RKI-Files! Veröffentlichung ungeschwärzter Corona-Protokolle: War das strafbar?

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Eine Journalistin hat am 23.07.2024 bisher unveröffentlichte Protokolle des Robert Koch-Instituts aus der Corona-Pandemie ungeschwärzt publiziert. Diese wurden ihr von einem ehemaligen Mitarbeiter bzw. von einer ehemaligen Mitarbeiterin des Robert Koch-Instituts zugespielt.

Hat sich die Journalistin durch die Veröffentlichung strafbar gemacht? Können Dritte, deren personenbezogene Daten veröffentlicht wurden, gegen die Veröffentlichung vorgehen?


Hat sich die Journalistin wegen Veröffentlichung ungeschwärzter Corona-Protokolle des RKI strafbar gemacht?

Bei der Veröffentlichung geheimer Dokumente spielen insbesondere die folgenden Straftatbestände eine Rolle:

  • Landesverrat nach § 94 StGB,
  • Offenbaren von Staatsgeheimnissen nach § 95 StGB,
  • die Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB sowie
  • Datenhehlerei nach § 202d StGB.

Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten kann außerdem eine Strafbarkeit nach

  • § 126a StGB wegen eines gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten sowie
  • eine Strafbarkeit nach § 42 BDSG

zur Folge haben.


Strafbarer Landesverrat durch Veröffentlichung Corona-Protokolle?

Die Journalistin könnte sich wegen Landesverrates nach § 94 StGB strafbar gemacht haben.


Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Landesverrat durch Veröffentlichung der ungeschwärzten RKI-Protokolle ist zunächst, dass es sich bei den veröffentlichten RKI-Daten und Staatsgeheimnisse i.S.v. § 93 Abs. 1 StGB handelt. Staatsgeheimnisse sind danach Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.


Erforderlich ist, dass nur ein bestimmter begrenzter Personenkreis von den betreffenden Tatsachen Kenntnis hat oder erlangen kann. Bei den Dokumenten handelte es sich um bisher unveröffentlichte Protokolle des RKI-Krisenstabs. Diese sollten zunächst unter Verschluss gehalten werden. Das RKI ist eine selbständige Bundesbehörde, die dem Bundesministerium für Gesundheit untersteht. Es ist davon auszugehen, dass die Protokolle nur bestimmten Mitarbeitern des RKI sowie des Bundesgesundheitsministeriums und somit einem begrenzten Personenkreis zugänglich waren. Daran ändert auch nichts, dass das RKI laut Karl Lauterbach ohnehin vorgehabt hätte, die Daten zu veröffentlichen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Journalistin, waren die Daten jedenfalls noch nicht jedermann zugänglich.


Fraglich ist aber bereits, ob die Dokumente vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden (vgl. § 94 Abs. 1 StGB). Die Geheimhaltungsbedürftigkeit richtet sich dabei ausschließlich nach der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, also deren Fähigkeit, sich gegen Eingriffe von außen zu wehren. Ausreichend ist eine abstrakte Gefahr.


Die abstrakte Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik könnte vorliegend allenfalls darin zu sehen sein, dass sich ausländische Staaten die enthüllten Geheimnisse, zunutze machen könnten, um durch die Unterstützung innerer Unruhen die Stellung der Bundesrepublik zu schwächen. Denn die Dokumente enthalten teilweise brisante Informationen zum Umgang der Regierung mit der Corona-Pandemie und deren Einflussnahme auf das RKI. Aus den Protokollen geht z.B. hervor, dass der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn eine Booster-Impfung empfahl, obwohl diese von der STIKO nicht unterstützt wurde. Die Dokumente könnten durchaus geeignet sein, innere Unruhen und Spannungen in der Bevölkerung auszulösen.


Erforderlich ist jedoch weiterhin, dass der Verrat zur Folge hat, dass dadurch tatsächlich die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik herbeigeführt wird. Insoweit bedarf es einer konkreten Gefahr, also eines Zustandes, in dem der Eintritt eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik nicht mehr fernliegt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass durch die Veröffentlichung der Dokumente, welche insbesondere die Innenpolitik des Landes betreffen, die Fähigkeit der Bundesrepublik sich gegen Eingriff von außen zu wehren, herabgesetzt sein könnte, sind nicht ersichtlich. Eine Strafbarkeit wegen Landesverrates nach § 94 StGB scheidet somit aus.


Eine Strafbarkeit würde im Übrigen wohl auch daran scheitern, dass die Journalistin nicht den erforderlichen Vorsatz gehabt haben dürfte, ihr Land zu benachteiligen und ihm einen schweren Nachteil zuzufügen.


Strafe wegen Offenbaren von Staatsgeheimnissen durch Veröffentlichung der RKI-Protokolle?

Eine Strafbarkeit wegen Offenbarens von Staatsgeheimnissen nach § 95 StGB scheitert ebenfalls daran, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht erkennbar sind.


Veröffentlichung ungeschwärzter Corona-Protokolle als strafbare Verletzung von Privatgeheimnissen?

Wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen macht sich nach § 203 StGB strafbar, wer unbefugt ein Geheimnis offenbart, das ihm anvertraut wurde. Als Täter kommen dabei nur die in § 203 Abs. 1 Nr. 1-7 StGB genannten Berufsgruppen wie z.B. Ärzte, Psychologen oder Rechtsanwälte in Betracht. Journalisten und Angehörige der Presse gehören indes nicht zum Täterkreis, sodass sich die Journalistin Velázquez auch nicht wegen Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB strafbar gemacht hat.


In Betracht käme allenfalls eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Verletzung von Privatgeheimnissen, wenn die Journalistin die veröffentlichen Daten von einem Angehörigen der genannten Berufsgruppen zugespielt bekommen hätte. Dass der/die Whistleblowerin, zu einer der genannten Berufsgruppen gehört, ist bisher jedoch nicht bekannt.


