Mindestlohn auch für Feiertage und bei Krankheit
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In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.05.2015 (Az. 10 AZR 191/14) ging es um die Frage, ob der aufgrund eines Tarifvertrags geltende Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs vom Arbeitgeber zu zahlen ist, oder auch für die aufgrund von Feiertagen und Krankheit entfallenen Arbeitsstunden.
Sachverhalt
Der Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin war als pädagogische Mitarbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis der Klägerin galt der Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15.11.2011. Dieser Tarifvertrag hat per Verordnung bundesweite Gültigkeit. Die Beklagte zahlte der Klägerin den tariflichen Mindeststundenlohn von 12,60 € brutto nur für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie für Zeiten des Urlaubs, nicht jedoch für aufgrund von Feiertagen oder Krankheit entfallenen Arbeitsstunden und auch nicht bei der Urlaubsabgeltung. Bei Letzteren wurde nur ein geringeres Arbeitsentgelt gezahlt. Dadurch erhielt die Klägerin in der Summe, bei Verrechnung der geleisteten Arbeitsstunden und der Urlaubstage auf der einen Seite und den Feiertagen, krankheitsbedingten Arbeitsausfälle und der Urlaubsabgeltung auf der anderen Seite, ein geringeres Arbeitsentgelt als den Stundenlohn von 12,60 €. Hiergegen klagte nun die Arbeitnehmerin und verlangte von ihrem Arbeitgeber Nachzahlung der entstandenen Differenz, so dass auch Feiertage, Krankheitszeiten und die Urlaubsabgeltung nach Maßgabe der Mindeststundenvergütung berechnet werden sollen.
Mindestlohn auch für Feiertage, bei Krankheit und Urlaubsabgeltung
Aus dem Tarifvertrag ergibt sich für Arbeitnehmer ein Anspruch auf Mindestlohn in Höhe einer Mindeststundenvergütung von 12,60 € brutto. Diese tarifliche Mindestlohnregelung enthält jedoch keine Vorgabe zur Zahlung des Mindestlohns auch bei Krankheit und bei aufgrund von Feiertagen entfallenden Arbeitsstunden sowie bei Urlaubsabgeltung.
Daher entwickelte sich bei einigen Arbeitgebern – auch außerhalb des nun vom BAG entschiedenen Bereichs – die Praxis, den Mindestlohn nur für die Zeit der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und des Urlaubs zu bezahlen. Im Hinblick auf Feiertage, Tage an denen der Arbeitnehmer krank war und bei Urlaubsabgeltung jedoch nur ein geringeres Entgelt auszuzahlen.
Das BAG hat für den Bereich des pädagogischen Personals nun entschieden, das eine solche Praxis unzulässig ist.
Der Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe des tariflich vereinbarten Mindestlohns ergibt sich jedoch – mangels Regelung – nicht aus dem Tarifvertrag selbst, sondern aus den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) und des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG).
Im Krankheitsfall ergibt sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 EFZG; die Zahlung des Entgelts an Feiertagen folgt aus § 2 Abs. 1 EFZG. Danach muss der Arbeitgeber für entfallene Arbeitszeiten dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt auszahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Die Höhe der Urlaubsabgeltung bemisst sich nach denselben Regeln wie die Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 BUrlG. Demnach wird die durchschnittliche Vergütung der letzten dreizehn Wochen zugrunde gelegt.
Daraus folgt, dass der Arbeitgeber auch bei Feiertagen, in Krankheitsfällen und bei Urlaubsabgeltung die nach dem Tarifvertrag vorgesehene Mindeststundenvergütung für die Berechnung des Arbeitsentgelts zu Grunde legen muss; er darf nicht nur einen vertraglich vereinbarten geringeren Lohn auszahlen. Der Rückgriff auf eine vom Mindestlohn nach unten abweichende vertragliche Vereinbarung ist in diesem Fall somit unzulässig.
Auswirkungen auf andere Bereiche und auf den seit Januar 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohn
Aufgrund des der Klage zugrunde liegenden Sachverhalts gilt die Entscheidung des BAG zunächst nur für das pädagogische Personal in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, deren Arbeitsverhältnis dem Tarifvertrag unterfällt.
Das Urteil des BAG könnte sich jedoch als Richtungsentscheidung erweisen, welches auch Auswirkungen auf andere Bereiche mit ähnlicher Praxis entfaltet.
Es empfiehlt sich daher für Arbeitnehmer aus ähnlichen Bereichen, nachzuprüfen, wie die Höhe ihres Arbeitsentgelts insgesamt berechnet wurde. Sollte sich dabei ergeben, dass in vergleichbarer Weise zu wenig gezahlt wurde, so ist zu prüfen, ob Nachzahlungen verlangt werden können.
Für den Bereich des seit Januar 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohns zeigt der entschiedene Fall des BAG eine wichtige Parallele auf. Zwar ging es in dem Urteil nicht um Mindestlohnzahlungen nach dem Mindestlohngesetz, jedoch enthält auch das Mindestlohngesetz keine Regelungen im Hinblick auf die Zahlung des Mindeststundenlohns bei Krankheit, an Feiertagen und bei Urlaubsabgeltung. Daher könnte auch in diesem Fall auf die oben beschriebenen Regelungen aus dem EFZG und dem BUrlG zurückzugreifen sein.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christof Gregor, Kempten
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