Preisanpassungen für Gas und Strom eröffnet - Update 11

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<Update 11> Für eine unserer Mandanten haben wir ein Urteil gegen Vattenfall erwirkt. Das Gericht stellt sinngemäß fest, dass die Preiserhöhungen (400% !) im Tarif unserer Mandatin unwirksam waren. Zudem muss Vattenfall die überhöhten Vorauszahlungen (Abschläge) erstatten. Schließlich ist der Nachzahlungsbetrag aus der Jahresabrechnung nicht fällig, muss also nicht gezahlt werden. Weitere Konsequenz: Der alte Preis läuft bis Ablauf des Vertrags weiter.

Der Bundestag hat am 23.6.2022 den Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 20/1501) der Koalitionsfraktionen „zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes 1975 (EnSiG) und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ (BGBl. I S. 730) beschlossen. Wie die Bundesregierung ausführt, soll das EnSiG mit Blick auf bestehende Verordnungsermächtigungen "präzisiert" werden. Hintergrund ist die Annahme einer drastischen Verschärfung einer ohnehin angespannten Lage auf den Energiemärkten, aber auch einen Kollaps der Unternehmen in der Energieversorgungskette zu verhindern, wie die Bundesnetzagentur das nennt.

Auffällig ist zunächst, dass das Gesetz deutlich vom Entwurf abweicht. Insgesamt gehört es in die Kategorie "handwerklich schlecht".

Das Gesetz hat Folgen für die Kunden von Energieunternehmen, im EnSiG "Letztverbraucher" genannt. Wesentlich ist hier der neue § 24, der sich in Kapitel 2 des Gesetzes ("Besondere Maßnahmen") findet. Nach § 24 Abs. 1 EnSiG haben alle Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette zukünftig das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen. Voraussetzung ist, dass die Bundsnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland festgestellt hat und die Alarmstufe oder Notfallstufe nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 ausgerufen wird. 

Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (= Ausrufung einer Krise) enthält 3 Krisenstufen: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notallstufe. Nach dem EnSiG genügt die Frühwarnstufe nicht. Es muss also mindestens eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegen, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt; der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen, ohne dass nicht-marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden müssen (= Alarmstufe). 

Trifft also die Bundesnetzagentur diese Feststellung, sind Preisanpassungen, also -erhöhungen seitens der Versorger möglich. Üblicherweise müssen die Versorger nach § 41 Abs. 5 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) "Haushaltskunden" einen Monat zuvor über die Preiserhöhung informieren. Diese Frist ist nun für den "Krisenfall" gegenüber Letztverbrauchern auf eine Woche (!) verkürzt. 

Die große Frage ist nun, was ist ein "angemessenes Niveau"? § 24 Abs. 1 S. 2 sagt dazu: "Eine Preisanpassung ist dabei der Höhe nach jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie die Kosten einer Ersatzbeschaffung überschreitet (, die dem jeweils betroffenen Energieversorgungsunternehmen aufgrund der Reduzierung der Gasimportmengen für das an den Kunden zu liefernde Gas entstehen).

Man kann hier also von einer nach Oben offenen Preissteigerung ausgehen, denn die Kosten für eine Ersatzbeschaffung sind völlig offen. 

Was kann der Kunde tun? Oh ja, außerordentlich kündigen. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Kündigung darf bezweifelt werden. Kontrollrechte ausüben? Auch nicht wirklich effektiv. Die andere Möglichkeit liegt darin abzuwarten, bis die Bundesnetzagentur die Feststellung der Krise aufhebt. In diesem Fall nämlich, wenn die erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland aufgrund der Aufhebung der Feststellung der Krise nicht mehr vorliegt, bzw. weder Alarm-, noch Notfallstufe in Verbindung mit dem Notfallplan fortbestehen, sind die Versorger verpflichtet, binnen vier Wochen die Anpassung des Vertrags auf das o. beschriebene Niveau abzusenken. Dabei kann es passieren, dass "angemessenes Niveau" dann ein höheres, als das vor der Preisanpassung, ist. Auch daran knüpft der Gesetzgeber Kontrollrechte und ein außerordentliches Kündigungsrecht des Letztverbrauchers an.  

