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Praktikum und Scheinpraktikum als Arbeitsverhältnis – Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Ausbildungszweck muss im Vordergrund stehen

Eine als „Praktikum“ bezeichnete Tätigkeit ist nur dann kein Arbeitsverhältnis, wenn ein Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Dies hatte bereits das Bundesarbeitsgericht entschieden. Hieran ändert auch der § 22 I 3 MiLoG nichts.

Bei fertigen Absolventen sind Scheinpraktika ein Arbeitsverhältnis

Führt ein bereits fertiger Absolventen eines einschlägigen Studiums ein Praktikum durch, das lediglich dem Einstieg in den Arbeitsmarkt dienen soll, jedoch überwiegend mit üblichen Arbeitsaufgaben von Arbeitnehmern verbunden sind, so handelt es sich um ein Scheinpraktika, welches ein Arbeitsverhältnis darstellt.

Der „Praktikant“ muss aber beim Arbeitsgericht darlegen und beweisen

Der „Praktikant“ ist für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses anstelle eines Praktika darlegungs- und beweispflichtig. Zu seinen Gunsten greifen jedoch in der Regel die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast.

Beweislast kann sich zu Lasten des Arbeitgebers drehen

Enthält der „Praktikanten-Vertrag“ typische Arbeitnehmerpflichten, wozu insbesondere gehören eine tägliche Anwesenheitspflicht von acht Stunden und eine Tätigkeit nach Weisung eines Mitarbeiters des Arbeitgebers und ist die Tätigkeit in einem Großraumbüro, so trifft den Arbeitgeber die sekundäre Darlegungs- und Beweislast, dass „nur“ ein Ausbildungszweck überwiegt und worin sich das vorliegende „Praktikum“ von einem Berufsanfänger-Arbeitsverhältnis unterscheidet.

Einschlägiges abgeschlossenes Studium erhöht Chance auf Arbeitsverhältnis

Ist der Praktikanten-Vertrag für ein Jahr mit einem Absolventen eines einschlägigen Studiums abgeschlossen worden, ohne dass das Praktikum nach der Studienordnung vorgeschrieben wäre, so ist in der Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen.

Wucherähnliches Praktikantenvergütung kann zu Anspruch auf vollständige Arbeitnehmervergütung zur Folge haben

Wenn die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Vergütung zumindest in Form eines wucherähnlichen Geschäfts im Sinne des § 138 Absatz 1 BGB vorliegen, kann der „Praktikant“ die übliche Vergütung für diese Tätigkeit geltend machen. Für die übliche Vergütung ist der „Praktikant“ darlegungs- und beweispflichtig. Für die Üblichkeit eines Tariflohns kommt nur dann eine Schätzung nach § 287 Absatz 2 ZPO in Betracht, wenn der Praktikant ausreichend Anknüpfungstatsachen dem Arbeitsgericht vorträgt.

Urteil Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg vom 20.05.2016 zum Aktenzeichen 6 Sa 1787/15


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