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Kündigung wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Bestimmte Berufsgruppen – z. B. im medizinischen oder anwaltlichen Sektor – trifft eine sog. Verschwiegenheitspflicht. Einfach gesagt, dürfen sie daher Geheimnisse, die ihnen anvertraut wurden, nicht an Dritte weitergeben. Ansonsten machen sich die „Verräter“ unter Umständen sogar wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB). Doch darf ihnen auch fristlos gekündigt werden oder ist zunächst eine Abmahnung nötig?

Terminblatt abfotografiert und per WhatsApp verschickt

Eine 52-jährige medizinische Fachangestellte arbeitete seit dem 01.07.2012 in einer radiologischen Praxis. Dort hatte eine Bekannte von ihr und ihrer Tochter einen Untersuchungstermin vereinbart und später wieder abgesagt. Um dies zu dokumentieren, rief die Angestellte auf ihrem Rechner ein Terminblatt auf, auf dem der Name und Geburtstag der Patientin sowie deren zu untersuchender Körperbereich und das dafür zu verwendende Gerät vermerkt wurde. Die Beschäftigte nahm ihr Smartphone, fotografierte das Terminblatt und schickte es mit den Worten „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ per WhatsApp an ihre Tochter. Die zeigte das Bild wiederum im Sportverein weiter, was auch der Patientin nicht verborgen blieb.

Deren Vater rief verärgert bei der Praxis an, woraufhin die Fachangestellte vom Arbeitgeber angehört wurde. Sie erklärte, nicht gewusst zu haben, derartige Daten nicht an direkte Verwandte weiterleiten zu dürfen. Sie sei darüber nicht aufgeklärt worden. Allerdings bereue sie ihre Tat. Der Arbeitgeber erwiderte, dass zumindest im Arbeitsvertrag explizit die Geheimhaltungspflicht nachzulesen sei und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Beschäftigte reichte daraufhin Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht ein.

Kündigung war wirksam

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg wurde das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt.

Unbefugte Weitergabe vertraulicher Daten

Die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber war deshalb gerechtfertigt, weil die medizinische Fachangestellte erheblich gegen ihre arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen hat. Schließlich hat sie einfach vertrauliche Patientendaten an einen Dritten, nämlich ihre Tochter, verschickt. Ihr Hinweis, von der Verschwiegenheitspflicht nichts gewusst zu haben, ließ das Gericht nicht gelten. Die Richter kamen vielmehr zu dem Schluss, dass die Beschäftigte gedankenlos gehandelt hat. Schließlich wissen selbst Laien mittlerweile, dass Patientennamen oder vertrauliche Daten nicht einfach weitergegeben werden dürfen.

Imageschaden durch Pflichtverletzung?

Eine Behandlung ohne das erforderliche Vertrauen zwischen Arzt und Patient ist nicht möglich. Der Patient muss sich deshalb unter anderem darauf verlassen können, dass seine persönlichen Daten nicht an Unbefugte übermittelt werden – das funktioniert aber nur, wenn sich neben dem Arzt auch dessen Personal an die Verschwiegenheitspflicht hält.

Alles andere könnte zum Vertrauensbruch führen und z. B. dafür sorgen, dass Patienten sich eine andere Arztpraxis suchen oder potenziellen neuen Patienten von einem Besuch in der betreffenden Praxis abraten. Die Kündigung der redseligen Beschäftigten war vorliegend daher ein geeignetes Mittel, um überweisenden Ärzten und Patienten zu verdeutlichen, dass in der Praxis die ärztliche Schweigepflicht gewährleistet und deren Verletzung nicht geduldet wird.

Abmahnung war entbehrlich

Grundsätzlich muss das Fehlverhalten eines Angestellten zunächst abgemahnt werden. Schließlich soll dem Mitarbeiter noch einmal die Chance gegeben werden, sein Verhalten in Zukunft zu ändern. Das gilt aber nur, wenn das – aufgrund der Pflichtverletzung zerstörte – Vertrauen wiederhergestellt werden kann.

Demgegenüber kann der Arbeitgeber auf eine Abmahnung verzichten und sofort kündigen, wenn beim Beschäftigten nicht mit einer Verhaltensänderung zu rechnen ist oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass dem Beschäftigten klar sein muss, dass der Arbeitgeber ein derartiges Verhalten keineswegs akzeptieren wird.

Mit der unbefugten Weitergabe von Patientendaten hat die medizinische Fachkraft eine solch schwere Pflichtverletzung begangen. Sie musste aus diesem Grund auch mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes rechnen. Erschwerend kam hinzu, dass sie sich an die Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag nicht mehr erinnern konnte und gedankenlos und gleichgültig – aus einer Laune heraus – die Daten an ihre Tochter übermittelt hat. Damit hat sie das Vertrauen ihres Arbeitgebers in ihre Diskretion im Zusammenhang mit dem vertraulichen Umgang mit Patientendaten unwiderruflich zerstört.

Fazit: Verstößt ein Angestellter gegen seine Verschwiegenheitspflicht, muss er mit der fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen.

(LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.11.2016, Az.: 12 Sa 22/16)

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

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