Am 23.6.2022 hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gemäß dem Notfallplan "Gas" die Alarmstufe ausgerufen. Der erste Schritt zur Preisanpassung ist also gemacht. Die Feststellung der Bundesnetzagentur einer erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland wird nicht lange auf sich warten lassen. 

<Update 1> Am 12.7.2022 ist ein weiteres Änderungsgesetz (Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Falle einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften, BGBl. I S. 1054) der Koalition in Kraft getreten. Erneut wird in § 24 EnSiG eingegriffen. Und es gibt einen neuen § 26 (saldiertes Preisanpassungsrecht). Die Voraussetzungen für eine Preisanpassung entlang der Lieferkette haben sich danach quasi nicht geändert. Auch die Rechte der Verbraucher bleiben unverändert. § 24 Absatz 5 EnSiG erklärt nun § 315 BGB für direkt anwendbar. Das bedeutet, dass Preisanpassungen nach diesem Gesetz der Billigkeit entsprechen müssen. Es gilt also Angemessenheit und Billigkeit der Preisanpassung! Schließlich regelt der Absatz, dass der neue § 26 einer Preisanpassung vorgeht. § 26 EnSiG ermächtigt die Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung. In diesem Fall findet ein durch eine saldierte Preisanpassung finanzierter finanzieller Ausgleich statt. Anspruchsberechtigte dieses Ausgleichs sind die Gasimporteure. Erwähnt sei schließlich noch § 27, der ein Leistungsverweigerungsrecht der Gasversorger etwa gegenüber dem Verbraucher unter den Vorbehalt der Genehmigung der Bundesnetzagentur stellt.

<Update 2> Von § 26 EnSiG hat der Bund bereits Gebrauch gemacht. Am 9.8.2022 ist die Verordnung
nach § 26 des Energiesicherungsgesetzes über einen finanziellen Ausgleich durch eine saldierte Preisanpassung
(Gaspreisanpassungsverordnung – GasPrAnpV " (was für ein Titel!) in Kraft getreten. Wegen der sogenannten Gas-Umlage wird sich danach der Gaspreis ab dem 1. Oktober um 2,4 Cent pro Kilowattstunde verteuern. Eine Idee des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Bundesnetzagentur geht damit konform. Die Gas-Umlage geht direkt an 12 Energielieferanten. 

<Update 3> Heute (1.9.2022) tritt die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Kurzfristenergieversorgungsmaßnahmenverordnung - EnSikuMaV) in Kraft. Danach gilt für Unternehmen: dauerhaftes Offenhalten von Ladentüren ist untersagt; Beleuchtung von Werbeanlagen ist von 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr (Folgetag) untersagt; für Arbeitsstätten gelten neue Mindesttemperaturen von 12 (!) bis 19° C. Für Verbraucher gilt: Mindesttemperaturen in Mietverträgen sind ausgesetzt; Erhalt spezifischer Informationen zu Energieverbrauch/Energieeffizienz etc. von der Wohnungswirtschaft/Vermieter bis zum 31.10.2022; Beheizen privater Schwimmbecken ist untersagt.

<Update 4> Die Bundesregierung hat die Gasumlage aufgehoben. Am 30.9.2022 wurde die Verordnung zur Aufhebung der Gaspreisanpassungsverordnung beschlossen. Die Verordnung führt dazu, dass <Update 2> ab dem 9.8.2022, also rückwirkend, nicht mehr gilt. Statt der Gasumlage wird es nun einen Abwehrschirm geben. Dieser hat ein Volumen von 200 Mrd. € und dient der Finanzierung der Gaspreisbremse und der Strompreisbremse direkt bei den Unternehmen. Damit entfällt ein Bestandteil der Gaspreiserhöhungen. Die Kalkulationen für Preisanpassungen stimmen daher nicht mehr!

