Klauseln in D & O-Versicherungsbedingungen sind unwirksam

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BGH: Klauseln in D & O-Versicherungsbedingungen zur Gefahrerhöhung und „Change of Control" sind unwirksam!

Der Bundesgerichtshof hatte vor kurzem mit seinem Urteil vom 12.09.2012, Az. IV ZR 171/11 erstmals die Möglichkeit, zur Wirksamkeit von Klauseln in D & O-Versicherungsbedingungen Stellung zu nehmen.

Mit einer D & O Versicherung („director's and officer's liability insurance") versichern Gesellschaften die für sie handelnden Organe und leitenden Angestellten gegen Schadenersatzansprüche, die auf Pflichtverletzungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gestützt werden. Üblicherweise besteht der Versicherungsschutz sowohl bei einer Inanspruchnahme von Dritten (sog. „Außenhaftung") als auch bei einer Inanspruchnahme durch die Gesellschaft selbst (sog. „Innenhaftung"). Die Versicherungsleistung wird - wie in allen Haftpflichtversicherungen - beschrieben als Abwehr von unberechtigten und Befriedigung von berechtigten Schadenersatzansprüchen. Insbesondere die Rechtsschutzkomponente hat dabei - wie der vom BGH entschiedene Sachverhalt zeigt - eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

Die D & O-Versicherung wird in Deutschland ungefähr seit Anfang der 90er Jahren angeboten, wurde jedoch erst mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache ARAG/Garmenbeck häufiger nachgefragt und darf inzwischen als Standard für fremdgeführte Gesellschaften bezeichnet werden. Gesetzliche Regelungen für die D & O-Versicherung gibt es nicht, wenn man von einer Regelung im Aktiengesetz absieht, nach der bei Abschluss einer D & O Versicherung ein Selbstbehalt in Höhe von 10% der Schadensumme bis zum anderthalbfachen der festen Jahresvergütung des Vorstands zu vereinbaren ist. Der Inhalt des Versicherungsvertrags ergibt sich - wie bei allen Versicherungsverträgen - aus dem Antrag, dem Versicherungsschein, den Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen und etwaigen Individualvereinbarungen. Wesentliche Bedeutung haben dabei die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Wirksamkeitskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterfallen. Dies gilt zugunsten des Versicherungsnehmers jedenfalls insoweit, als dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht - was im D & O Bereich häufiger vorkommen soll - von dem vom potentiellen Versicherungsnehmer beauftragten Makler erstellt wurden. Denn dann ist der Versicherer nicht „Verwender" der AGB (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2009, abgedruckt in VersR 2009, 1477). Dann stellt sich aber gleichzeitig die Frage, ob der Makler sich wegen der Aufnahme von den Versicherungsnehmer benachteiligenden Klauseln nicht seinerseits schadenersatzpflichtig gemacht haben könnte.

D & O-Versicherungsverträge weisen aufgrund ihres Ursprungs im anglo-amerikanischen Rechtskreis eine Reihe von Besonderheiten auf. Der wesentlichste Unterschied ist dabei die Definition des Versicherungsfalls. Denn während in anderen Haftpflichtversicherungen zur Bestimmung des Leistungsanspruchs regelmäßig darauf abgestellt wird, ob Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Pflichtverstoßes oder zum Zeitpunkt des Schadeneintritts besteht, definiert die D & O-Versicherung den Versicherungsfall nach dem „Claims-Made-Prinzip". Das heißt, dass der Versicherer für einen Schadensfall einstandspflichtig ist, der zum Zeitpunkt der ersten schriftlichen Anspruchserhebung das Risiko versichert hat. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Pflichtverletzung oder der Schadeneintritt unter Umständen vor dem Abschluss des Versicherungsfalls eingetreten waren. Gleichzeitig ist - wenn keine Nachmeldefrist vereinbart wird - der Versicherer nicht mehr einstandspflichtig, wenn der Anspruch erst nach Beendigung des Versicherungsvertrags erhoben wird. Dies gilt dem Wortlaut nach auch dann, wenn Pflichtverletzung und Schadeneintritt im versicherten Zeitraum erfolgten. Dass diese Abgrenzung in gewissen Konstellationen zum Missbrauch einlädt, dürfte offensichtlich sein. Dementsprechend stellt die Einpassung dieser Definition des Versicherungsfalls eine der größten Probleme der Ausgestaltung der Bedingungswerke dar. Gleichzeitig hat die Definition allerdings auch Vorteile für die Kalkulation des übernommenen Risikos und damit auch der für den Versicherungsschutz aufzubringenden Versicherungsprämien.

