Pferdekauf – Verbrauchsgüterkauf nach § 477 BGB (§ 476 BGB a. F.) – Beweislastumkehr

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Aufgrund von EU-Richtlinien wurde der Verbraucherschutz erheblich gestärkt und Vorgaben des Europarechts nach und nach umgesetzt. Das bis 31.12.2001 geltende Viehmängelrecht war hingegen wesentlich verkäuferfreundlicher. Aufgrund von EU-Richtlinien war der deutsche Gesetzgeber jedoch verpflichtet das alte Schuldrecht zu reformieren.

Obwohl Pferde (wie auch andere Tiere) Lebewesen sind, wurden diese „nicht lebenden“ Gegenständen (Sachen) gleichgestellt (vgl. § 90a BGB). Die Vorschriften für Sachen sind seit dem 01.01.2002 mithin auf Pferde anwendbar.

Der Gesetzgeber hat die Verbraucherrechte unter anderem gestärt, indem er die Beweislastumkehr zu Gunsten des Käufers (Verbraucher) einführte, § 477 BGB (vgl. § 467 BGB a. F.). Zum anderen wurden die Rechte dadurch gestärkt, dass er im neuen § 476 BGB bis auf zwei geringe Ausnahmen abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Verbrauchers für ungültig erklärte.

Voraussetzungen des Verbrauchsgüterkaufrechtes:

Käufer als Verbraucher

Jede natürliche Person ist ein Verbraucher, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Auch eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) kann in diesem Sinne als Verbraucher angesehen werden.

Gemäß § 14 BGB ist Unternehmer eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäftes in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Konkret ist demnach Unternehmer im Sinne des § 14 BGB eine natürliche oder juristische Person, die am Markt

  • planmäßig und
  • dauerhaft Leistungen
  • gegen ein Entgelt anbietet.

Mithin ist eine Gewinnerzielungsabsicht und insbesondere auch eine konkrete Gewinnerzielung nicht zwingend erforderlich. Für den Unternehmerbegriff ist es ebenfalls nicht zwingend erforderlich, dass Merkmale einer gewerblichen Tätigkeit nach außen erkennbar sind.

Derjenige der sich im Zivilprozess auf eine Norm bzw. Eigenschaft beruft, muss das Vorliegen der Voraussetzungen darlegen und beweisen. Der Käufer muss daher grundsätzlich die Unternehmereigenschaft des Verkäufers nachweisen.

Wichtig ist auch immer, dass Einzelfallentscheidungen erfolgen und daher pauschale Fallgruppen nicht immer zu sicheren Ergebnissen führen. Der praktischste und zugleich umstrittenste Fall dürfte der „Hobbyzüchter“ sein. Entscheidungsrelevant ist unter anderem die Anzahl der verkauften Pferde/Fohlen pro Jahr. 

Hierbei können Rückschlüsse auf die Unternehmereigenschaft geschlossen werden, bei steigender Verkaufszahl kann die Grenze von der reinen Liebhaberei (hobbymäßig) zum wirtschaftlichen Zuchtbetrieb, welcher eine Planung und entsprechendes Engagement erfordert, überschritten werden. 

Wurden bspw. mindestens 3 Pferde/Fohlen aus seiner Zucht im zurückgerechneten Jahr verkauft, bildet der dafür erforderliche wirtschaftliche Betrieb einen „Anscheinsbeweis“ für die Annahme der Unternehmereigenschaft. Drei Verkaufspferde setzen mindestens drei Zuchtstuten voraus. 

Wird darüber hinaus berücksichtigt, dass die Abfohlquote nicht bei 100 %, sondern lediglich bei 70 %-80 % liegt, stehen hinter einer Verkaufszahl von drei Pferden durchschnittlich vier Zuchtstuten. Auch ist neben der Anzahl der verkauften Pferde der entsprechende Erlös von Bedeutung. Letztendlich ist eine Gesamtschau vorzunehmen.

