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Pflegegrade: Antrag, Voraussetzungen und Widerspruch

  • 7 Minuten Lesezeit

Mithilfe der fünf Pflegegrade wird ausgedrückt, wie viel Hilfe ein pflegedürftiger Mensch im Alltag benötigt. Der Pflegegrad ist daher ein juristisches Mittel, mit dem die Pflegebedürftigkeit von Betroffenen eingestuft wird. An diese Einstufung wiederum sind die Leistungen der Pflegeversicherung gekoppelt. Ohne Pflegegrad erhält man keine Leistungen von der Pflegekasse. Je höher der Pflegegrad ist, desto mehr Leistungen erhält man von der Pflegekasse. 

Was ist ein Pflegegrad?

Je nach vorhandener Selbstständigkeit werden Pflegebedürftige und Menschen mit geistiger Behinderung, längerfristigen psychischen Erkrankungen oder Demenz in die fünf Pflegegrade eingestuft und erhalten abhängig von der entsprechenden Stufe bestimmte Leistungen aus der Pflegeversicherung.

Betroffene mit anerkanntem Pflegegrad erhalten von der Pflegekasse sowohl umfangreiche Leistungen für die ambulante, teilstationäre und stationäre Pflege als auch Zuschüsse für Pflegehilfsmittel oder für einen Hausnotruf.

Die Leistungen steigen zwar mit der Höhe des Pflegegrades entsprechend an, jedoch werden diese grundsätzlich nur Pflegebedürftigen in den Pflegegraden 2 bis 5 gewährt. Menschen mit dem Pflegegrad 1 erhalten hauptsächlich Leistungen, die das eigenständige Wohnen in den eigenen vier Wänden ermöglichen sollen. Hierzu zählen unter anderem die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, eine Pflegeberatung und Zuschüsse zur Verbesserung des Wohnumfeldes.

Außerdem erhalten Betroffene aller Pflegegrade (auch Pflegegrad 1), die ambulant gepflegt werden, einen Entlastungsbeitrag von bis zu 125 € monatlich.

Pflegegrade

  • Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, 12,5 bis unter 27 Punkte.
  • Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, 27 bis unter 47,5 Punkte.
  • Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, 47,5 bis unter 70 Punkte.
  • Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, 70 bis unter 90 Punkte.
  • Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung, ab 90 Punkten.

Der Gutachter prüft, wie selbstständig der Patient noch ist. Je größer die Einschränkungen sind, desto mehr Punkte bekommt er auf der Skala. Diese geht von null bis hundert.

Wie beantragt man einen Pflegegrad?

Um überhaupt in einen Pflegegrad eingestuft werden zu können, muss man die Feststellung zuerst bei der Pflegeversicherung beantragen.

Prinzipiell würde ein einfacher Anruf bei der Pflegekasse (meist bei der Krankenkasse eingerichtet) genügen. Da jedoch bereits ein Anspruch auf Pflegeleistungen ab dem Tag der Antragsstellung besteht, sollte der Antrag schriftlich gestellt oder persönlich bei einem Pflegestützpunkt eingereicht werden. So ist bei Bedarf nachweisbar, ab wann man genau ein Recht auf Pflegeleistungen hat.

Die Pflegebedürftigkeit von Personen wird im Rahmen des „Neuen Begutachtungsassessments“ (NBA) für gesetzlich Versicherte von einem Gutachter des Medizinischen Dienstes (MDK) oder einer anderen Prüforganisation, für knappschaftlich Versicherte vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) und für privat Versicherte von einem Gutachter der MEDICPROOF GmbH anhand der noch vorhandenen Selbstständigkeit ermittelt.

Die Gutachter schauen, wie ein Mensch mit ganz alltäglichen Dingen zurechtkommt, und beurteilen die Selbstständigkeit anhand von sechs Kriterien. Diese Kriterien werden mit Punkten bewertet, anschließend kann der jeweilige Pflegegrad festgestellt werden.

