OLG Düsseldorf: Zulässige Werbung einer Apotheke mit Preisausschreiben - „Versandapotheke macht Gewinner“

  • 6 Minuten Lesezeit

Das OLG Düsseldorf hat vor kurzem entschieden, dass die Werbung einer Versandapotheke mit einem Preisausschreiben weder gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) noch gegen § 7 Abs. 1 HWG verstößt. Voraussetzung für ein heilmittelwerberechtliches Verbot sei vielmehr die Annahme, dass eine überwiegende Anzahl der durch das Preisausschreiben angelockten Besteller die in unmittelbarer Nähe zur Preisauslobung beworbenen Arzneimittel auch dann verwendet, wenn eine Anwendung medizinisch nicht indiziert ist, oder aufgrund der Bestellung in einer Menge verwendet, die sie ansonsten nicht verwandt hätte. Diese Voraussetzung sah das OLG Düsseldorf im vorliegenden Fall als nicht gegeben an (OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.01.2013 – Az.: I-20 U 93/12).

Die Parteien streiten in diesem Fall um die Rechtmäßigkeit einer von der beklagten Versandapotheke ausgeschriebenen Pkw-Verlosung. Der Kläger ist ein Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe darin besteht, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. In einem Flyer vom 21.11.2010 und im Internet warb die beklagte Versandapotheke damit, dass jede Bestellung bei ihr an der Verlosung eines Fiat 500 teilnehme. In der Werbung für dieses Preisausschreiben ist neben verschiedenen Anpreisungen einzelner Arzneimittel sowie dem Bestellprozedere zudem ein Kleinwagen abgebildet, der laut Werbeaussage unter den Bestellern des Medikaments V. ausgelost würde.

Der klagende Verein forderte unter anderem die Unterlassung der Werbung mit dem Preisausschreiben wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz. Das Landgericht hatte der Klage in der ersten Instanz noch stattgegeben. Die Berufung hatte jedoch Erfolg. Das OLG Düsseldorf hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage als unbegründet ab.

Das OLG Düsseldorf begründete seine Entscheidung dabei folgendermaßen:

Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG, der ein Unterlassungsgebot nach den §§ 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG rechtfertigen würde, liege nicht vor. Der letzte Halbsatz des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG sei nur dann erfüllt, wenn unterstellt werden könnte, dass eine überwiegende Anzahl durch das streitgegenständliche Preisausschreiben angelockter Besteller von in unmittelbarer Nähe der Preisauslobung beworbener Arzneimittel diese auch dann verwenden würden, wenn eine Anwendung medizinisch nicht indiziert ist oder aufgrund der Bestellung in einer Menge verwenden, die sie ansonsten nicht verwandt hätten. Eine solche Annahme sei im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.

Eine arzneimittelbezogene Werbung könne zudem nur für die in unmittelbarer Nähe zur Preisauslobung präsentierten Produkte vorliegen. Dies seien beim streitgegenständlichen Flyer im vorliegenden Fall die Mittel Bepanthen, Voltaren, Prospan, Wick Daymed/Medinait/Inhalierstift. Es handele sich dabei sämtlich um Arzneimittel, die der Behandlung alltäglicher Beschwerden wie kleinerer Hautverletzungen (Bepanthen), Verstauchungen/Prellungen/Zerrungen (Voltaren) und Erkältungssymptomen (Prospan, Wick Daymed/Medinait/Inhalierstift) dienen und deshalb von vielen Verbrauchern in ihren Hausapotheken vorrätig gehalten werden würden. Gleiches gelte für die im Internet in unmittelbarer Nähe zur Beschreibung des ausgelobten Gewinns von der beklagten Versandapotheke vorgestellten Produkte CETIRIZIN ratiopharm, ACCU CHEK, SOVENTOL und Wick Medinait. Cetirizin diene der Behandlung von Allergien, Soventol der Behandlung von entzündeten Insektenstichen, Hautallergien und Sonnenbrand, Wick Medinait der Behandlung von Erkältungssymptomen, ACCU CHEK werde von Diabetikern benötigt. Letzterer werde daher nicht von einem nicht an Diabetes leidenden Verbraucher für sich selbst bestellt werden. Seien die übrigen Produkte schon per se als Bestandteile einer Hausapotheke sinnvoll, würde noch hinzukommen, dass der Besteller bei Teilnahme am Preisausschreiben die Wahl habe, welches der genannten Produkte er bestellt, um die begehrte Gewinnchance zu erhalten. Er könne daher ein Mittel auswählen, das gerade in seiner Hausapotheke zur Neige geht oder aufgrund wiederholt auftretender Beschwerden von ihm ohnehin öfter benötigt wird.

