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Räumlich getrennt – trotzdem zusammen veranlagen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

Bei ihrer Steuererklärung können Ehegatten wählen, ob sie getrennt oder zusammen veranlagt werden, wenn sie zusammenwohnen. Hat sich ein Paar aber getrennt, kann im folgenden Veranlagungszeitraum bei der Steuer keine Zusammenveranlagung mehr durchgeführt werden. Allerdings gibt es auch Sonderfälle wie das sog. „Living Apart Together“ (LAT), bei dem die Ehepartner räumlich getrennt voneinander leben. Das Finanzgericht (FG) Münster musste in einem aktuellen Fall entscheiden, ob eine Zusammenveranlagung möglich ist oder nicht.

Auszug der Ehefrau

Die späteren Kläger heirateten im Jahr 1991, auch der gemeinsame Sohn kam in diesem Jahr zur Welt. Der Mann ist mittlerweile in Rente, arbeitete früher als Schlosser, die Frau arbeitet als selbstständige Kinderärztin. Seit 1991 lebte die Familie zusammen in einem Einfamilienhaus, das dem Mann gehörte. Auch die pflegebedürftige Schwiegermutter lebte mit in diesem Haus. Da die Ehefrau in diesem Haus nach der Arbeit nicht zur Ruhe kam, zog sie schließlich 2001 zusammen mit dem Sohn in eine Miet-, später in eine Eigentumswohnung.

Steuererklärung gemeinsam gemacht

Wie jedes Jahr gab das Ehepaar auch für das Jahr 2012 eine gemeinsame Steuererklärung ab – und wie bisher führte das zuständige Finanzamt (FA) eine Zusammenveranlagung durch. Es wurde wie immer ein Einkommensteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) erlassen.
Nachdem im Zuge einer Betriebsprüfung bei der Kinderärztin festgestellt wurde, dass die Eheleute seit 2001 dauerhaft getrennt leben und somit die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht mehr erfüllt waren, erließ das FA schließlich zwei Einkommensteuerbescheide zur Einzelveranlagung.

Erfolgreiche Klage

Das FA lehnte die Einsprüche der beiden Eheleute als unbegründet ab. Also erhob das Paar erfolgreich Klage beim FG Münster. Die Richter urteilten, dass das Finanzamt verpflichtet ist, für das Ehepaar im Jahr 2012 eine Zusammenveranlagung durchzuführen.

Dauernd getrennt lebend

In Anlehnung an die geltende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) urteilten die Richter des FG, dass Ehepartner nur dann i. S. d. § 26 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) dauernd getrennt leben, wenn keine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse mehr besteht.
Eine Lebensgemeinschaft wird durch die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten qualifiziert, eine Wirtschaftsgemeinschaft hingegen wird definiert durch die gemeinsame Erledigung der wirtschaftlichen Fragen des Zusammenlebens, die beide Partner betreffen – insbesondere die gemeinsame Entscheidung über die Verwendung des Familieneinkommens.
Wichtig für die Beurteilung ist, dass immer auf den konkreten Einzelfall und auf die innere Einstellung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft abgestellt wird. Als Rest einer Lebensgemeinschaft muss wenigstens die Wirtschaftsgemeinschaft fortbestehen. Dazu gehört, dass nach wie vor alle wirtschaftlichen Fragen, die beide berühren, gemeinsam erledigt und über die Verwendung des Familieneinkommens gemeinsam entschieden werden muss. Dies führt schließlich dazu, dass kein dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist, wenn diese Umstände vorliegen.

Kläger wurden angehört

In diesem Verfahren wurden beide Kläger vor Gericht persönlich angehört.
Sie erklärten übereinstimmend, dass Ursache für den Auszug der Frau die familiäre Situation im Einfamilienhaus war, da die pflegebedürftige Schwiegermutter auch dort wohnte. Die Frau brauchte aufgrund ihres anstrengenden Berufs als Kinderärztin einen Ort, an dem sie Ruhe hat, um wieder Kraft tanken zu können. Dies war aufgrund der Gegebenheiten im Haus gerade nicht der Fall. Daher zog sie zusammen mit dem Sohn aus. Die Eheleute erklärten vor Gericht übereinstimmend, dass sie sich seit der Trennung trotzdem regelmäßig abends und am Wochenende treffen. Sie unternehmen weiterhin gemeinsame Ausflüge, fahren zusammen in den Urlaub und gehen sonntags zusammen in die Kirche. Die Kosten dieser Unternehmungen und den Unterhalt des gemeinsamen Sohnes haben die Eheleute immer gemeinsam getragen. In der ganzen Zeit gab es weder für die Frau noch für den Mann einen neuen Partner. Aktuell hat das Paar sogar gemeinsam ein Grundstück gekauft und will dieses mit einem altersgerecht ausgestatteten Bungalow bebauen, um dort zusammen einzuziehen und zukünftig zu leben.

Keine dauerhafte Trennung

In ihrem Urteil stellten die Richter am FG fest, dass die Kläger nicht dauernd getrennt leben und durch das FA eine Zusammenveranlagung durchgeführt werden muss.
Es hat sich sowohl nach Aussage des Sohnes als auch aufgrund des geschilderten Gesamtbilds der Beziehung gezeigt, dass zwischen den Eheleuten weiterhin sowohl eine Lebens- als auch eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht.
In der heutigen Zeit existieren auch Formen des räumlich getrennten Zusammenlebens, das sog. „Living Apart Together“, wie in diesem Fall deutlich zu sehen ist. Trotz ihrer räumlichen Trennung haben beide Ehepartner ihre persönliche und geistige Lebensgemeinschaft über die Jahre aufrechterhalten. Sie wollen zukünftig sogar wieder zusammen in ein Haus ziehen. Auch eine Wirtschaftsgemeinschaft hat immer weiterbestanden – trotz getrenntem Wirtschaften und getrennter Konten – wie heutzutage üblich.
Folglich erklärten die Richter die Einzelveranlagungsbescheide des FA für ungültig und veranlassten eine Zusammenveranlagung der Ehepartner für das Jahr 2012.

Fazit: Solange eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft existiert kann eine Zusammenveranlagung vorgenommen werden.

(FG Münster, Urteil v. 22.02.2017, Az.: 7 K 2441/15 E)

(WEI)

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