Strafe wegen Datenhehlerei durch Veröffentlichung Corona-Protokolle?

Die Journalistin könnte sich durch die Veröffentlichung der Corona-Protokolle wegen Datenhehlerei nach § 202d StGB strafbar gemacht haben. Strafbar macht sich grundsätzlich derjenige, der Daten, die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht.


Journalisten, die Daten von Whistleblower entgegennehmen, sind von der Strafbarkeit nach § 202d StGB allerdings ausgenommen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 30.03.2022 (Az. 1 BvR 2821/16) bereits bestätigt.


War das Veröffentlichung der Corona-Protokolle des RKI strafbares sefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten?

Da die geleakten Dokumente personenbezogene Daten enthalten, kommt ein gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten nach § 126a StGB in Betracht.


Strafbar ist nach § 126a StGB, personenbezogene Daten einer anderen Person zu verbreiten, wenn dies geeignet und nach den Umständen bestimmt ist, für diese eine Gefahr eines gegen sich gerichteten Verbrechens oder einer sonstigen rechtswidrigen Tat etwa gegen die körperliche Unversehrtheit hervorzurufen. Eine Ausnahme hiervon mach § 126a Abs. 3 StGB i. V. m. § 84 Abs. 4 StGB: Erlaubt ist die Datenverbreitung u.a. für die staatsbürgerliche Aufklärung, die Berichterstattung über die Vorgänge des Zeitgeschehens und ähnliche Zwecke.


Eine Strafbarkeit dürfte vorliegend daran scheitern, dass nichts darauf hindeutet, dass die Journalistin Velázquez die Absicht hatte mit der Verbreitung der Daten die betroffenen Personen in die Gefahr einer rechtswidrigen Tat zu bringen. Ziel der Veröffentlichung dürfte wohl eher gewesen sein, die Corona-Politik aufzuarbeiten. Im Übrigen könnte die Ausnahme nach § 126a Abs. 3 i. V. m. 74 Abs. 4 StGB erfüllt sein, da die Veröffentlichung der Protokolle der staatsbürgerlichen Aufklärung gedient haben könnte. Fraglich ist aber, ob es zur Erfüllung dieses Zweckes notwendig war, die personenbezogenen Daten ungeschwärzt zu veröffentlichen.


Strafe wegen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz durch Veröffentlichen Corona-Protokolle des RKI?

Schließlich könnte die Veröffentlichung der Dokumente § 42 BDSG erfüllen.  Dieser Straftatbestand ist dem Datenschutzstrafrecht zuzuordnen.


Nach § 42 Abs. 1 BDSG wird bestraft, wer wissentlich nicht allgemein zugängliche personenbezogene Daten einer großen Zahl von Personen, ohne hierzu berechtigt zu sein, einem Dritten übermittelt oder auf andere Art und Weise zugänglich macht und hierbei gewerbsmäßig handelt.


Abgesehen von der umstrittenen Frage, ob der Straftatbestand überhaupt auf Privatpersonen anwendbar ist, dürfte der Tatbestand vorliegend mangels Gewerbsmäßigkeit nicht erfüllt sein. Von gewerbsmäßigem Handeln ist nur auszugehen, wenn der Täter die Absicht hat, sich durch die wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Die Journalistin dürfte vorliegend nicht mit der Intention gehandelt haben, durch die Veröffentlichung der Daten eine fortlaufende Einnahmequelle zu generieren. Die Veröffentlichung diente vielmehr der Aufarbeitung der Corona-Politik.


Zivilrechtliche Ansprüche – Schadensersatz wegen Veröffentlichung ungeschwärzter Corona-Protokolle?

Unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit, stehen den Personen, deren personenbezogene Daten veröffentlicht wurden, möglicherweise zivilrechtliche Ansprüche zu.


Die Veröffentlichung personenbezogener Daten stellt regelmäßig einen Eingriff in das allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ein solcher Eingriff kann allerdings vom Betroffenen zu dulden sein, wenn sich derjenige, der in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift, wiederum selbst auf Grundrechte berufen kann. Insoweit ist eine Abwägung zwischen dem einschlägigen Grundrecht und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorzunehmen.


Vorliegend könnte sich die Journalistin vor allem auf die Presse- und Meinungsfreiheit sowie das Informationsinteresse der Allgemeinheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen vorliegend hinter der Presse- und Meinungsfreiheit der Journalistin zurücktreten muss, hängt davon ab, wie hoch das Interesse der Allgemeinheit an den Daten ist und wie stark der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Veröffentlichung ist. Entscheidend dürfte vorliegend sein, welche Personen durch die Veröffentlichung betroffen sind und welche personenbezogenen Daten konkreten veröffentlicht wurden. Handelt es sich bei den Personen um Politiker, dürfte das Interesse der Allgemeinheit beispielsweise höher zu bewerten sein als bei Mitarbeitern des RKI.


Sollte eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bejahen sein, ergibt sich für die Betroffenen ein Anspruch auf Löschung der Veröffentlichung gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Ein Schadensersatzanspruch steht den Betroffenen i.d.R. nur zu, wenn mit der Veröffentlichung der personenbezogen Daten eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung einhergeht. Dann hat der Täter dem Opfer eine immaterielle Geldentschädigung bzw. Schmerzensgeld zu zahlen. Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind beispielsweise anzunehmen, wenn die Daten großer Reichweite veröffentlicht worden sind, wenn die Veröffentlichung weitere Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Folge hat (z.B. Beleidigungen, Verbreitung unwahrer Tatsachen etc.) oder wenn der Betroffene unter den Folgen der Veröffentlichung stark leidet. Von derart schweren Folgen ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

Foto(s): @BHG

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