Nach Schlaganfall entscheidungsunfähig – BGH stärkt Entscheidungsrechte von Patienten

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Ein Schlaganfall kann jeden treffen. Kürzlich entschied der Bundesgerichtshof über den Fall einer Frau, die sich nach einem Schlaganfall und anschließendem Herz-Kreislaufstillstand im Wachkoma befand. Zum Zeitpunkt des Urteils wurde sie über eine Sonde ernährt und mit Flüssigkeit versorgt. 

Wachkoma und künstliche Ernährung nach Schlaganfall – Patientin wollte sterben

Die Frau hatte in ihrem Bekanntenkreis vor ihrem eigenen Schlaganfall über zwei ähnlich gelagerte Fälle gesagt, dass sie für sich weder eine künstliche Ernährung noch sonstige künstliche Lebenserhaltungsmaßnahmen wünsche und den Tod vorziehe. Einige Monate später erlitt sie selbst einen schweren Schlaganfall.

Als die Patientin nach ihrem Schlaganfall noch vor dem Koma einmalig die Gelegenheit erhielt zu sprechen, sagte sie zu ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“ Die Patientin hatte in gesunden Tagen eine Patientenverfügung unterzeichnet, in der sie festlegte, dass in bestimmten Fällen lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen. In der Urkunde teilte sie ferner mit, dass sie aktive Sterbehilfe ablehne. 

Zu ihren Betreuern wurden ihr Sohn und ihr Ehemann bestellt. Im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt wünschte der Sohn die Einstellung der künstlichen Ernährung. Der Ehemann jedoch war dagegen und bestand darauf, dass seine Frau weiterhin mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt wurde.

Oberlandesgericht: Patientenverfügung regelt den vorliegenden Fall nicht

Das Oberlandesgericht sah die Patientenverfügung als nicht hinreichend konkret an, da die Patientin nicht den Fall geregelt hatte, dass der unerwünschte Zustand bereits eingetroffen, also die lebenserhaltenden Maßnahmen bereits eingeleitet wären. Deren Unterbrechung würde die Patientin als aktive Sterbehilfe sehen und daher ablehnen. Das Gericht lehnte die Genehmigung des Ernährungsabbruches ab.

Bundesgerichtshof: Anforderungen dürfen nicht überspannt werden

Der BGH sah diese Entscheidung als rechtsfehlerhaft an. Das Oberlandesgericht habe sich bereits nicht hinreichend nicht der Frage befasst, ob überhaupt einer Genehmigung notwendig war. Denn eine Genehmigung wird nicht benötigt, wenn der Patient mit wirksamer Patientenverfügung in einen Behandlungsabbruch einwilligt. Der BGH bekräftigte bei dieser Gelegenheit seine Rechtsprechung: Eine Patientenverfügung muss zwar hinreichend konkret sein, die Anforderungen an die Bestimmtheit der Verfügung dürfen jedoch nicht überspannt werden. Hinreichend konkret meint:

  • die konkrete Behandlungssituation muss beschrieben werden und
  • die Maßnahmen, in die der Patient eingewilligt oder die er ablehnt müssen genau bezeichnet werden.

Danach ist nicht ausreichend, dass die pauschale Ablehnung von lebenserhaltenden Maßnahmen niedergeschrieben wird. Es darf jedoch nicht verlangt werden, dass der Patient auf sämtliche in Frage kommenden Krankheiten und Zustände konkret eingeht. Nicht jedes Medikament, sondern die Art der medizinischen Maßnahme muss hinreichend konkret bezeichnet werden.

Gerichte müssen den tatsächlichen Willen des Patienten ermitteln

Die Entscheidung trägt der Lebenswirklichkeit Rechnung. Nach dieser ist es nicht möglich, im Voraus alle Eventualitäten zu bedenken. Wer kann schon wissen, wie sich die eigene Gesundheit in der Zukunft entwickeln wird? Niemand ist vor Unfällen und deren Folgen sicher. Ferner kann auch kein medizinischer Laie mit dem Fortschritt medizinischer Heilbehandlungen auf dem Laufenden bleiben. Der BGH erteilt eine deutliche Anweisung an die unteren Gerichte, mehr Sorgfalt bei der Auslegung der Patientenverfügung walten zu lassen und keinen Aufwand zu scheuen, den tatsächlichen Willen des Patienten zu ermitteln. Mit seinen Ausführungen zur Notwendigkeit des mutmaßlichen Willens des Patienten für den Fall, dass der tatsächliche Wille nicht feststellbar ist, zeigt das Gericht einmal mehr, dass die Behandlung des Patienten bis zum Schluss dessen Willen unterstellt sein soll.

Patientenverfügung muss sorgfältig erstellt werden

Die Entscheidung zeigt nicht zuletzt, wie wichtig es ist, für den Fall vorzusorgen, dass man selbst über die Behandlung nicht mehr entscheiden kann. Die Errichtung einer den Formerfordernissen genügenden Patientenverfügung und deren jährliche Bestätigung kann nicht nur einem selbst ersparen, Behandlungen entgegen dem eigenen Willen erdulden oder missen zu müssen. Sie ist auch für die Angehörigen eine wichtige Entscheidungshilfe und kann so auch diese vor Leid und Gewissenskonflikten schützen.

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