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„Paritätisches Wechselmodell“ – BGH hält dies für möglich!

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Nach einem erst am 27.02.2017 veröffentlichten Beschluss des BGH bereits vom 01.02.2017 (XII ZB 601/15) hatte das höchste deutsche Zivilgericht die Frage zu entscheiden, ob die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells (Kind lebt zu gleichen Teilen bei beiden getrennt lebenden Eltern) auch gegen den Willen des anderen Elternteils möglich ist.

Bisher war es in der juristischen Fachwelt heftig umstritten, ob und in welchem Umfang und mit welchen Folgen (z.B. Höhe des Kindesunterhalts, wer bekommt das Kindergeld) ein Kind ungefähr in zeitlich gleich großem Umfang bei beiden Eltern leben darf. Der rechtliche Hintergrund dieser Frage wurde bislang im Wesentlichen in Bezug auf die elterliche Sorge beantwortet. Der Verfasser hat dabei bisher die Auffassung vertreten, dass die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells in einem Sorgerechtsverfahren nicht in Betracht kommt und allenfalls auf einvernehmlicher Vereinbarung der Eltern beruhen kann, da das Gesetz (bislang) das sog. Residenzmodell (Kind lebt immer bei einem Elternteil, anderer Elternteil erhält Umgangsrecht) vorsieht.

Der BGH hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, der eine bislang eher als Nebenfrage zu beurteilende Frage behandelt. Die geschiedenen Eltern ihres im April 2003 geborenen Sohnes sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Sohn wohnte bei der Mutter auf, im Mai 2012 trafen die Eltern eine Umgangsregelung, dass Vater und Sohn alle 14 Tage am Wochenende Umgang pflegen. Im Ausgangsverfahren wollte der Vater erreichen, dass das Gericht eine Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells entscheidet, da er den Sohn im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn zu sich nehmen wollte. Das Amtsgericht hatte den Antrag des Vaters zurückgewiesen, auch die Beschwerde vor dem zuständigen Oberlandesgericht Nürnberg blieb ohne Erfolg.

Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Vaters hat der BGH entschieden, dass nach § 1684 Abs. 1 BGB das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil habe und jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt ist, wobei das Gesetz keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend enthalte, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Entscheidender Maßstab der Anordnung eines solchen Umgangsrechts sei jedoch das Kindeswohl, das vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist. Das Wechselmodell Sei nur dann anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Wechselmodell gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stelle, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat.

Das paritätische Wechselmodell kommt nach Ansicht des BGH auch nur dann in Betracht, wenn eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern bereits vorliegt. Wesentlicher Aspekt sei zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist.

Da im vorgenannten Fall das OLG Nürnberg eine persönliche Anhörung des Kindes nicht durchgeführt hatte, wurde das Verfahren zur erneuten Entscheidung dorthin zurückverwiesen.

Sehr überraschend für den Verfasser war hier, dass der BGH hier nicht die Frage der elterlichen Sorge und Wechselmodell, sondern den Umfang eines Umgangsrechts zu entscheiden hatte. Letztendlich ist es für den betroffenen Elternteil, der sein Kind mehr bei sich haben möchte als bisher, völlig egal, ob sich ein Wechselmodell rechtlich aus der elterlichen Sorge oder aus dem Umgangsrecht ableitet.

Betroffenen Eltern ist daher anzuraten, jetzt ggf. anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen!


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