Kündigung der Unterlassungserklärung: was Sie dabei beachten sollten

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Rechtsanwalt Andreas Kempcke

Haben Sie in der Vergangenheit eine Abmahnung vom Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) oder vom Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) erhalten und anschließend eine Unterlassungserklärung abgegeben? Dann sollten Sie prüfen, ob Sie die abgegebene Erklärung kündigen können. Im folgenden Beitrag erläutere ich, was Sie dabei beachten sollten.

Wann eine Kündigung der Unterlassungserklärung möglich ist 


Die Kündigung einer abgegebenen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ist unter verschiedenen Voraussetzungen möglich:


  • Der häufigste Kündigungsgrund ergibt sich aus einer Änderung der Rechtslage.
  • Ein Kündigungsgrund ergibt sich auch, wenn der Abgemahnte im Nachhinein herausfindet, dass der Abmahner bei der Abmahnung rechtsmissbräuchlich gehandelt hatte.
  • Ein weiterer Kündigungsgrund ergibt sich, wenn der Abmahner im Nachhinein seine Anspruchsberechtigung verliert.

Kündigungsgrund Änderung der Rechtslage


Eine Änderung der Rechtslage kann sich entweder aus einer Gesetzesänderung ergeben oder aus einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. War ein Verhalten früher wettbewerbswidrig, dann wäre es bei einer Änderung in der Rechtslage natürlich ungerecht, wenn der Abgemahnte weiterhin an die abgegebene Unterlassungserklärung gebunden wäre.


Praxistipp: Wenn Sie eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben haben, sollten Sie die entsprechenden rechtlichen Vorgaben im Hinterkopf behalten. Nachrichten über besonders wichtige oder grundsätzliche Rechtsänderungen werden über die sozialen Netzwerke in aller Regel vielfach geteilt, sodass Sie davon erfahren werden und dann tätig werden können.


Wenn Sie im Nachhinein herausfinden, dass der Abmahner bei der Abmahnung rechtsmissbräuchlich gehandelt haben könnte


Der Bundesgerichtshof hatte in der Vergangenheit bereits grundsätzlich entschieden, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung einen wichtigen Grund für die Kündigung einer auf der Abmahnung beruhenden Unterlassungsvereinbarung darstellen kann (BGH, Urteil vom 14.02.2019 Az. I ZR 6 /17 - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung).


Die Frage nach einem möglichen Rechtsmissbrauch bei der Abmahnung stellt sich nach meiner Auffassung insbesondere beim Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO). In den Vertragsstrafenverfahren des Vereins verteidige ich meine Mandanten bereits seit Jahren mit umfangreichem Vortrag zu den Anhaltspunkten für einen Rechtsmissbrauch. Zuletzt sind mehrere Gerichte diesem Vortrag gefolgt und haben Klagen des Vereins abgewiesen (Stand 20.11.2023: OLG Hamm: noch nicht rechtskräftig; OLG Köln: rechtskräftig; LG Hof: noch nicht rechtskräftig). Zu dem Urteil des OLG Hamm ist inzwischen ein Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig (Stand: 20.11.2023). In diesem Verfahren geht es unter anderem um die Frage, ob es rechtsmissbräuchlich ist, dass der Verein in der Vergangenheit über einen Zeitraum von mehreren Jahren insgesamt mehr als 5.000 Abmahnverfahren im Sande verlaufen ließ, obwohl keine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen abgegeben worden waren.


Zugegeben: Eine abschließende Klärung der Frage nach einem möglichen Rechtsmissbrauch gibt es natürlich erst, wenn der Bundesgerichtshof abschließend darüber geurteilt hat, ob bestimmte Sachverhalte wirklich einen Rechtsmissbrauch darstellen. Aber wenn ein Verein dafür bekannt ist, aus alten Unterlassungserklärungen Vertragsstrafen geltend zu machen, dann macht es aus meiner Sicht durchaus Sinn, eine abgegebene Unterlassungserklärung so früh wie möglich zu kündigen.


Wenn Sie im Nachhinein herausfinden, dass der Abmahner seine Anspruchsberechtigung verloren hat


Der Bundesgerichtshof hatte in der Vergangenheit bereits grundsätzlich entschieden, dass der Wegfall der Sachbefugnis hinsichtlich eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs einen wichtigen Grund für die Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung darstellen kann (BGH, Urteil vom 26.09.1996 zum Az. I ZR 265/95 - Altunterwerfung I).