So gehen Sie vor:

  • Notieren Sie Dinge, die Sie allein schaffen bzw. Ihr Angehöriger allein schafft und wo Hilfe benötigt wird.
  • Sammeln Sie Berichte von Hausärzten, Fachärzten oder Krankenhausaufenthalten, die Ihre Erkrankungen/Vorerkrankungen dokumentieren.
  • Halten Sie Unterlagen vom Pflegedienst bereit.
  • Bestimmen Sie die pflegenden Personen.
  • Bereiten Sie sich oder den Betroffenen auf den MDK-Besuch vor.
  • Lassen Sie Ihr Wohnumfeld für den Besuch des Gutachters unverändert!•    Zeigen Sie dem Gutachter Ihren Medikamentenplan.
  • Weisen Sie den Gutachter auf Ihre Hilfsmittel (Rollstuhl, Rollator etc.) hin. 

Quelle: Bundesgesundheitsministerium (Geschäftsstatistik der Pflegekassen)

Nach welchen Kriterien wird der Grad der Pflegebedürftigkeit festgestellt?

Um richtig eingestuft werden zu können, sollte man den Gutachtern genau über Schwierigkeiten im alltäglichen Leben berichten. Die MDK-Fachleute stellen explizit Fragen zu den folgenden Punkten und erstellen anhand der Antworten ein Gutachten, in dem der Pflegegrad festgehalten wird. Die endgültige Entscheidung über die Einstufung trifft aber die Pflegekasse selbst.

  • Bewegung (10 %): Wie gut kann der Mensch sich selbstständig bewegen? Kann der Betroffene aufstehen und sich umsetzen? Ist eine stabile Sitzposition möglich? Kann die Person Treppen steigen und sich im Wohnbereich fortbewegen?
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (7,5 %): Kann der Mensch sich mit anderen unterhalten und Gesprächen folgen? Hat er Orientierungsprobleme?
  • Verhaltensweise (7,5 %): Hat die Person starke Stimmungsschwankungen? Hat der Betroffene psychische Probleme?
  • Selbstversorgung (40 %): Das Hauptaugenmerk wird auf die Selbstversorgung gelegt. Ist die Person imstande, sich selbst zu versorgen (zu essen, zu trinken, sich an- und auszuziehen, sich zu waschen)?
  • Umgang mit Medikamenten und Krankheit (20 %): Kann der Betroffene allein Medikamente nehmen und zum Arzt gehen?
  • Alltagsleben (15 %): Kann die Person den Tagesablauf planen und mit anderen Menschen Kontakt halten?

Was kann man bei einer Ablehnung tun?

Anträge werden oft zu Unrecht abgelehnt bzw. ein zu niedriger Pflegegrad anerkannt. Ungefähr die Hälfte aller Bescheide der Pflegeversicherung ist fehlerhaft!

Daher sollte man innerhalb der vierwöchigen Frist Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss vom Versicherten oder von dessen Bevollmächtigtem eingereicht werden. Aus Beweisgründen sollte der Widerspruch per Einschreiben an die Pflegeversicherung geschickt werden oder persönlich gegen Unterschrift des Erhalts in einer Geschäftsstelle der Versicherung abgegeben werden.

Der Widerspruch muss zunächst keine Begründung enthalten und kann einfach mit dem Vermerk, dass eine Begründung nachgereicht wird, an die zuständige Pflegeversicherung gesendet werden. Anschließend kann man entscheiden, ob man den Widerspruch selbst begründen möchte oder ob man nicht doch besser juristischen Rat hinzuzieht.

Nach der Einlegung des Widerspruchs wird erneut ein Gutachter des MDK kommen und Ihre Argumente und das Erstgutachten prüfen. Bereiten Sie sich gut auf diesen Termin vor! Im Anschluss erhalten Sie erneut einen Bescheid von der Pflegeversicherung. Sollte dieser immer noch falsch sein bzw. nicht zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen, gibt es noch den Widerspruchsauschuss der Pflegeversicherung, dem man den Fall vortragen kann. Bringt dies auch nichts, bleibt nur noch die Klage vor dem Sozialgericht.

Pflegegrad oder Pflegestufe?

Diese beiden Begriffe werden häufig verwendet und dementsprechend oft verwechselt. Allseits bekannt ist der Begriff Pflegestufe, der jedoch im Rahmen der Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs am 01.01.2017 durch den Pflegegrad ersetzt wurde.

