Nur subsidiärer Schutz für syrische Flüchtlinge? Familiennachzug zu den anerkannten Flüchtlingen

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Um Prognosen darüber aufstellen zu können, ob ein Recht auf Familiennachzug insbesondere für Syrer besteht, muss man das System des Asylrechts, der Administration des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Obergerichtliche Rechtsprechung verstehen und ihre schnellen Entwicklungen beobachten. Nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Verfahrensweise sind für Schutzsuchende nicht selten niederschmetternd und für den deutschen Rechtsstaat ein Armutszeugnis.

In der Verwaltung und Rechtsprechung ist nach wie vor anerkannt, dass Personen, die seit Beginn der bewaffneten Konflikte im Jahr 2011 aus Syrien geflohen sind, erhebliche Gefahren bei Rückkehr drohen. Es geht daher nicht darum, ob die Schutzsuchenden vom BAMF einen Schutzstatus erhalten, sondern welchen. Die Frage welcher Schutzstatus gewährt wird, ist jedoch ausschlaggebend dafür, ob ein Recht auf Familiennachzug besteht oder nicht.

I. Eine erste Möglichkeit bestände darin einen Asylantrag i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG anerkannt zu bekommen.

Diesen werden aber die wenigsten erhalten, da ein Recht auf Asyl meistens wegen Art. 16a Abs. 2 GG ausscheidet. Danach kann sich niemand auf ein Asylrecht berufen, der aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Das sind nach Ansicht der Gerichte alle EU -Staaten. Da Deutschland von EU Mitgliedern umgeben ist, müsste ein Schutzsuchender von Syrien aus am Hamburger Hafen einreisen um von dieser Regelung nicht betroffen zu sein.

II. Da die meisten schutzsuchenden über den Landweg einreisen, kommt es auf den internationalen Schutz an, also den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 3 AsylG) oder den subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) nach den Vorgaben der europäischen Richtlinie 2011/95/EU.

1. Wird eine Person als Flüchtling i.S.d. § 3 Asylgesetz anerkannt, so hat sie einen Anspruch auf Familiennachzug i.S.d. § 29 Abs. 2 S. 2 AufenthG.

Nach § 3 f. AsylG liegt eine Flüchtlingseigenschaft vor, wenn die betroffene Person aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Schutz sucht. Es kann sich auch um eine Verfolgung aller Mitglieder einer bestimmten Gruppe handeln, denen ein gemeinsames Merkmal zugeschrieben wird.

Subsidiärer Schutz gem. § 4 AsylG wird dagegen schon gewährt, wenn dem Betroffenen „ein ernsthafter Schaden“ droht, dieser aber eben nicht aus einem der im Zusammenhang mit der Flüchtlingseigenschaft benannten Kriterien resultiert.

Der Unterschied zwischen „Flüchtlingen“ i.S.d. § 3 AsylG und Schutzsuchenden welche nur einen Status i.S.d. § 4 AsylG erhalten besteht also in den Motiven des Verfolgers. Denn in beiden Fällen droht den Betroffenen eine individuelle Gefahr.

2. Bis zu einer Gesetzesänderung im Jahre 2013 erhielten subsidiär Schutzberechtigte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, mit der sie ihre Familie nicht wie Konventionsflüchtlinge innerhalb der ersten drei Monate nach Anerkennung unter privilegierten Voraussetzungen nachholen konnten. Das wiederum bedeutete, dass für einen Nachzug sowohl der Lebensunterhalt gesichert als auch ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen musste.Diesen Anforderungen hinderten die allermeisten Betroffene faktisch an einem Nachzug.

Im Zuge des Richtlinienumsetzungsgesetzes von 2013 erhielten auch subsidiär Schutzberechtigte die Möglichkeit einer privilegierten Familienzusammenführung nach § 29 Abs. 2 S. 2 AufenthG für Mitglieder der „Kernfamilie“. Unter „Kernfamilie versteht man Ehegatten, Eltern und ihre minderjährigen Kinder. Es machte für das Recht auf Familienzusammenführung demnach keinen Unterschied mehr, ob im Verfahren subsidiärer Schutz i.S.d. § 4 AsylG oder Flüchtlingsschutz § 3 AsylG gewährt wurde.

3. Durch die Neuregelungen des sog. Asylpakets II zum Familiennachzug im März 2016 wurde der privilegierte Familiennachzug jedoch für zwei Jahre ausgesetzt (vgl. § 104 Abs. 13 AufenthG).

„Verwunderlicherweise“ ist das BAMF seit dieser Zeit auch wieder davon überzeugt, dass es sich bei Schutzsuchenden aus Syrien grds. um subsidiär Schutzberechtigte handele und nicht um Flüchtlinge, sofern sie keine besonderen individuellen Gründe vortragen. Das ist insofern nicht verwunderlich, als das das BAMF ist eine Bundesbehörde ist, die den Weisungen der politisch zunehmend unter Druck geratenen Bundesregierung Folge leistet.

4. Viel beunruhigender ist dagegen, dass nunmehr auch die Judikative in Gestalt der Oberverwaltungsgerichte die Frage des Schutzstatus syrischer Flüchtlinge ändert.

Im Jahr 2012 argumentierte die obergerichtliche Rechtsprechung noch Syrern würde generell ein Flüchtlingsstatus zuerkannt werden, da der syrische Staat die illegale Ausreise aus Syrien, die Asylantragstellung und den Aufenthalt im westlichen Ausland als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung werte. Ausgereisten Syrern drohe daher eine generelle Verfolgung in Anknüpfung an eine unterstellte politische Überzeugung.

Diese Ansicht der Oberverwaltungsgerichte hat sich in neuster Zeit vermutlich wegen des zugespitzten politischen Klimas geändert. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein entschied am 23. November 2016, dass es nach seiner Ansicht keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass syrischen Rückkehrern allein wegen einer Asylantragstellung und eines Aufenthaltes im Ausland eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung aus politischen Gründen drohe. Woher ausgerechnet Richter aus Schleswig- Holstein diese Erkenntnisse gewinnen bleibt höchst zweifelhaft. Unsere Informationen über die Sicherheitslage in Syrien ist nach wie vor quasi nicht existent. Seit Beginn des Konfliktes in Syrien hat sich im Hinblick auf die Sicherheitslage nichts jedenfalls nichts zum Positiven gewendet. Warum Heimkehrer jetzt also nicht mehr vom Regime verfolgt werden sollen, lässt sich also nur durch politische Wille erklären. Diese Einschätzung wird auch durch die zeitliche Nähe zum Neuregelung des Asylpakets II untermalt.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfahlen hat sich diesem Negativtrend bedauerlicherweise durch sein Urteil vom 21.02.2017 (Az. 14 A 2316/16.A) angeschlossen. Es hat entscheiden, dass einem 48-jährigen syrischen Familienvater aus Aleppo nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Es sei nicht davon auszugehen, dass zurückkehrende Asylbewerber allein wegen ihres Asylantrags, ihres Aufenthalts in Deutschland oder wegen illegalen Verlassens ihres Heimatlands vom syrischen Staat als politische Gegner verfolgt würden.

Dass es im Ergebnis für die Frage des Familiennachzugs auf die Verfolgermotive ankommt, die von Richtern nach politischem Stimmung erahnt werden, ist ein Zustand der sowohl sozial als auch rechtlich unerträglich ist. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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