Pflichtteil: LG Duisburg stärkt Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB

  • 7 Minuten Lesezeit

Was Erben und Pflichtteilsberechtigte jetzt wissen müssen (LG Duisburg, Urt. v. 07.05.2024 - 11 O 196/23)

Neues Urteil des LG Duisburg (Urteil vom 07.05.2024 – 11 O 196/23) zur Auskunftspflicht des Erben beim Pflichtteil (§ 2314 BGB). Erfahren Sie, welche Informationen Erben offenlegen müssen und wie Pflichtteilsberechtigte ihren Anspruch effektiv durchsetzen können. Wichtige Implikationen für Erben und Enterbte.


Der Pflichtteil und das ewige Streitthema Auskunft

Das Erbrecht ist komplex und birgt oft erhebliches Konfliktpotenzial, insbesondere wenn es um den Pflichtteil geht. Nahe Angehörige, die durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurden (Enterbte), haben dennoch einen gesetzlichen Mindestanspruch am Nachlass: den Pflichtteil. Dieser entspricht der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. 

Doch wie kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch beziffern, wenn er oft keinerlei Einblick in den Umfang und Wert des Nachlasses hat? Genau hier setzt die gesetzliche Auskunftspflicht des Erben nach § 2314 Abs. 1 BGB an. 

Ein aktuelles Urteil des Landgerichts (LG) Duisburg vom 7. Mai 2024 (Urteil vom 07.05.2024 – 11 O 196/23) beleuchtet erneut die Bedeutung und den Umfang dieser Pflicht und stärkt die Position der Pflichtteilsberechtigten.

Die Gesetzliche Grundlage: § 2314 Abs. 1 BGB – Das Recht auf InformationBevor wir uns dem Urteil widmen, ein kurzer Blick auf die Rechtslage: § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen hat. 

Das bedeutet konkret: 

Wer muss Auskunft erteilen? 

Der Erbe (oder die Erbengemeinschaft).  Wer kann Auskunft verlangen? 

Der Pflichtteilsberechtigte (z.B. enterbte Kinder, Ehegatten, unter Umständen auch Eltern des Erblassers). 

Worüber muss Auskunft erteilt werden? 

Über den gesamten Nachlassbestand zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dazu gehören:   

Aktiva: Sämtliche Vermögenswerte (Kontoguthaben, Depots, Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, wertvolle Gegenstände, Forderungen etc.).   

Passiva: Sämtliche Nachlassverbindlichkeiten (Schulden des Erblassers, Erbfallkosten etc.). 

Fiktiver Nachlass: Schenkungen und Zuwendungen des Erblassers zu Lebzeiten, die für den Pflichtteil relevant sein können (insbesondere innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall bei Schenkungen an Dritte, bei Schenkungen an den Ehegatten gelten teils andere Fristen). 


Wie muss die Auskunft erteilt werden? 

Die Auskunft muss durch Vorlage eines systematischen und geordneten Verzeichnisses erfolgen (§ 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB). Eine bloße Auflistung von Gegenständen oder pauschale Angaben genügen nicht. 

Das Verzeichnis muss so beschaffen sein, dass der Pflichtteilsberechtigte die Höhe seines Anspruchs zumindest grob berechnen kann. 

Wertermittlung: Auf Verlangen muss der Erbe auch den Wert der Nachlassgegenstände ermitteln lassen (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei Immobilien oder Unternehmen bedeutet dies oft die Beauftragung eines Sachverständigen.

Das Urteil des LG Duisburg (Az. 11 O 196/23) – Klarheit zur Auskunftspflicht


Im vom LG Duisburg entschiedenen Fall (Urteil vom 07.05.2024 – 11 O 196/23) ging es – wie so oft in der Praxis – um die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB. 

Auch wenn die detaillierten Urteilsgründe hier nicht vollständig wiedergegeben werden können, lässt sich aus der Einordnung des Falls unter § 2314 BGB und der typischen Streitkonstellation ableiten, worum es im Kern ging: Ein Pflichtteilsberechtigter verlangte vom Erben Auskunft über den Nachlass, um seinen Pflichtteil berechnen zu können. Der Erbe kam dieser Pflicht vermutlich nur unzureichend oder gar nicht nach.

Das LG Duisburg hat mit seinem Urteil vom 07.05.2024 die bestehende Rechtslage bekräftigt und spezifische Aspekte der Auskunftspflicht präzisiert.