Folge: Beweislastumkehr (§ 477 BGB)

Die Vermutung ist auf den Pferdekauf (Tierkauf) grds. anwendbar. Die Vermutung kann jedoch wegen der Art des Mangels bei bestimmten Krankheiten ausgeschlossen werden. Aufgrund der Art des konkreten Mangels besteht häufig Ungewissheit über den Entstehungszeitpunkt. 

Dies resultiert aus der Natur des Tieres als Lebewesen. Der Körper ist einer ständigen Entwicklung und Veränderung der körperlichen und gesundheitlichen Verfassung ausgesetzt. Es ist im Ergebnis eine differenzierende Beurteilung im Einzelfall vorzunehmen.

Die Vermutung des § 477 BGB ist widerleglich. Greift die Vermutungsregel ein, so obliegt es dem Verkäufer den Beweis des Gegenteils zu erbringen (§ 292 BGB). Eine bloße Erschütterung der Vermutung ist nicht ausreichend, es ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen zu führen.

Zeigen eines Mangels innerhalb der Sechsmonatsfrist

Der Mangel zeigt sich in dieser Frist, wenn er dem Käufer grds. auffällt. Unerheblich ist dabei die bereits vorgegebene objektive Erkennbarkeit. Für die Geltendmachung des Mangels gilt hingegen die Sechsmonatsfrist nicht. 

Das „Zeigen“ des Mangels innerhalb der Frist ist vom Käufer darzulegen und zu beweisen. Die Frist beginnt mit Gefahrübergang. Grundsätzlich mit der Übergabe des Pferdes. Im Einzelfall kann die Frist sich verlängern, wenn ein Sachverständiger feststellt, dass die erst nach Ablauf der Frist aufgetretene Erkrankung bereits innerhalb der Sechsmonatsfrist nach Übergabe vorgelegen hat.

Weitergehende Informationen:

Bis 31.12.2017 galt für die Beweislastregelung der § 476 BGB a. F. (alter Fassung). Die Umsetzung bedurfte jedoch einer weiteren Überarbeitung, da die europarechtlichen Vorgaben vom deutschen Gesetzgeber nur teilweise umgesetzt wurden.

§ 476 BGB a. F. ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Beweislastumkehr zugunsten des Käufers schon dann greift, wenn diesem Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem vom Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde.

Dagegen muss der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt (vgl. EuGH-Urteil v. 04.06.2015, C-497/13; BGH-Urteil v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15). 

Weiter sei § 476 BGB dahingehend EU-richtlinienkonform auszulegen, dass dem Käufer die dort geregelte Vermutungswirkung auch dahingehend zugute kommt, dass er binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. 

Die Vermutung des § 476 BGB (a. F.) ist dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um „äußerliche Beschädigungen“ der Kaufsache handelt, die auch einer/einem fachlich nicht versierten Käufer hätten auffallen müssen. Denn in einem solchen Fall ist zu erwarten, dass der Mangel bei Übergabe beanstandet wird. Wurde dies unterlassen, so spricht dies folglich gegen die Vermutung, der Mangel sei schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen.

Der Käufer kann auch im Einzelfall nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast gehalten sein, vorzutragen, wie er mit der Sache nach Gefahrübergang umgegangen ist.

Mit der Mangelvermutung nach § 476 BGB (a. F.), jetzt 477 BGB (Fassung aufgrund des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren vom 28.04.2017 (BGBl. I S. 969), in Kraft getreten am 01.01.2018), kann beim Pferdekauf eine Verhaltensweise des Tieres nach der Art der Sache unvereinbar sein, für die primär exogene Ursachen, wie z. B. Umgang und Situation Bedeutung haben.

Weiter wurde der § 475 BGB seit 01.01.2018 neu umgesetzt.

Jasmin Lisa Himmelsbach, Rechtsanwältin für Pferderecht


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