<Update 5> Eine weitere Verordnung der Bundesregierung ist zum 1.10.2022 in Kraft getreten. Die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen  (Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung - EnSimiMaV - regelt verbindliche Energiesparmaßnahmen für Unternehmen und Private. So heißt es etwa: "Der Eigentümer eines Gebäudes, in dem Anlagen zur Wärmeerzeugung durch Erdgas genutzt werden, ist verpflichtet, eine Heizungsprüfung durchzuführen und die Heizungsanlage des Gebäudes optimieren zu lassen". Weiter: "Gaszentralheizungssysteme sind hydraulisch abzugleichen". Das betrifft etwa auch Wohneigentümergemeinschaften. Fristen: spätestens 15.9.2024. Und Unternehmen (außer Kleinstunternehmen und KMU) mit einem Gesamtenergieverbrauch innerhalb der letzten drei Jahre mit im Durchschnitt mindestens 10 Gigawattstunden pro Jahr sind binnen 18 Monaten zu Energieffizienzmaßnahmen verpflichtet.

<Update 6> Durch das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz wird die Umsatzsteuer für Gaslieferungen ab dem 1.10.2022 von 19 auf 7% reduziert. Das Gesetz gilt bis zum 31.3.2024.

<Update 7> Mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2023 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2023) will die Bundesregierung die Verbraucher von Preiserhöhungen entlasten. Artikel 2 des Gesetzes enthält das Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme
(Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG
). Thema ist die Entlastung der Letztverbraucher von Gaskosten im Monat Dezember 2022. Die Lieferanten können danach 1. auf den Abschlag verzichten, 2. eine Zahlung an den Verbraucher vornehmen (Rücküberweisung) oder 3. beides kombinieren. Im Übrigen gibt es Vorschriften für Vermieter und Wohneigentümergemeinschaften (WEG), wie mit der Subvention umzugehen ist.

<Update 8> Die sog. "Gaspreisbremse" ist nun am 24.12.2022 durch das Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme - EWPBG in Kraft getreten. Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen werden nun bereits ab 1.1.2023 für 80% (Entlastungskontingent) ihres bisherigen Verbrauchs einen garantierten Gas-Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs soll der bisherige Vertragspreis gelten. Für Industriekunden gilt für 70% des Vorjahresverbrauchs ein Maximalpreis von 7 Cent pro Kilowattstunde. 

<Update 9> Am 24.12.2022 ist das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen in Kraft getreten.  Art. 1 des Gesetzes ist das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse - StromPBG. Die "Strompreisbremse" ist ähnlich gestaltet, wie die Gaspreisbremse: Hier gilt ein Deckel von 40 Cent pro Kilowattstunde für 80% des voraussichtlichen Verbrauchs; für Industriekunden gelten 13 Cent für 70%. Die Entlastungsbeträge stehen unter dem Vorbehalt der Jahresabrechnung 2023. Boni (etwa von Vergleichsportalen) sind auf 50 bzw. 100 Euro begrenzt. Der Entlastungsbetrag gilt nicht als Preisänderung.

<Update 10> Zum 1.3.2023 ist die Gaspreisbremse in Kraft getreten. Für Verbraucher und privilegierte Einrichtungen (Bildung, Forschung) ist der Gaspreis nunmehr limitiert wie in Update 8 dargestellt. Die Regelung gilt bis zum 30.04.2024. Die Regelung gilt für Verbraucher und KMU auch für die Monate Januar und Februar 2023. Als Gaskunde sollten Sie von Ihrem Lieferanten bis zum 01.03.2023 über die neue Preisgestaltung informiert worden sein. Für die Industrie gelten die in Update 8 dargestellten Rahmenbedingungen ebenfalls ab dem 01.03.2023. Zeitgleich ist die Strompreisbremse wie in Update 9 dargestellt in Kraft getreten. Auch diese Subvention hat eine Laufzeit bis 30.04.2024.

Sämtliche Subventionen haben Einfluss auf Ihren Vertrag, den ab dem 1. März zu zahlenden Abschlag und die Jahresendabrechnung.

Wir beraten Sie gerne dazu.


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