Kernaussagen des Urteils

Das Landgericht Duisburg hat in seinem Urteil vom 07.05.2024 – 11 O 196/23 die Rechte von Pflichtteilsberechtigten deutlich gestärkt. Die Entscheidung bezieht sich auf die Auskunftspflicht gemäß § 2314 Abs. 1 BGB und enthält folgende zentrale Aussagen:


  1. Anwesenheitsrecht beim Nachlassverzeichnis:
    Pflichtteilsberechtigte haben ein ausdrückliches Recht, bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein – persönlich oder durch einen Bevollmächtigten.
  2. Keine konkludente Zustimmung zur Abwesenheit:
    Das Schweigen eines Pflichtteilsberechtigten wird nicht als Verzicht auf das Anwesenheitsrecht gewertet. Ein solcher Verzicht bedarf der ausdrücklichen Erklärung.
  3. Verstärkte Anforderungen an die Nachlassaufstellung:
    Das Nachlassverzeichnis muss vollständig und korrekt sein. Wichtige Vermögenspositionen wie Fahrzeuge, die innerhalb der Familie veräußert wurden, sind sachverständig zu bewerten.


Das Urteil des LG Duisburg reiht sich somit in die Rechtsprechung ein, die den Auskunftsanspruch als essenzielles Instrument zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten ansieht und dessen effektive Durchsetzung sicherstellen will. Es unterstreicht, dass Erben ihrer Informationspflicht ernsthaft und umfassend nachkommen müssen.


Praktische Bedeutung für Erben

Wenn Sie Erbe geworden sind und mit einem Auskunftsverlangen eines Pflichtteilsberechtigten konfrontiert werden: 

Nehmen Sie das Verlangen ernst: Ignorieren oder verzögern Sie die Auskunft nicht. 

Seien Sie gründlich: Erstellen Sie ein detailliertes, systematisches Nachlassverzeichnis. Listen Sie alle bekannten Aktiva und Passiva auf. Recherchieren Sie aktiv nach Vermögenswerten (Banken anschreiben, Unterlagen sichten). 

Berücksichtigen Sie Schenkungen: Prüfen Sie relevante Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten und nehmen Sie diese ins Verzeichnis auf. 

Seien Sie transparent: Fügen Sie ggf. schon freiwillig wichtige Belege bei, um Rückfragen und Misstrauen vorzubeugen. 

 Holen Sie sich Hilfe: Bei Unsicherheiten, komplexen Vermögenswerten (Immobilien, Unternehmen) oder Streitigkeiten sollten Sie frühzeitig anwaltlichen Rat einholen. Fehler bei der Auskunft können teuer werden und weitere rechtliche Schritte nach sich ziehen. 

Wertermittlung: Seien Sie bereit, auf Verlangen Werte ermitteln zu lassen (ggf. durch Sachverständige).

Praktische Bedeutung für PflichtteilsberechtigteWenn Sie pflichtteilsberechtigt sind und Ihr Recht durchsetzen wollen: 

Fordern Sie Auskunft: Machen Sie Ihren Auskunftsanspruch schriftlich und nachweisbar (z.B. per Einschreiben) gegenüber dem Erben geltend. Setzen Sie eine angemessene Frist (üblich sind ca. 4-6 Wochen). 

Prüfen Sie das Verzeichnis: Kontrollieren Sie das erhaltene Nachlassverzeichnis sorgfältig auf Plausibilität und Vollständigkeit. Fehlen offensichtliche Posten? Sind Angaben vage? 

Fordern Sie Belege/Wertermittlung: Bei begründeten Zweifeln oder fehlenden Werten fordern Sie Belege und/oder die Ermittlung von Werten (ggf. durch Sachverständige). 


Handeln Sie bei Verweigerung: Kommt der Erbe seiner Pflicht nicht, unvollständig oder falsch nach, können Sie die Auskunft und ggf. die Wertermittlung gerichtlich einklagen (Stufenklage: 1. Stufe Auskunft, 2. Stufe ggf. eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit, 3. Stufe Zahlung).


Das Urteil des LG Duisburg kann hier als Argumentationshilfe dienen. 


Suchen Sie anwaltliche Unterstützung: 

Die Durchsetzung des Pflichtteils ist komplex. Ein erfahrener Anwalt im Erbrecht kann Ihre Ansprüche prüfen, Sie bei der Geltendmachung der Auskunft unterstützen und Ihre Rechte notfalls gerichtlich durchsetzen.


