Mietminderung wegen Corona für Gewerbe: nach LG München nun doch!

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Ob Mietminderungen „wegen Corona“ in der Gewerbemiete (Ladengeschäfte, Büros etc.) und der Pacht (v.a. Gastronomie) zulässig sind – das wird seit Anfang der Pandemie und den damit verbundenen behördlichen Maßnahmen unter Juristen und Betroffenen heiß diskutiert.

Denn wir erinnern uns an den März 2020: vor allem im April 2020 während des harten Lock-Downs in der ersten Pandemie-Welle waren Geschäfte, Restaurant etc. großenteils ganz geschlossen. Ab Mai begann die Öffnung unter deutlichen Einschränkungen und auch im Juni spürten Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie noch deutliche Auswirkungen. Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ ermöglichte zwar Miet- und Pachtzahlungen ohne Risiko einer Kündigung auszusetzen, aber eben nur eine Stundung. Nicht bezahlte Mieten müssen bzw. sollten grundsätzlich nachträglich in vollem Umfang nachbezahlt werden.

Daran rüttelt nun das Landgericht (LG) München mit einem Urteil aus dem September 2020.

Mietminderung wegen Mangel? Bisher nicht…

Stunden durften Gewerbemiete Mietzahlungen für die Monate April bis Juni 2020. Eine Möglichkeit zur Mietminderung „wegen Corona“ hingegen wurde von den Gerichten bisher abgelehnt. Bisher waren Gerichte in Deutschland der Auffassung wie folgt:

  • Eine Mietminderung wegen „Corona als Mangel“ im Sinne des § 536 BGB kommt nicht in Betracht. Das geschah vor allem auch im Hinblick darauf, dass in den Augen der Gerichte die Beschränkungen und ausbleibenden Kunden wegen behördlicher Schließungsanordnungen kein Mietmangel seien. Dazu mein Beitrag aus dem Juli 2020 . Zu diesem Ergebnis kam auch das Landgericht Heidelberg (Urteil v. 30.07.2020, Az.: 5 O 66/20) und das LG Zweibrücken (Urteil v. 11.09.2020, Az.: HK O 17/20).
  • Grundsätzlich war man auch in der Wissenschaft und unter Praktikern bisher eher der Auffassung, dass § 313 BGB die „passende“ Lösung direkt im Gesetz bereit hält: § 313 BGB gibt u.a. Parteien eines Gewerbemietvertrages das Recht, vom Vertragspartner eine Anpassung z.B. der Miete zu verlangen, wenn ein Festhalten an den bisherigen Regelungen im Mietvertrag unter aktuellen, nicht vorhersehbaren Umständen unzumutbar ist. Mehr dazu lesen Sie in diesem Beitrag aus dem Juli 2020


Landgericht München: Corona ist ein Mietmangel, Mietminderung möglich

Anders sieht das nun das Landgericht München. In einem Urteil (22.09.2020, Az.: 3 O 4495/20) sprach es dem Mieter einer großen Gewerbefläche für die Monate April, Mai und Juni 2020 die Möglichkeit zu, die Miete in teils erheblichem Umfang zu mindern.

Da der Lockdown und die damit verbundenen behördlichen Maßnahmen den Mieter sehr unterschiedlich stark beeinträchtigten, fiel die vom Gericht zugesprochene Berechtigung zur Minderung sehr unterschiedlich aus. Laut Gericht war der Mieter im April 2020 berechtigt, die Miete um 80 % zu mindern, im Mai 2020 um 50 % und im Juni 2020 um immerhin 15 %. Nachdem der Mieter (Möbelgeschäft) die Miete rechtmäßig gestundet hatte, ging es nun darum, in welcher Höhe er die Mieten für die Monate April bis Juni 2020 an den Vermieter nachzahlen muss.

Grundlage der Entscheidung: Urteile von 1913, 1916 und 1917

Das LG beruft sich in seinem Urteil auf ein Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahr 1913 bzw. auf ähnlich lautende Entscheidungen von 1916 und 1917, in denen es um Fälle ging, in denen bestimmte Lokale aufgrund behördlicher Verfügungen ihren Betrieb zeitweise einstellen mussten.  
Wie das Reichsgericht kam das LG München zu dem Ergebnis, dass ein Mietmangel als „Unbrauchbarkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch“ auch auf behördlichen Verfügungen beruhen bzw. aus öffentlich-rechtlichen Regelungen resultieren kann. In den Urteilen des Reichsgerichts hatten die Richter den Betreiber eines Tanzlokals, eines Nachtlokals und eines Geschäftes eine Mietminderung zugestanden, da der Betrieb durch eine (Militär-) Behörde aufgrund des Krieges untersagt worden war.

Diese Einordnung der behördlichen Schließungsanordnungen bzw. Einschränkungen des Betriebs eines Unternehmens überzeugt allerdings nicht. Denn ein Mietmangel ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn eine Einschränkung der Mietsache in der Nutzbarkeit in der Beschaffenheit bzw. ihrer Beziehung zur Umwelt liegt. Solange die gemietete bzw. gepachtete Fläche (Büro, Laden, Restaurant, Hotel etc.) an sich weiter uneingeschränkt genutzt werden kann bzw. könnte liegt nach Auffassung des BGH schlichtweg kein Mietmangel vor (BGH, Urteil v. 16.02.2000; Az.: XII ZR 297/97). So ist es im Falle der Betriebsuntersagungen und Einschränkungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie der Fall. So argumentierte auch das Landgericht Heidelberg und das Landgericht Zweibrücken.

§ 313 BGB: Störung der Geschäftsgrundlage als Lösung

Auf die - meiner Meinung nach vorzuziehenden – Lösung des Problems über einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages / Pachtvertrages gem. § 313 wegen Störung der Geschäftsgrundlage geht das LG München I nur am Rande ein. Die Anwendung des § 313 BGB wird ohne Begründung angenommen und der Hinweis gegeben, dass die Anpassung sich nur auf die Mietzahlung beziehen können und hinsichtlich der Höhe dann dem entspräche, was auch über die Mietminderung gerechtfertigt wäre.

Geminderte Miete zurückbezahlen? Besser nicht!

Kann man als Gewerbemieter oder Pächter nun seine Miete / Pacht für April bis Juni nachträglich mindern? Kann man zu viel gezahlte Miete / Pacht ggf. mit aktuellen Zahlungen verrechnen und aktuell weniger bezahlen, wenn man von April bis Juni „normal“ an den Vermieter / Verpächter bezahlt hat?

Wenn man sich allein auf das Urteil des LG München verlässt, könnte man zu diesem Ergebnis kommen. Man muss aber bedenken, dass das Urteil des LG München nur ein Urteil zu diesem Thema ist und zwei weitere Urteile existieren, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen. Da alle Urteile keine verbindliche Rechtswirkung haben, sollte man sich auf das Urteil des LG München nicht verlassen. Denn erst eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) kann Verlässlichkeit in die Vielfalt der Rechtsprechung bringen. 

Bis dahin ist eine Minderung von gestundeten Mietzahlungen bzw. Verrechnung mit laufenden Zahlungen eher riskant!

Unter Umständen kann man als Mieter aber die Anpassung seines Mietervertrages z.B. im Hinblick auf die Mietzahlungen nach § 313 BGB verlangen – auch rückwirkend für den Frühsommer 2020. Für die aktuelle Situation und die Zukunft ist es außerdem ratsam, eine entsprechende Klausel in den Gewerbemietvertrag aufzunehmen und derartige Situationen ausdrücklich und einvernehmlich mit dem Vermieter zu regeln




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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