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Leidensgerechter Arbeitsplatz für kranken Mitarbeiter?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Kann der Beschäftigte die vereinbarte Tätigkeit wegen Krankheit oder Behinderung nicht mehr ausführen, spricht der Arbeitgeber häufig viel zu schnell eine Kündigung aus. Dabei könnte er dem Mitarbeiter oft einen sog. leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Lehnt der Arbeitgeber die Einrichtung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes ab, obwohl sich der Angestellte bereit erklärt hat, auf einem solchen zu arbeiten, stellt sich somit die Frage, ob er dennoch Arbeitslohn oder sogar Schadenersatz zahlen muss.

Installateur verlangt behindertengerechten Arbeitsplatz

Ein Installateur war seit ca. 18 Jahren für seinen Arbeitgeber tätig, als er arbeitsunfähig erkrankte. Etwa ein Jahr später erklärte er, zur Arbeit zurückkehren zu wollen, dass ihm eine Tätigkeit als Installateur aber nicht mehr möglich sei. Ferner forderte er mit einer Klage einige Monate später die Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes, obwohl er weder als schwerbehinderter Mensch anerkannt noch einem solchen gleichgestellt war. Der Arbeitgeber kam nach einer Überprüfung allerdings zu dem Ergebnis, dass ihm die Einrichtung des gewünschten leidensgerechten Arbeitsplatzes nicht möglich ist.

Daraufhin verlangte der Installateur für die Zeit ab Klageeinreichung Lohn – obwohl er zu keinem Zeitpunkt gearbeitet hatte. Schließlich habe er im Rahmen der Klage erfolglos seine Arbeitskraft angeboten. Seiner Tätigkeit als Installateur hätte er nach einer „geringfügigen Umorganisation“ des Arbeitsplatzes, z. B. durch den Einsatz von Hebewerkzeugen, durchaus nachgehen können. Der Arbeitgeber lehnte eine Zahlung ab: Der Beschäftigte habe seine Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie er sie eigentlich schulde.

Arbeitgeber schuldet keine Vergütung

Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) wies sämtliche Ansprüche des Beschäftigten auf Vergütung zurück.

Zunächst einmal gilt der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn! Nur unter gewissen Voraussetzungen können Beschäftigte die Zahlung von Gehalt verlangen, obwohl sie nicht gearbeitet haben, z. B. bei Krankheit oder Urlaub. Ferner muss der Chef nach § 615 S. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) i.V.m. § 611 I BGB weiter Lohn zahlen, wenn er vom Angestellten gemäß der §§ 293 ff. BGB in Verzug gesetzt wurde. Das kann z. B. passieren, indem der Arbeitnehmer persönlich im Betrieb erscheint und arbeiten möchte, vom Chef allerdings wieder nach Hause geschickt wird. Hat der Arbeitgeber bereits erklärt, an einer Arbeitsleistung des Beschäftigten nicht interessiert zu sein, gerät er sogar noch schneller in Annahmeverzug: Der Beschäftigte muss lediglich seinen Arbeitswillen gegenüber dem Chef z. B. über das Telefon erklären bzw. ihn dazu auffordern, eine eventuell erforderliche Mitwirkungshandlung vorzunehmen, z. B. die Bereitstellung von Arbeitsräumen oder Arbeitsmitteln.

Stets ist aber Voraussetzung, dass der Angestellte seine Arbeitsleistung so anbieten muss, wie er sie aufgrund Arbeitsvertrags bzw. aufgrund des vom Chef ausgeübten Direktionsrechts nach § 106 GewO (Gewerbeordnung) schuldet. Wurde man demnach vom Arbeitgeber z. B. als Installateur eingestellt, darf man nicht plötzlich eine Tätigkeit als Maler anbieten.

Vorliegend wollte der Installateur nicht auf seinen alten Arbeitsplatz zurück – er verlangte vielmehr die Einrichtung eines anderen, leidensgerechten Arbeitsplatzes. Um welchen es sich handeln sollte, also ob er auch weiterhin als Installateur tätig werden wollte, nannte er zunächst aber nicht. Er hatte aber erklärt, seiner bisherigen Tätigkeit nicht mehr nachgehen zu können. Später jedoch sprach er davon, dass sein bisheriger Arbeitsplatz lediglich geringfügig umorganisiert werden müsste, etwa mittels Hebewerkzeugen.

Das Gericht war daher der Ansicht, dass seine angebotene Tätigkeit nicht der Leistung entsprach, die er eigentlich aufgrund der Weisung seines Chefs erbringen musste – und zwar selbst dann, wenn der bisherige Arbeitsplatz nur „geringfügig“ umorganisiert werden müsste. Zwar könnte der Arbeitgeber erneut von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und die Arbeitsleistung des Installateurs neu festlegen – er muss aber nicht. Im Übrigen war der Installateur nicht als schwerbehinderter Mensch anerkannt noch einem solchen gleichgestellt. Den Chef traf daher keine Pflicht, bei Ausübung des Direktionsrechts Rücksicht auf einen behinderten Beschäftigten zu nehmen. Auch müssen Arbeitgeber Wünsche von Beschäftigten im Hinblick auf die Arbeitsleistung bei Weisungen nicht berücksichtigen. Ansonsten könnten Arbeitnehmer Einfluss auf das Direktionsrecht des Chefs nehmen. Da der Installateur somit seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten hat, geriet der Chef nicht in Annahmeverzug. Er musste daher auch keinen Lohn zahlen.

Übrigens: Verweigert der Arbeitgeber die Einrichtung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes, könnte dem betroffenen Beschäftigten ein Schadenersatzanspruch gemäß § 280 I BGB zustehen. Schließlich trifft jeden Chef grundsätzlich eine Rücksichtnahmepflicht nach § 241 II BGB. Er macht sich aber nur schadenersatzpflichtig, wenn er die Zuweisung des kranken oder behinderten Mitarbeiters auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz ablehnt, obwohl ihm dies zumutbar und rechtlich möglich ist, also z. B. ein passender Arbeitsplatz frei ist. Im vorliegenden Fall hielt das LAG die Einrichtung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes nicht für zumutbar – es lehnte daher auch einen Schadenersatzanspruch des Beschäftigten ab.

(Hessisches LAG, Urteil v. 24.06.2014, Az.: 13 Sa 1501/13)

(VOI)

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