Restwertangebot des Versicherers bei Weiternutzung des Fahrzeugs

  • 3 Minuten Lesezeit

Wann liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor?

Nach einem Verkehrsunfall wird der Geschädigte in aller Regel einen Sachverständigen damit beauftragen, die Höhe des Schadens an seinem Fahrzeug festzustellen. Dabei ermittelt der Sachverständige sowohl die Höhe der notwendigen Reparaturkosten, als auch die Höhe des so genannten Wiederbeschaffungswertes und die Höhe des Restwertes.

Dabei ist der Wiederbeschaffungswert der Wert, den das verunfallte Fahrzeug vor dem Unfallereignis noch hatte. Er zeigt also an, welchen Geldbetrag der Geschädigte aufwenden muss, um sich ein entsprechendes Ersatzfahrzeug zu kaufen.

Der Restwert hingegen steht für den Wert des verunfallten Fahrzeuges nach dem Unfall. Er zeigt also an, welchen Preis der Geschädigte erzielen kann, wenn er sein Unfallfahrzeug unrepariert veräußert.

Ist aus dem Gutachten ersichtlich, dass die Bruttoreparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert liegen, liegt ein sogenannter wirtschaftlicher Totalschaden vor. Das bedeutet, dass es günstiger ist, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug anzuschaffen, als das beschädigte Fahrzeug reparieren zu lassen.

Liegt ein solcher Fall vor, kann der Geschädigte nur auf Totalschadenbasis abrechnen (eine Ausnahme dazu stellen die Fälle der Abrechnung im Rahmen der 130 %-Grenze dar). Hierbei erhält er die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert. Diese Differenz wird auch „Wiederbeschaffungsaufwand“ genannt.

Beispiel: Die Reparaturkosten liegen bei 4.000 €, der Wiederbeschaffungswert bei 3.500 € und der Restwert bei 500 €. Da die Reparaturkosten mit 4.000 € über dem Wiederbeschaffungswert von 3.500 € liegen, ist ein wirtschaftlicher Totalschaden gegeben. Der Geschädigte erhält nun also „nur“ die Different aus Wiederbeschaffungswert (3.500 €) und Restwert (500 €), also 3.000 € (3.500 – 500 = 3.000).

Restwertangebote der Versicherer

In solchen Fällen liegt es daher im Interesse des gegnerischen Haftpflichtversicherers, dass ein möglichst hoher Restwert festgestellt wird. Denn je höher der Restwert liegt, desto geringer ist der Betrag, den die Versicherung zu zahlen hat, da sie ja nur die Differenz von Wiederbeschaffungswert und Restwert zahlen muss.

Aus diesem Grund versenden die Versicherer in aller Regel so genannte „Restwertangebote“. Das heißt, dass die Versicherer in so genannten Restwertbörsen im Internet nach potentiellen Aufkäufern suchen, die bereit wären, möglichst hohe Beträge für das verunfallte Fahrzeug zu bieten. Die Angebote diese Aufkäufer übermitteln die Versicherer dann dem Geschädigten und fordern ihn auf, sich mit dem Aufkäufer in Verbindung zu setzen, wenn das Auto verkauft werden soll.

Wird das Auto tatsächlich verkauft, wird es dem Geschädigten in aller Regel nicht darauf ankommen, an wen er verkauft. Er kann sich also gegebenenfalls an den von der Versicherung genannten Aufkäufer wenden, dort einen höheren Verkaufspreis erzielen und dafür von der Versicherung einen geringeren Betrag erhalten. Die Gesamtsumme jedenfalls wäre dann die gleiche.

Was geschieht bei Weiternutzung?

Was aber, wenn das Fahrzeug gar nicht verkauft werden soll? Auch nach einem wirtschaftlichen Totalschaden kann der Geschädigte sein Fahrzeug schließlich (gegebenenfalls instandgesetzt) weiternutzen, wenn er dies möchte. Wenn dann aber die Versicherung ein höheres Restwertangebot vorlegt, als aus dem Gutachten ersichtlich, würde der Geschädigte tatsächlich weniger Geld erhalt. 

Bei dem obigen Beispiel erhielte der Geschädigte laut Gutachten von der Versicherung 3,000 €. Wenn nun aber die Versicherung ein Restwertangebot über 1.000 € (statt 500 €) vorlegt, bekäme er nur 2.500 € (3.500 € Wiederbeschaffungswert – 1.000 € Restwert). Eine solche Berechnung nehmen die Versicherer auch in der Regel vor. Allerdings hat der BGH dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben.

BGH vom 10.07.2007 – VI ZR 217/06

In seiner Entscheidung vom 10.07.2007 stellte der BGH nämlich klar, dass, wenn der Geschädigte im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens tatsächlich keine Ersatzbeschaffung vornimmt, sondern er sein unfallbeschädigtes Fahrzeug weiternutzt, bei der Berechnung des fiktiven Wiederbeschaffungsaufwandes in der Regel nur der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen ist. 

In einem solchen Fall kann der Geschädigte also nicht auf ein höheres Restwertangebot aus einer Restwertbörse verwiesen werden. Ansonsten wäre der Geschädigte quasi gezwungen, sein Fahrzeug zu verkaufen, was den Grundsätzen des Schadensrechtes widerspricht.

Der BGH hat hier also die Rechte des Geschädigten deutlich gestärkt.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwälte und Notar Kirstein & Selders (GbR)

Beiträge zum Thema