Der Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) war in der Vergangenheit in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG (Unterlassungsklagengesetz) eingetragen und daher berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen. Allerdings ist der Verein nach eigenen Angaben im Jahr 2021 auf eigenen Antrag aus der Liste der qualifizierten Einrichtungen ausgeschieden. Damit hat der Verein seine Berechtigung verloren, im Wege einer Abmahnung Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend zu machen. Da der Verein aktuell ebenfalls mit Vertragsstrafenforderungen aus alten Unterlassungserklärungen auffällt, stellt sich auch bei diesem Verein die Frage, ob eine gegenüber dem Verein abgegebene Unterlassungserklärung gekündigt werden kann.


Ob die Rechtsprechung des BGH auf die aktuellen Vertragsstrafen-Fälle des VSV anwendbar ist, kläre ich für meine Mandantschaft aktuell (Stand: 20.11.2023), aber dies wird voraussichtlich einige Zeit dauern. Da der Verein aktuell die Einhaltung alter Unterlassungserklärungen überprüft und bei Verstößen recht hohe Vertragsstrafen fordert, macht es aus meiner Sicht Sinn, eine gegenüber dem Verein abgegebene Unterlassungserklärung zu kündigen.


Bei einer Kündigung unbedingt beachten: Für wen ist die Unterlassungserklärung abgegeben worden?


Bei einem Einzelunternehmen ist die Sache klar: Die Abgabe der Unterlassungserklärung wird von der Inhaberin bzw. dem Inhaber des Einzelunternehmens gefordert. Dies bedeutet: Vertragsparteien des Unterlassungsvertrages sind der Abmahnende und die Einzelunternehmerin bzw. der Einzelunternehmer. Damit ist auch klar, für wen die Kündigung erklärt werden muss.


Etwas komplizierter wird es, wenn sich die Abmahnung auf Angebote einer GmbH bezieht. In diesem Fall besteht nämlich die Möglichkeit, die Abgabe einer Unterlassungserklärung sowohl für die GmbH als auch für die in der Geschäftsführung verantwortliche Person zu fordern. Wenn der Abmahnende sauber arbeitet, wird aus der Abmahnung deutlich, ob die Abgabe der Unterlassungserklärung nur für die GmbH gefordert wird oder auch für die in der Geschäftsführung verantwortliche Person. Je nach Fall enthält die abgegebene Unterlassungserklärung also Unterlassungsverpflichtungen nur für die GmbH oder auch für die in der Geschäftsführung verantwortliche Person. Interessant wird es, wenn aufgrund der Inhalte in der Abmahnung und aufgrund der Fassung der mit dem Abmahnschreiben übersandten vorformulierten Unterlassungserklärung unklar ist, für wen die Unterlassungsverpflichtungen alles gelten sollen. In diesem Fall empfiehlt es sich aus meiner Sicht, die abgegebene Unterlassungserklärung für alle zu kündigen, für die möglicherweise Unterlassungsverpflichtungen begründet worden sein könnten.


Ab wann kann die Kündigung erklärt werden?


Typische Anwalts-Antwort: Kommt darauf an. Klar ist: Allzu viel Zeit sollten Sie sich mit der Kündigung nicht lassen, nachdem Sie Kenntnis von den Informationen erhalten haben, aus denen sich ein Kündigungsgrund ergibt. Je komplizierter und spezieller der Fall liegt, umso großzügiger sind die Gerichte bei der Beurteilung der Frage, ab wann man eigentlich Kenntnis von einem Kündigungsgrund haben musste und wie viel Zeit man dann für die Prüfung der Möglichkeit der Kündigung hat.


Die gute Nachricht für alle, die einer Unterlassungserklärung gegenüber dem Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) oder gegenüber dem Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) abgegeben hatten: Bei beiden Vereinen laufen aktuell (Stand: 20.11.2023) noch gerichtliche Verfahren, in denen es um die Frage geht, ob eine gegenüber den Vereinen abgegebene Unterlassungserklärung gekündigt werden kann. Mit dem Argument, dass eine Kündigung verspätet ist, werden die beiden Vereine also kaum durchdringen können.


Sie wollen sich gegen eine aktuelle Vertragsstrafenforderung wehren oder eine abgegebene Unterlassungserklärung vorsorglich kündigen?


Egal, ob Ihnen aktuell eine Vertragsstrafenforderung vorliegt oder ob Sie eine von Ihnen abgegebene Unterlassungserklärung vorsorglich kündigen wollen: Ich unterstütze Sie.


Sprechen Sie mich einfach an! Gerne prüfe ich die von Ihnen abgegebene Unterlassungserklärung und erörtere mit Ihnen die Möglichkeiten für das weitere Vorgehen.


  • Rufen Sie mich einfach an unter: 0381 260 567 30
  • Schicken Sie mir eine E-Mail an: rostock@internetrecht-rostock.de
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ direkt unter diesem Rechtstipp eine Mitteilung zukommen.

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de fortlaufend Betroffene, die eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, und das bundesweit.


Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meiner Profilseite, meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.


Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de

Foto(s): Andreas Kempcke

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