Fazit: Transparenz ist Pflicht

Das Urteil des LG Duisburg (Urteil vom 07.05.2024 – 11 O 196/23) unterstreicht einmal mehr die zentrale Bedeutung der Auskunftspflicht im Pflichtteilsrecht. § 2314 BGB ist kein bloßes Nebenrecht, sondern die unerlässliche Grundlage für die Bezifferung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs. 

Erben sind gut beraten, dieser Pflicht umfassend und zeitnah nachzukommen, um kostspielige und langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. 

Pflichtteilsberechtigte wiederum sollten ihren Auskunftsanspruch konsequent verfolgen und bei Schwierigkeiten nicht zögern, rechtliche Schritte einzuleiten. 

Transparenz seitens des Erben ist hier nicht nur eine Frage des Anstands, sondern eine gesetzliche Verpflichtung.


FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Auskunftspflicht (§ 2314 BGB)1

Was genau muss im Nachlassverzeichnis stehen?

Das Verzeichnis muss alle Vermögensgegenstände (Aktiva) und Schulden (Passiva) des Erblassers zum Todestag detailliert auflisten. Bei Konten der Stand am Todestag, bei Immobilien die genaue Bezeichnung (Grundbuchdaten), bei wertvollen Gegenständen eine Beschreibung. Auch Schenkungen der letzten 10 Jahre (oder länger bei Ehegatten) müssen aufgeführt werden.

2. Muss der Erbe auch Kontoauszüge vorlegen?

§ 2314 BGB sieht primär das Verzeichnis vor. Die Rechtsprechung tendiert aber dazu, einen Anspruch auf Belegvorlage (z.B. Kontoauszüge der letzten Jahre vor dem Tod) zu bejahen, wenn konkrete Anhaltspunkte für unvollständige oder unrichtige Angaben im Verzeichnis bestehen oder dies zur Plausibilisierung notwendig ist.

3. Was ist mit Schenkungen, die länger als 10 Jahre zurückliegen?

Schenkungen an Dritte werden nach 10 Jahren in der Regel nicht mehr für den Pflichtteilsergänzungsanspruch berücksichtigt (Abschmelzungsmodell). Bei Schenkungen an den Ehegatten beginnt die Frist oft erst mit Auflösung der Ehe (z.B. durch Tod). Diese müssen also auch länger zurückliegende Schenkungen umfasst sein. Hier ist eine genaue Prüfung erforderlich.

4. Was kann ich tun, wenn der Erbe die Auskunft verweigert oder nur unvollständig erteilt?

Sie können den Erben zunächst schriftlich unter Fristsetzung zur (vollständigen) Auskunft auffordern. Bleibt dies erfolglos, können Sie Klage auf Auskunftserteilung und ggf. Wertermittlung beim zuständigen Gericht einreichen. Bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit können Sie auch verlangen, dass der Erbe die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses an Eides statt versichert.


5. Wie lange hat der Erbe Zeit, das Verzeichnis zu erstellen?

Das Gesetz nennt keine feste Frist. Dem Erben ist eine angemessene Zeit zur Recherche und Zusammenstellung zuzubilligen. Diese hängt vom Umfang und der Komplexität des Nachlasses ab. Üblicherweise werden in der Praxis Fristen von ca. 4 bis 8 Wochen nach Aufforderung als angemessen betrachtet, bei sehr komplexen Nachlässen auch länger.

6. Wer trägt die Kosten für die Wertermittlung (z.B. Sachverständigengutachten)?

Die Kosten der Wertermittlung nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB fallen dem Nachlass zur Last, schmälern also den Wert, aus dem sich später der Pflichtteil berechnet. Der Erbe muss die Kosten zunächst verauslagen.

7. Verjährt der Auskunftsanspruch?

Ja, der Auskunftsanspruch verjährt wie der Pflichtteilsanspruch selbst in der Regel innerhalb von drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall und seiner Enterbung erlangt hat und die Person des Erben bekannt ist.


Jetzt hier Erstberatung anfragen – persönlich, vertraulich, bundesweit.

Mehr Informationen zu Nachlassplanung und Strategien gibt´s hier: 

- Familiengesellschaft gründen

- Nachlassplanung

- Erbschaftssteuer legal umgehen

- Nießbrauch richtig gestalten

- Erbschutz

- Immobilien vererben

- Vermögenssicherung

- Pflichtteil ausschalten

Foto(s): @urheberlos


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Anna O. Orlowa LL.M.

Beiträge zum Thema