Die von den Anbietern verwandten Versicherungsbedingungen basieren - anders als in anderen Sparten - nicht oder kaum auf den vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft GdV herausgegebenen Musterbedingungen. Vielmehr haben viele Gesellschaften in der Vergangenheit vollständig eigene Bedingungswerke erarbeitet oder die Musterbedingungen weitgehend den eigenen Vorstellungen angepasst. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass die Bedingungen nicht häufiger zur Kontrolle der Gerichte gelangen und insbesondere, dass der BGH bislang keine Entscheidung hierzu fällen konnte. Der Grund hierfür dürfte sein, dass auch im Versicherungsrecht die Neigung des wirtschaftlich Stärkeren zugenommen hat, aus seiner Sicht unangenehme Entscheidungen des Bundesgerichthofs im Wege des Vergleichs oder des Anerkenntnisses in der Revisionsinstanz zu verhindern. Ob diese Neigung durch das vorliegende Urteil nicht unter Umständen noch gestärkt wird, kann nicht ausgeschlossen werden.

Das Urteil behandelte den folgenden Sachverhalt:

Der Kläger war seit dem Jahre 2006 Mitglied des Aufsichtsrats der Versicherungsnehmerin, einer in der Rechtsform der AG organisierten Molkerei. Zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten bestand ein D & O-Versicherungsvertrag, der u.a. den Kläger als versicherte Person erfasste. Bei dem übernommenen Risiko handelte es sich um kein Großrisiko i.S.d. Art. 10 Abs. 1 Nr. 3 EGVVG a.F. (bzw. § 210 Abs. Nr. 3 VVG n.F.).

Ziffer 9.2.1 der AVB sah vor, dass die Versicherungsnehmerin verpflichtet ist, dem Versicherer auf Befragen unverzüglich alle nach Vertragsschluss eintretenden, die übernommene Gefahr erhöhenden Umstände mitzuteilen. Nach dem Wortlaut sollte dies gelten „sowohl für die von der VN als auch von Dritten mit Duldung der VN verursachten Gefahrerhöhungen". Bei einer Verletzung der Anzeigepflicht soll die Beklagte zur fristlosen Kündigung des Versicherungsvertrags bezüglich aller versicherten Personen berechtigt sein. Falls die Gefahrerhöhung jedoch nicht auf einem Verschulden der VN beruht, so braucht sie sich die Kündigung erst mit Ablauf eines Monats gegen sich gelten lassen. Ziffer 9.2.2 a) 2. Absatz AVB lautet:

„Tritt nach Abschluss des Versicherungsvertrags eine Erhöhung der Gefahr unabhängig vom Willen der VN ein, kann der Versicherer den Versicherungsvertrag insgesamt mit einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen, und zwar auch dann wenn die Voraussetzungen für die Kündigungen nur bei einem Teil der versicherten Personen oder Tochterunternehmen erfüllt sind."

Ziffer 9.2.2 b) AVB sieht vor, dass der Versicherer leistungsfrei wird, wenn die VN ihre Anzeigepflicht verletzt und der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.

Bezüglich der Beendigung des Versicherungsvertrags sieht der Vertrag in Ziffer 11.2 AVB folgende Regelung vor:

„Wird die VN selbst oder freiwillig liquidiert oder neu beherrscht, erlischt der Versicherungsschutz mit Abschluss der Liquidation oder mit Beginn des neuen Beherrschungsvertrags automatisch."

Mit Wirkung zum 05.10.2007 übernahm die J. KG die Mehrheit der Aktien der Versicherungsnehmerin. Die Unternehmensübernahme wurde der Beklagten erst mit Schreiben vom 13.03.2008 mitgeteilt. Im Rahmen der Übernahme wurden Vorstand und Aufsichtsrat der Versicherungsnehmerin ausgetauscht und die Versicherungsnehmerin nahm den Kläger neben anderen Aufsichtsratsmitgliedern mit Schreiben vom 11.12.2007 gesamtschuldnerisch auf Zahlung von ca. 4,5 Mio. EUR in Anspruch. Dieser Schadenersatzanspruch wurde darauf gestützt, dass der Aufsichtsrat pflichtwidrig von Dezember 2006 bis September 2007 an der Ausweitung einer Geschäftsbeziehung mit einem dritten Unternehmen mitgewirkt habe.

Der Kläger leitete das Anforderungsschreiben an die Beklagte weiter, die ihn mit Schreiben vom 28.01.2008 aufforderte, ihr gegenüber schriftlich zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Nachdem der Kläger dem nicht nachgekommen war, wiederholte sie die Aufforderung mit Schreiben vom 18.02.2008 unter Hinweis auf ihre Leistungsfreiheit wegen der Auskunftspflichtverletzung. Es kam dann zu einem Telefonat zwischen Kläger und dem Sachbearbeiter, in dem sich der Kläger erkundigte, ob von ihm wirklich eine Stellungnahme erwartet werde und ob er hierfür anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen könne. Streitig war, ob der Sachbearbeiter antwortete, dass die Kosten des Rechtsanwalts vorerst nicht übernommen würden.„

Der Kläger beauftragte dann gemeinsam mit anderen Aufsichtsratsmitgliedern einen Rechtsanwalt, der die Ansprüche im Namen der Aufsichtsräte mit ausführlicher Begründung zurückwies. Die Versicherungsnehmerin verfolgte die Ansprüche nicht weiter.

