Medizinrecht - OLG Hamm: 100.000,00 € Schmerzensgeld wegen zu spät erkanntem Hautkrebs

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OLG Hamm: 100.000,00 € Schmerzensgeld wegen zu spät erkanntem Hautkrebs

Erkennt ein Hautarzt die Hautkrebserkrankung einer Patientin nicht rechtzeitig, handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler. Dem Arzt kann eine bis zum Tode führende Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patientin zuzurechnen sein, und sein Fehler, ein Schmerzensgeld von € 100.000,00 rechtfertigen. Das hat das OLG Hamm mit Urteil vom 27.10.2015 entschieden.

Sachverhalt: Die 1954 geborene Patientin suchte im August 2009 die beklagten Hautärzte auf, um die Verfärbung eines Zehennagels nach einer Stoßverletzung abklären zu lassen. Die beklagten Hautärzte zogen ein Nagelhämatom in Betracht und veranlassten, dass die Patientin eine Nagelprobe einreichte, die histologisch untersucht wurde. Nachdem die Untersuchung lediglich einen bakteriell infizierten Nagel ausgewiesen hatte und die Patientin hierüber von der Beklagten telefonisch in Kenntnis gesetzt worden war, unterblieb ihre weitere dermatologische Behandlung.

Patientin verstarb an Folgen einer Krebserkrankung

Nachdem sich die Verfärbung des Zehennagels im folgenden Jahr nicht zurückgebildet hatte, suchte die Patientin erneut einen Hautarzt auf. Dieser äußerte den Verdacht einer Krebserkrankung, die sich bei weiteren Untersuchungen bestätigte. Nach dem Befall von Lunge und Lymphknoten mit Metastasen erlag die Patientin im Dezember 2013 den Folgen ihrer Krebserkrankung. Das Landgericht wies die noch von der Patientin geführte Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von € 100.000,00 ab. Der Ehemann führte die Klage in der Berufung fort.

OLG: Arzt hätte umfassende Differenzialdiagnostik durchführen müssen

Das Oberlandesgericht hat der Klägerin Recht gegeben und die Beklagten nach sachverständiger Begutachtung zur Zahlung des beantragten Schadenersatzes verurteilt. Der die Patientin behandelnde Beklagte habe es versäumt, eine ausreichende histologische Untersuchung zum Ausschluss eines Melanoms sicherzustellen. Auch wenn die Patientin von einem Stoßereignis und damit einer naheliegenden Ursache für ein Hämatom berichtet habe, hätte der Beklagte mittels einer umfassenden Differenzialdiagnostik eine – ohne rechtzeitige Behandlung tödlich verlaufende – Hautkrebserkrankung sicher abklären müssen.

Histologische Untersuchung war unzureichend

Die vom Beklagten veranlasste histologische Untersuchung sei unzureichend gewesen, weil sie nicht durch eine im Bereich des möglichen Melanoms entnommenen Nagelprobe vorbereitet worden sei, vielmehr habe es der Beklagte der Patientin überlassen, den Ort der Probe festzulegen und sie dort zu entnehmen. Darüber hinaus sei den Beklagten vorzuwerfen, der Patientin nach der telefonischen Übermittlung des histologischen Befundes nicht hinreichend deutlich gemacht zu haben, dass sie sich zur weiteren Befundung in der Praxis alsbald wieder vorstellen solle. Das Fehlverhalten der Beklagten sei jedenfalls in der Gesamtschau als grob behandlungsfehlerhaft zu beurteilen und führe zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der zurechenbaren Folgen.

Patientin hätte Chance auf vollständige Heilung gehabt

Bei ordnungsgemäßer Befundung hätte das bei der Patientin zum Zeitpunkt ihrer Behandlung durch die Beklagten bereits vorhandene Melanom festgestellt werden müssen. Abgesehen von der auch in diesem Fall notwendigen Amputation des Zehengrundgliedes sei dem Beklagten der sich weiter verschlechternde Gesundheitszustand und ihr durch die Krebserkrankung bedingter Tod zuzurechnen. Mit dem Sachverständigen gehe der Senat davon aus, dass die Patientin nach der Amputation eine hypothetische Chance auf eine vollständige Heilung gehabt hätte. Die den Beklagten zuzurechnenden Umstände rechtfertigen ein Schmerzensgeld in Höhe von € 100.000,00.

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