OLG Stuttgart vom 27.01.2016: kein Gefängnis bei Kleinstmenge Amphetamin

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Kann man wegen kleinster Mengen von Betäubungsmitteln zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt werden ?

Grundsätzlich ist dies gesetzlich möglich. Am 19. Mai 2015 verurteilte das Amtsgericht Bad Mergentheim einen Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu der Freiheitsstrafe von zwei Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Der Angeklagte hatte in einer Taschenlampe „Mini-Magiite", die er an seinem Schlüsselbund befestigt hatte, 0,3 Gramm Amphetamingemisch mit einem Wirkstoffgehalt zwischen zehn und zwanzig Prozent wissentlich und willentlich bei sich geführt.

Das Landgericht Ellwangen hat am 22. September 2015 das Urteil ebenfalls bestätigt. Zu seinen Ungunsten hat es berücksichtigt, dass der Angeklagte einschlägig vorbestraft ist und zur Tatzeit unter Bewährung stand. Ferner hat es berücksichtigt, dass der Angeklagte einen Bekannten veranlasst hat, vor Amtsgericht falsch auszusagen, um ihn selbst zu entlasten.

Auf die Revision des Angeklagten hin wurde das Urteil am 27. Januar 2016 (Az: 1 Ss776/15) jedoch vom Oberlandesgericht Stuttgart aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Kann ein Revisionsgericht die Bewertung der Berufungskammer durch seine Auffassung ersetzen ?

Grundsätzlich ist es Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die für die Strafzumessung wesentlichen Umstände zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht hat immer dann einzugreifen, wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein und nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr., z. B. BGHSt 17, 35).

Die Richter des 1. Strafsenats des OLG Stuttgart haben festgestellt, dass die Strafe in diesem Fall den Anforderungen an einen gerechten Schuldausgleich nicht mehr gerecht, weil sie zur Tat außer Verhältnis steht und den Rahmen des Schuldangemessenen überschreitet. Damit sei auch das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot verletzt. Die Tat ist nach Ansicht der Richter der Bagatellkriminalität zuzuordnen und dort im untersten Bereich anzusiedeln. Bei dem beim Angeklagten vorgefundenen Amphetamingemisch handelt es sich um eine äußerst kleine Menge, die unter den Begriff der geringen Menge i. S. d. § 29 Abs. 5 BtMG fällt.

Wann liegt eine geringe Menge Betäubungsmittel vor ?

Eine Menge ist als gering anzusehen, wenn sie zum einmaligen bis höchstens dreimaligen Gebrauch geeignet ist (Weber, BtMG, 4. Auflage, § 29 Rdnr. 2068 m.w.N.).

Bei Amphetamin liegt die Obergrenze einer geringen Menge bei 150 mg (0,15 g) Amphetamin-Base (Weber a.a.O. Rdnr. 2077). Eine Konsumeinheit entspricht daher 50 mg (0,05 g) Base.

Der Autor des Rechtstipps, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Steffgen, ist seit 2001 im Betäubungsmittelstrafrecht spezialisiert. Er bietet eine kostenlose Erstberatung per Telefon oder online an.

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