Der beauftragte Rechtsanwalt rechnete seine Leistung im Weiteren ab und übersandte der Beklagten eine Gebührenrechnung über ca. 46.000 EUR brutto zur Regulierung. Die Beklagte wies den Versicherungsanspruch mit Hinblick auf die automatische Beendigung der Versicherung mit der Übernahme zurück. Die von dem Kläger erhobene Klage auf Versicherungsleistung wurde in der ersten Instanz und im Berufungsverfahren zurückgewiesen. Das Berufungsgericht ordnete die Übernahme der Gesellschaft als nicht gewillkürte Gefahrerhöhung ein, weshalb die Versicherungsnehmerin nach Gesetz verpflichtet gewesen wäre, unverzüglich die Gefahrerhöhung anzuzeigen. Da sie dies unterlassen habe, sei die Beklagte leistungsfrei.

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen, da zur Entscheidung weiterer Beweis erhoben werden muss, was im Revisionsverfahren nicht zulässig ist.

Dies begründete der BGH wie folgt:

Die Beklagte hat in ihren AVB für den Fall der gewillkürten, also bewusst von der Versicherungsnehmerin verursachten Gefahrerhöhung für die Versicherungsnehmerin eine Erleichterung gegenüber der gesetzlichen Regelung vorgesehen, indem diese nur „auf Anfrage" anzeigepflichtig sein sollte. Das Gesetz sieht eine Anzeigepflicht auch ohne Anfrage vor. Diese Erleichterung war nach dem Wortlaut der AVB für die nicht gewillkürte, also ohne Mitwirken der Versicherungsnehmerin entstehende Gefahrerhöhung nicht vorgesehen. Dennoch legte der BGH die Klauseln so aus, dass das Erfordernis der Anfrage durch den Versicherer auch für die nicht gewillkürte Gefahrerhöhung gelten solle. Mangels Anfrage gelangte man also nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten.

Daran anschließend stellte sich die Frage, ob der Versicherungsvertrag wegen des neuen Beherrschungsverhältnisses automatisch geendet hat. Auch dies verneinte der BGH. Er begründete dies damit, dass, wenn man die Entstehung eines neuen Beherrschungsverhältnisses denn als Gefahrerhöhung ansieht - was offen gelassen werden konnte - nach dem Gesetz für den Versicherer nur eine Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einer Kündigungsfrist von einem Monat möglich ist. Die sofortige Beendigung weicht von dieser gesetzlichen Wertung zum Nachteil der Versicherungsnehmerin ab und ist damit unwirksam.

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Bedauerlich ist allerdings, dass der BGH die Möglichkeit nicht genutzt hat, klarzustellen, ob er in der Entstehung eines neuen Beherrschungsverhältnisses überhaupt eine Gefahrerhöhung sieht. Die wohl herrschende Ansicht sieht in der mit der Übernahme einhergehenden gesteigerten Bereitschaft, die ehemaligen Organe in Anspruch zu nehmen, für die D & O Versicherung im Hinblick auf das Anspruchserhebungsprinzip eine Gefahrerhöhung (vgl. Koch, VersR 2012, 1506, 1510 ff). Ob der BGH diese Ansicht teilt, ist jedoch nicht gesichert.

Im Weiteren wird nun zu klären sein, ob der Kläger selbst einen Anwalt beauftragen durfte und ob dessen Gebühren richtig berechnet sind.

Nicht weiter behandelt wurde in der Entscheidung die Frage, ob die verspätete Stellungnahme des Klägers unter Umständen versicherungsrechtliche Konsequenzen haben könnte. Diese Frage stellt sich in der Praxis erstaunlicherweise spartenübergreifend häufiger, als man denkt. Versicherungsnehmer, die ihrem Versicherer einen Schadenfall melden, scheinen davon auszugehen, mit der Meldung als solcher ihren Auskunftspflichten genüge getan zu haben und beantworten dabei Nachfragen des Versicherers nicht oder erst auf Nachfassen. Dass damit eine Kürzung des an sich begründeten Versicherungsanspruchs bis zum vollständigen Verlust verbunden sein kann, scheint den wenigsten dabei bewusst zu sein. In der Praxis dürfte allerdings zu berücksichtigen sein, dass die Entscheidung aufgrund anderer rechtlicher Grundlagen auf die Versicherung von Großrisiken nicht ohne weiteres übertragen werden kann.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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