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Menschenwürde – warum ist sie unantastbar?

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Menschenwürde – warum ist sie unantastbar?

Experten-Autorin dieses Themas

In diesem Artikel erkläre ich, was man unter der Menschenwürde versteht, wo sie rechtlich verankert ist und für wen sie gilt. Außerdem beantworte ich die Frage, ob die Menschenwürde schon von Geburt an besteht und ob sie auch über den Tod hinaus besteht, und kläre auf, ob man auf die Menschenwürde eigentlich eigeninitiativ verzichten kann. 

Was versteht man unter der Menschenwürde im rechtlichen Sinne?

Den meisten dürfte die Aussage „die Menschenwürde ist unantastbar“ geläufig sein. Gesetzlich normiert ist dieser Grundsatz in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). In Art. 1 S. 2 GG heißt es weiter, dass sie zu achten und zu schützen, die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist. 

Die Tatsache, dass die Menschenwürde gleich zu Beginn des Grundgesetzes verankert ist, bekräftigt einmal mehr den Wert der Menschenwürde als höchsten der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) versteht den Begriff der Menschenwürde als tragendes Verfassungsprinzip im System der Grundrechte. 

Durch Art. 1 GG werden weitere Grundrechte beeinflusst und im Lichte von Art. 1 GG ausgelegt. Das bedeutet, dass der Grundsatz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, immer indirekten Einfluss hat. 

Rechtlich handelt es sich bei der Menschenwürde um einen unbestimmten Rechtsbegriff, da er nicht näher definiert ist. Eine Definition im eigentlichen Sinne gibt es nicht. 

Nach dem Bundesverfassungsgericht ist mit der Menschenwürde ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell infrage stellt. Die Menschenwürde besagt mithin, dass jeder Mensch wertvoll ist. 

Nach dem Bundesverfassungsgericht ist die Menschenwürde in diesem Sinne nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen. Jeder besitzt sie, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Auch wer aufgrund eines körperlichen oder geistigen Zustands nicht sinnhaft handeln kann, hat einen Anspruch auf Achtung der Menschenwürde. (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats v. 20. Oktober 1992 – 1 BvR 698/89). 

Ab wann und für wen gilt die Menschenwürde?

Die Menschenwürde gilt ohne Ausnahme für jeden Menschen, und zwar bereits entgegen der Vorstellung vieler schon vor der Geburt – nämlich ab dem Zeitpunkt der Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter (Nidation). Selbst unwürdiges Verhalten lässt die Menschenwürde des Einzelnen nicht entfallen; sie kann keinem Menschen genommen werden (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats v. 20. Oktober 1992 – 1 BvR 698/89). 

Die Menschenwürdegarantie besteht sogar im Hinblick auf die Stellung als höchsten Verfassungsrang über den Tod hinaus (sog. postmortale Schutzwirkung der Menschenwürde). Zwar ist die Frage, inwieweit die Menschenwürde über den Tod hinaus gilt, umstritten, nach dem Bundesverfassungsgericht wäre es mit der Verfassung jedoch nicht vereinbar, wenn der Würde- und Achtungsanspruch nach dem Tod herabgewürdigt oder erniedrigt werden würde. Das Bundesverfassungsgericht ist mithin der Ansicht, dass die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürde nicht mit dem Tode erlischt. 

Kann man auf die Menschenwürde verzichten?

Zwar gibt es unterschiedliche Ansichten zu der Frage, ob ein Individuum auf die Menschenwürde verzichten kann, nach der Rechtsprechung und nach überwiegender Ansicht steht die Menschenwürde jedoch nicht zur Disposition des Einzelnen. Die Menschenwürde gilt absolut und ohne (freiwillige) Einschränkungen. Ein Verzicht ist deshalb nicht möglich. 

Das wohl bekannteste Beispiel zur Verdeutlichung hierfür ist der sogenannte Zwergenweitwurf. Hierbei werden kleinwüchsige Menschen möglichst weit geworfen. Nach der Rechtsprechung verstößt der Zwergenweitwurf gegen die Würde des Menschen. Entsprechende Veranstaltungen sind daher in Deutschland verboten. Dass sich der Betroffene freiwillig werfen lassen würde und den Zwergenweitwurf selbst nicht als entwürdigend empfindet, ist unerheblich.  

Beispiele für Verletzungen der Menschenwürde

Oben wurde bereits der Zwergenweitwurf als Verletzung der Menschenwürde genannt. Eine Verletzung der Menschenwürde ist außerdem anzunehmen bei 

  • Anwendung von Folter 

  • sexueller Gewalt 

  • Überwachung von Wohnräumen 

  • Homophobie 

  • Zwangsprostitution 

  • Tötung Unschuldiger zur Rettung Dritter 

  • grausamen Strafen 

Auch bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe stellt sich die Frage der Verletzung der Menschenwürde. Eine Verletzung ist jedoch so lange zu verneinen, wie eine rechtlich gesicherte Chance darauf besteht, je wieder in Freiheit zu gelangen. Diese Chance besteht in Deutschland. 

Hinweis: Die Gewährung von Hartz IV bzw. eines Existenzminimums ist ebenfalls Ausdruck der Menschenwürdegarantie des Staates. 

Menschenwürde vs. Menschenrechte

Menschenwürde und Menschenrechte sind zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten, die jedoch aufeinander aufbauen. Man kann sagen, dass die Menschenrechte ihren Ursprung in der Menschenwürde haben bzw. aus ihr hergeleitet werden, denn Achtung der Menschenwürde bedeutet die Notwendigkeit eines effektiven Menschenrechtsschutzes. 

Menschenrechte ergeben sich beispielsweise aus den ersten Artikeln des Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Leben, körperliche Unversehrtheit etc.) Menschenrechte spielen jedoch nicht nur auf inländischer, sondern auch auf europäischer Ebene eine Rolle. Durch den Europarat ist am 04.11.1950 zu diesem Zweck die Europäische Menschenrechtskonvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten erlassen worden, wobei im ersten Abschnitt (Art. 2–18 EMRK) die Menschenrechte aufgelistet sind. Sie beinhalten folgende Regelungen: 

  • Recht auf Leben  

  • Verbot von Folter 

  • Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit 

  • Recht auf Freiheit und Sicherheit 

  • Recht auf ein faires Verfahren 

  • Keine Strafe ohne Gesetz 

  • Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens 

  • Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit 

  • Freiheit der Meinungsäußerung 

  • Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit 

  • Recht auf Eheschließung 

  • Recht auf wirksame Beschwerde 

  • Diskriminierungsverbot 

Fazit

  • Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist in Art. 1 Abs. 1 GG gesetzlich verankert. 

  • Die Menschenwürde ist nach der Verfassung das höchste Gut und untrennbar mit dem Menschsein verbunden. 

  • Sie garantiert einen sozialen Wert- und Achtungsanspruch des Menschen. 

  • In zeitlicher Hinsicht gilt sie ab dem Zeitpunkt der Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter (Nidation). 

  • Die Menschenwürde des Einzelnen kann niemals entfallen; sie gilt über den Tod hinaus. 

  • Die Menschenwürde gilt absolut und ausnahmslos; ein Verzicht auf den Wert- und Achtungsanspruch ist nicht möglich. 

  • Die Menschenwürde wird durch Menschenrechte gesichert. Diese sind sowohl im Grundgesetz verankert als auch auf europäischer Ebene in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). 

Foto(s): ©AdobeStock/denys_kuvaiev

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