Zudem wurden die bestehenden Pflegestufen 0, 1, 2 und 3 von den neuen Pflegegraden 1, 2, 3, 4 und 5 abgelöst. Durch das zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) änderte sich nicht nur der Begriff der Pflegestufe, sondern es wurde mit der Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs auch ein neues Begutachtungsverfahren, das Begutachtungsassessment (NBA), eingeführt. So geht es nun nicht mehr um die Zeit, die aufgewendet werden muss, einen Menschen zu pflegen, sondern um den Grad der Selbstständigkeit des Betroffenen. Vor allem sollten aber die Leistungen für Demenzkranke gestärkt werden, da sie nach altem Maßstab durch ihren meist guten körperlichen Zustand oftmals leer ausgegangen sind.

Alle Personen, die zum 31.12.2016 Leistungen aus der Pflegeversicherung bezogen, wurden zum 01.01.2017 einfach automatisch von der bisherigen Pflegestufe in den entsprechenden Pflegegrad eingestuft.

Welche Leistungen erhält man mit dem Pflegegrad?

Die Pflegeversicherung unterstützt sowohl Pflegebedürftige als auch deren Angehörigen mit vielfältigen Geld-, Sach- und Dienstleistungen. Sie alle haben gemein, dass Sie an einen bestimmten Pflegegrad gebunden sind. Der Pflegegrad ist damit der Schlüssel zu den Leistungen der Pflegeversicherung.

Pflegegeld

Pflegegeld ist eine Geldleistung, die pflegebedürfte Personen zur freien Verfügung erhalten. Es wird gezahlt, wenn der pflegebedürftige Mensch zu Hause gepflegt wird und mindestens den Pflegegrad 2 hat. Abhängig vom Pflegegrad erhalten Pflegebedürftige zwischen 316 Euro und 901 Euro pro Monat. Mit dem Pflegegeld soll die häusliche Pflege sichergestellt werden. In der Regel honorieren Pflegebedürftige damit den Aufwand und den Einsatz von pflegenden Angehörigen, Bekannten oder Freunden für ihre tägliche häusliche Pflege und Betreuung. 

Pflegesachleistungen

Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich bei Pflegesachleistungen nicht um Gegenstände, die der Pflegebedürftige erhält, sondern um Dienstleistungen mobiler Pflegedienste. Da pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich zu Hause gepflegt werden soll, übernimmt die Pflegekasse bei den Pflegesachleistungen die Kosten für körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen oder Hilfen bei der Haushaltsführung. Der Name Sachleistung kommt daher, dass diese Leistungen direkt erbracht und über die Pflegekasse abgerechnet werden. Der Pflegebedürftige erhält deshalb weder den Geldbetrag noch leitet er etwaige Rechnungen an die Pflegekasse weiter. Abhängig vom Pflegegrad erhält man häusliche Pflegehilfe.

Entlastungsbeitrag

Zusätzlich können Pflegebedürftige mit anerkanntem Pflegegrad den sog. Entlastungsbeitrag beantragen, mit dem zum Zweck der Entlastung der Angehörigen z. B. Kurzzeitpflege, die Unterstützung eines Pflegedienstes oder Angebote zur Unterstützung im Alltag finanziert werden kann. Gegen Vorlage eines geeigneten Nachweises erhalten Sie unabhängig von der Höhe des Pflegegrads max. 125 Euro pro Monat.

Pflegehilfsmittel zum Verbrauch

Außerdem bekommen Pflegebedürftige pro Monat 40 Euro für Pflegemittel, die im Alltag verbraucht werden, wie z. B. Windeln, Desinfektionsmittel oder Einweghandschuhe.Wohnumfeldverbessernde MaßnahmenNicht immer ist die eigene Wohnung auf den Pflegefall ausgerichtet. Damit pflegebedürftige Menschen zu Hause soweit wie möglich selbstständig leben bzw. gepflegt werden können, besteht die Möglichkeit bis zu 4000 Euro pro Jahr für Maßnahmen zu erhalten, die das Wohnumfeld verbessern, wie etwa ein nötiger barrierefreier Umbau.