Das OLG Düsseldorf zog dann eine klare Trennlinie zur „Gintec“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) (EuGH, Urt. v. 08.11.2007 – Az.: C-374/05). Streitgegenständlich war dort zum einen die Werbung einer Firma Gintec für verschiedene Ginseng-Präparate, der eine „Auswertung Konsumentenbefragung“ beigefügt war. In dieser wurde mitgeteilt, dass ein hoher Prozentsatz der Kunden sich für eine Dauermedikation, d. h. einer solchen über Jahre, entschieden habe. Als von den Befragten genannte Anwendungsbereiche wurden die Unterstützung des allgemeinen Wohlbefindens, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Förderung der Konzentration, Abbau von Stress, Stärkung des Immunsystems sowie Vorbeugung vor Altersbeschwerden (z. B. Arterienverkalkung) genannt. Beanstandet wurde in dem EuGH-Verfahren außerdem, dass Gintec eine monatliche Auslosung angekündigt hatte, an der man durch Ausfüllen eines Formulars teilnehmen konnte und bei der man eine Packung „Roter Imperial Ginseng von Gintec Extraktpulver“ gewinnen konnte. Der EuGH hielt dies für übertriebene und unvernünftige Werbung, die nicht hinnehmbar sei. Zur Begründung hat der EuGH insbesondere angeführt, bei der Werbung für ein Arzneimittel in Form von Verlosungen werde der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung dieses Arzneimittels Vorschub geleistet, indem es als Preis oder Geschenk dargestellt werde und der Verbraucher so von einer sachlichen Prüfung der Frage, ob die Einnahme des Arzneimittels erforderlich sei, abgelenkt werde. Außerdem sahen die europäischen Richter eine rechtswidrige kostenlose Abgabe des Arzneimittels als gegeben.

Im Fall des OLG Düsseldorf sollte hingegen – anders als bei der Gintec-Auslosung im EuGH-Fall – durch den mit dem versprochenen Gewinn verbundenen Reiz nicht der Konsum eines bestimmten Arzneimittels gefördert werden, das dem Großteil der Bevölkerung eher unbekannt ist und das damit beworben wird, in sozusagen allen Lebenslagen gesundheitsfördernd zu sein. Vielmehr entscheidet sich der Verbraucher, den der von der beklagten Versandapotheke ausgelobte Preis reizt und der sich deshalb dazu entschließt, eine Gewinnchance begründende Bestellung vorzunehmen, mit der Bestellung bewusst für eines von mehreren Mitteln, die bekanntermaßen bei unterschiedlichen Beschwerden angewandt werden. Könne damit vorliegend aber nicht festgestellt werden, dass die von der beklagten Versandapotheke mit dem Preisausschreiben bezweckten Bestellungen einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, so ist § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG nicht verletzt. Die Werthaltigkeit des ausgelobten Preises ist für die Beurteilung oder Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG ohne Bedeutung.

Das OLG Düsseldorf entschied ferner, dass die streitgegenständliche Werbung auch nicht gem. § 7 Abs. 1 HWG unzulässig sei. Diese Norm verbiete zwar das Angebot, die Ankündigung und die Gewährung von unverhältnismäßigen Werbegaben, worunter in der Rechtsprechung und Literatur vielfach auch die mit einem Preisausschreiben verbundene Gewinnchance oder zumindest der ausgelobte Preis verstanden werden. Sie sei aber zum einen ohnehin als vom historischen Gesetzgeber gewollter abstrakter Gefährdungstatbestand im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Berufsausübungsfreiheit verfassungskonform auszulegen. Bereits deshalb sei nach der neueren Rechtsprechung nur eine Werbung, die aufgrund ihrer Eignung, die Kunden unsachlich zu beeinflussen und zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken, mit § 7 Abs. 1 HWG unvereinbar. Zum anderen sei seit der Neufassung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG auch nach dem Willen des Gesetzgebers § 7 Abs. 1 HWG auf Preisausschreiben, die nicht einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, nicht (mehr) anwendbar. Ansonsten liefe nämlich der neugefasste § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG ins Leere, da die mit einem Preisausschreiben ausgelobten Preise fast immer erheblich mehr wert seien als die durch den Teilnehmer evtl. zu erbringende Gegenleistung, damit regelmäßig unverhältnismäßige Werbegaben im Sinne von § 7 Abs. 1 HWG darstellen würden und mithin per se verboten wären.

Das OLG Düsseldorf wollte es im vorliegenden Fall im Ergebnis offenlassen, ob überhaupt eine Arzneimittelwerbung und nicht lediglich eine – vom HWG nicht verbotene – bloße Unternehmenswerbung streitgegenständlich ist.

Ich merke ferner kurz an, dass das Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG nicht für Medizinprodukte gilt (siehe § 11 Abs. 1 Satz 2 HWG). Ebenso wenig kann dann § 7 Abs. 1 HWG verletzt sein, wenn Preisausschreiben und Verlosungen in Bezug auf Medizinprodukte veranstaltet werden, da andernfalls § 11 Abs. 1 Satz 2 HWG ausgehebelt werden würde, der Preisausschreiben und Verlosungen in Bezug auf Medizinprodukte gerade nicht verbieten will.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Beiträge zum Thema