OLG Hamm: Wenn es tropft, muss gezahlt werden

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In einem neuen Beschluss hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Beschluss vom 20.07.2015, Az.: I-20 W 19/15, 20 W 19/15) zu dem Zeitpunkt eines Versicherungsfalles bei Nässeschäden geäußert. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie lange ein Versicherungsfall besteht und ob ein Wohngebäudeversicherer den Schaden ausgleichen muss.

Einleitung: OLG Hamm zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles bei Nässeschäden

Probleme mit Wasserschäden sind nicht schön. Meist muss der Betroffene schnell für Abhilfe sorgen, da ihm sonst weitere Schäden an Immobilie, Mobiliar oder auch der Gesundheit drohen. Hier gibt es zwei wesentliche Fragen zu klären:

1) Welche Firma kann mir schnell, kompetent und preisgünstig helfen?
2) Werden die Kosten für die Schadensbeseitigung von meiner Versicherung übernommen?

Bei beiden Fragen lohnt es sich, einen Experten zu Rate zu ziehen. Hilfe bei der Frage nach der Auswahl der geeigneten Fachfirma zur Beseitigung von Wasserschäden meist ein Sachverständiger oder sogar die eigene Versicherung, benötigt man bei der Frage danach, ob oder welche Versicherung überhaupt haftet, meist die Hilfe vom Versicherungsfachmann oder sogar vom Rechtsanwalt.

Was sind Nässeschäden?

Nässeschäden sind jene Schäden, welche durch austretendes Leitungswasser verursacht werden. Dies kommt häufig dann vor, wenn ein Leitungsrohr in Folge von Frost oder einer Materialermüdung Risse zeigt, aus welchen Wasser austreten kann. Dabei kommt es häufig vor, dass das Leitungswasser über einen längeren Zeitraum austritt, ohne dass der Schaden sichtbar wird. So ist denkbar, dass sich das Wasser an der Bausubstanz zu schaffen macht und durch die langwierige Belastung zu erheblichen Problemen und Kosten führen kann. Größere Schäden durch Bautrockung, Bekämpfung von eindringender oder bereits eingedrungener Feuchtigkeit sowie durch die Erneuerung von Estrich, Fußböden oder Möbeln sind keine Seltenheit.

Wieso ist der Beschluss des OLG Hamm wichtig?

Das OLG Hamm äußert sich in einer versicherungsnehmerfreundlichen Art und Weise in dieser stark umstrittenen Frage, welche Versicherungsgesellschaft den Schaden bezahlen muss.

Im Grunde gibt es zwei weit vertretene Theorien, welche man als die Theorie des ersten bzw. des letzten Tropfen bezeichnen kann. Bei der „Theorie des ersten Tropfens“ wird der Zeitpunkt des Versicherungsfalles auf den erstmaligen Austritt des Wassers beschränkt. Danach ist ein späterer Gebäudeversicherer (z.B. neuer Versicherer nach Versicherungswechsel) nicht mehr für den Versicherungsfall eintrittspflichtig. Diese von einigen Gerichten vertretene Ansicht lässt jedoch die Lebenswirklichkeit außen vor und berücksichtigt nicht das Problem, dass der Versicherungskunde, dem sowieso schon das Wasser in der Wohnung steht, schlecht beweisen kann, wann der erste Tropfen denn überhaupt geflossen ist.

Demgegenüber schloss sich das OLG Hamm richtigerweise der „Theorie des letzten Tropfens“ an. Im Beschluss heißt es:

„Anders als ein […] versicherter Rohrbruch stellen sich Nässeschäden […] schließlich nicht als punktuelle Ereignisse dar, sondern beruhen auf einem Geschehen, welches sich regelmäßig über einen oft längeren Zeitraum erstreckt und zu einem infolge nachlaufenden Wassers sich ständig vergrößernden Schaden führt.“

Danach besteht der Versicherungsfall immer dann solange Wasser aus dem beschädigten Rohr austritt.

In der Konsequenz sind Gebäudeversicherer daher voll eintrittspflichtig, wenn zum Zeitpunkt des Entdeckens des Wasserschadens die Versicherung bestand. Ein Verweis auf den Vorversicherer oder darauf, dass der Schaden bereits vor Abschluss der Versicherung vorlag, kommt daher nicht mehr in Frage.

Mit Blick auf den durchgehend gewollten Versicherungsschutz von Gebäudeeigentümern, ist dieses Ergebnis auch nur konsequent und gerecht. Dies gilt auch, wenn zum Zeitpunkt des ersten Wasseraustritts noch kein Versicherungsschutz bestand, sondern der Versicherungsvertrag erst später abgeschlossen wird.

Klar ist, dass man bei Abschluss der Versicherung keine Kenntnis von dem Wasseraustritt haben darf. Dies müsste man bei Vertragsabschluss angeben, da man sonst auf andere Weise den Versicherungsschutz verlieren kann. Es ist aber auch kaum vorstellbar, dass derjenige, der von einem Wassereinbruch in seinem Haus, seiner Garage oder seinem Keller weiß, solange mit einer Reparatur wartet, bis ein Versicherungsvertrag wirksam abgeschlossen ist. Bei Wasserschäden und Feuerschäden handelt der Betroffene meist sofort und zielgerichtet, ohne lange zu zögern.

Rechtsanwalt Dr. Sven Tintemann, selbst schon Betroffener eines Wasserschadens im Keller, erläutert:

„Wenn Sie einen Wasserschaden am Haus oder der Wohnung feststellen, wenden Sie sich zunächst an Ihren Versicherungsfachmann und auch an Ihren Vermieter, sofern Sie nicht selbst Eigentümer der Immobilie sind. Hier erhalten Sie meist fachkompetenten Rat. Vorsicht vor der vorschnellen Beauftragung von Unternehmen, die sich auf die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden spezialisiert haben. Klären Sie erst die Kosten und auch die Frage, ob Ihre Versicherung diese übernimmt und ggf. welche Kosten konkret durch den Versicherer getragen werden. Ähnlich wie beim Schlüsseldienst gibt es mit der Not der Betroffenen bei den Unternehmen, die sich auf die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden spezialisiert haben, eine ganze Menge Geld zu verdienen, mit der Not der Betroffen. Arbeiten Sie daher nur mit Kostenvoranschlägen und holen Sie sicherheitshalber auch ein oder zwei Angebote anderer Sanierungsfirmen ein.“

ViSdP:

Dr. Sven Tintemann
Rechtsanwalt



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