patienten müssen also die möglichen Folgen der noch unerprobten Maßnahme deutlich vor Augen geführt werden.

Einzuhaltende Formalien

Die Aufklärung muss mündlich und vor allem rechtzeitig erfolgen und für den Patienten verständlich sein. Hier ist stets der Einzelfall zu berücksichtigen. So ist z. B. eine Aufklärung während der Fahrt in den Operationssaal als verspätet, die Aufklärung am Tag vor einem Routineeingriff dagegen wohl als rechtzeitig anzusehen. Ferner muss der Mediziner auf das sprachliche und geistige Niveau des Patienten Rücksicht nehmen. Versteht der beispielsweise nur wenig Deutsch, muss der Arzt einfache Wörter benutzen und unter Umständen sogar einen Dritten hinzuziehen, der die jeweilige Sprache des Kranken beherrscht. Dabei eventuell entstehende Kosten – etwa für einen Dolmetscher – muss der Patient tragen.

Kein Eingriff ohne Einwilligung?

Hat der Patient in den ärztlichen Eingriff nicht explizit eingewilligt, begeht der handelnde Arzt regelmäßig eine Körperverletzung. Dasselbe gilt auch bei einer unwirksamen oder gar widerrufenen Einwilligung. Allerdings gibt es hiervon Ausnahmen: So kann der Patient ausdrücklich auf eine Aufklärung verzichten. Ist der Patient – z. B. nach einem Unfall – einwilligungsunfähig, ist ferner eine etwaige Einwilligung in einer Patientenverfügung nach § 1901a BGB bzw. eines Berechtigten – etwa des gesetzlichen Vertreters – maßgeblich, vgl. § 630d I 2 BGB. In dringlichen Notfällen und wenn keine Einwilligung nach § 630d I 2 BGB möglich ist, kann auch die sog. mutmaßliche Einwilligung nach § 630d I 4 BGB herangezogen werden: Muss ein bewusstloser Patient z. B. nach einem Unfall operiert werden, wird gemutmaßt, dass der Patient diesem Eingriff zugestimmt hätte.

Hat der Kranke zwar eine Einwilligung abgegeben, die aber wegen unterbliebener oder unzureichender Aufklärung durch den Mediziner unwirksam ist, so gilt § 630h II 2 BGB. Danach bleibt die fehlerhafte Aufklärung des Mediziners ohne rechtliche Konsequenzen, wenn der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung seine Einwilligung zur Durchführung der ärztlichen Maßnahme gegeben hätte. Anderes kann unter Umständen gelten, wenn der Patient in diesem Fall einen sog. Entscheidungskonflikt plausibel darlegen kann.

Aufklärung über Wundinfektionsrisiko?

Ein Patient wurde in einem Krankenhaus wegen eines Nabelbruchs operiert. Wenige Tage später wurde bei ihm eine Wundinfektion festgestellt, die der Patient unter anderem auf unzureichende Hygiene bei seiner Operation zurückführte. Außerdem sei die OP in der Schnittnaht nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden. Ferner habe vor dem Eingriff eine nur unzureichende Aufklärung über das Wundinfektionsrisiko stattgefunden. Er zog daraufhin vor Gericht und verklagte den Krankenhausträger sowie den behandelnden Arzt auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Hypothetische Einwilligung in OP?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies sämtliche Ansprüche des Patienten zurück. So lehnten die Richter zunächst einen Behandlungsfehler ab, da der Eingriff indiziert war und ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Ferner hat der Patient einen Verstoß gegen die geltenden Hygienevorschriften nicht beweisen können.

Das OLG wies außerdem darauf hin, dass der Behandelnde vorliegend nicht über alternative Behandlungsmethoden aufklären musste. Die vom Arzt gewählte Art des Eingriffs war nämlich die geeignetste – andere Verfahren wären risikobehafteter, aber nicht gleichermaßen indiziert gewesen. Letzteres bedeutet, dass die Behandlungsalternativen zur Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten nicht gleichermaßen geeignet waren. Der Arzt durfte somit über die Behandlungsmethode selbst entscheiden und musste dem Patienten nicht sämtliche Alternativen vorstellen.

Allerdings bejahte das Gericht eine unzureichende Aufklärung über das Wundinfektionsrisiko. Denn der Behandelnde hatte eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht nachweisen können. Somit war die Einwilligung des Patienten zwar unwirksam, sie führte aber trotzdem nicht zu einem Schadensersatzanspruch. Das Gericht war nämlich fest davon überzeugt, dass der Patient gemäß § 630h II 2 BGB auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das Wundinfektionsrisiko in den Eingriff eingewilligt hätte: Vorliegend kam schließlich nur die vom behandelnden Arzt gewählte Behandlungsmethode zur Behandlung des Nabelbruchs in Betracht. Im Übrigen musste der Arzt schnell handeln – ein Abwarten hätte die Schmerzen und den Nabelbruch nur vergrößert – und der Patient ebenso schnell über eine etwaige Einwilligung entscheiden. Im Hinblick darauf wäre die Entscheidung wohl auch nach einer ordnungsgemäßen Aufklärung zugunsten des „relativ kleinen ambulanten Eingriffs“ ausgefallen.

(OLG Hamm, Urteil v. 09.12.2014, Az.: 26 U 88/13)

(VOI)

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