Wohngruppenpauschale

Pflegebedürftige in betreuten Wohngruppen erhalten pauschal 214 Euro pro Monat.

Sozialversicherungsbeiträge

Sind pflegende Angehörige nicht mehr bzw. nur noch teilweise berufstätig, zahlt die Pflegeversicherung Beiträge zur Sozialversicherung. Daneben sind pflegende Angehörige bei der Pflege gesetzlich unfallversichert.

Wofür spielt der Pflegegrad noch eine Rolle?

Der Pflegegrad ist wichtig für die Pflegeheimaufnahme. Der Pflegegrad spielt nämlich nicht nur bei den Kosten des Pflegeheims eine große Rolle, sondern ist in vielen Einrichtungen Voraussetzung, um überhaupt einen Platz im Pflegeheim zu bekommen. Selbst wenn man die finanziellen Möglichkeiten hätte, lehnen viele Pflegeheime die Aufnahme ohne Pflegegrad ab.

Häufige Fragen und Antworten zu Pflegegraden

Was sind Pflegegrade?

Die Pflegegrade wurden zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit von Personen eingeführt. Sie gehen von 1 bis 5, wobei 5 der höchste Pflegegrad ist. Betroffene mit anerkanntem Pflegegrad erhalten von der Pflegekasse umfangreiche Leistungen für die ambulante oder stationäre Pflege. Die Einstufung in einen Pflegegrad muss bei der Pflegeversicherung (Krankenkasse) beantragt werden.

Wie kann man einen Pflegegrad beantragen?

Den Pflegegrad muss man bei der Pflegekasse beantragen. Wichtig ist, diesen Antrag so früh wie möglich zu stellen, denn das Antragsdatum ist entscheidend für den Bezug der Pflegeleistungen. Erhält man einen Pflegegrad, werden die Leistungen der Pflegekasse rückwirkend nur bis zum Antragsdatum bewilligt.Einen vorgeschriebenen Weg für die Stellung des Antrags gibt es nicht. Man kann sich hierzu sowohl telefonisch als auch schriftlich bei der Pflegekasse melden. Beim Anruf erhält man in der Regel ein Formular zugeschickt, dass man dann ausgefüllt zurücksenden muss. Geht man direkt den schriftlichen Weg, können die Anforderungen geringer sein. Wichtig ist, dass der Antrag entweder vom Pflegebedürftigem selbst oder einer Person mit entsprechender Vollmacht (z. B. Vorsorgevollmacht, gesetzlicher Betreuer) gestellt wird.

Wie hängen die Pflegegrade mit den Pflegestufen zusammen?

Bis zum 31.12.2016 erfolgte die Einordnung der Pflegebedürftigkeit stufenweise in den drei Pflegestufen 1, 2 und 3. Im Zuge der großen Pflegereform 2017 wurden diese drei Pflegestufen und die umgangssprachliche Pflegestufe 0 abgelöst. Berücksichtigt werden nun nicht mehr nur körperliche Beeinträchtigungen, sondern auch kognitive und psychische Einschränkungen.Wer vor dem 01.01.2017 bereits eine anerkannte Pflegestufe hatte, wurde nicht neu begutachtet. Stattdessen wurde aus der entsprechenden Pflegestufe automatisch ein entsprechender Pflegegrad, wobei nicht nur das Wort ersetzt wurde. Hat man z. B. die umgangssprachliche Pflegestufe 0 erhalten, bekam man nach dem Inkrafttreten der Pflegerefom den Pflegegrad 2.Bei der Überleitung der Pflegestufen 1, 2 und 3 kam es darauf an, ob der bzw. die Pflegebedürftige auch in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt war. Mit einer entsprechenden Einschränkung wurde er oder sie in den übernächsten Pflegegrad eingestuft, ohne Einschränkung der Alltagskompetenz in den nächsthöheren Pflegegrad. Die Pflegestufen können daher nicht eins zu eins in Pflegegrade übersetzt werden.

Foto(s): ©Pexels/Matthias Zomer

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