Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Schadenersatz nach Sturz von der Bierbank?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Die Volksfest-Saison hat längst gestartet – neben den nervenkitzelliebenden Kärwabesuchern und den „Gourmet“-Liebhabern zieht es unter anderem auch die Schlager- bzw. Bierfreunde auf den Rummelplatz und ins Festzelt. Dort wird regelmäßig zur Musik auf den Bierbänken geschunkelt und getanzt, was das Zeug hält. Leider kommt es – vor allem nach ein paar Maß Gerstensaft – regelmäßig zu Stürzen von diesen Bänken. Doch muss man als gefallener Bierbanktänzer tatsächlich Schmerzensgeld bzw. Schadenersatz leisten, wenn man einen anderen mit sich zu Boden zieht bzw. stößt?

Bierbanktänzer verliert Gleichgewicht

Auf einem Volksfest ging es in einem Festzelt heiß her. Viele Besucher tanzten zur Musik auf den Bierbänken, als ein Gast nach dem Stoß eines Mittänzers das Gleichgewicht verlor. Er versuchte noch durch einen Schritt nach hinten, einen Fall abzufangen – leider ohne Erfolg. Dabei zog er allerdings eine Banknachbarin mit sich zu Boden, die sich prompt verletzte. In der Folge kam es zwischen den beiden Bierzeltbesuchern zu einer Auseinandersetzung und die Volksfestbesucherin zog vor Gericht – dort verlangte sie insbesondere Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Bierbänke: Sturzgefahr ist allgemein bekannt

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart lehnte jegliche Ansprüche der Volksfestbesucherin ab.

Keine Verletzungshandlung ersichtlich

Einfach zusammengefasst gilt: Verletzt eine Person eine andere absichtlich oder leichtfertig, muss sie grundsätzlich Schadenersatz nach § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) leisten. Dazu ist aber eine bewusste Handlung nötig; eine körperliche Zwangslage – z. B. Fesseln oder Festhalten – oder ein reiner Reflex reicht dagegen nicht aus. So reagiert man im letzten Fall unwillkürlich, z. B. man weicht automatisch aus, wenn man im Augenwinkel eine Bewegung erkennt. Eine andere, bewusste Reaktion ist dem Betroffenen also nicht mehr möglich.

Vorliegend verlor der Bierbanktänzer nach einem Schubser das Gleichgewicht. Spontan versuchte er durch einen Ausfallschritt einen Sturz zu verhindern. Die Verletzte konnte in diesem Zusammenhang jedoch nicht nachweisen, dass er hierbei bewusst statt reflexartig gehandelt hat. Bereits aus diesem Grund lehnten die Richter einen Anspruch der Volksfestbesucherin nach § 823 I BGB ab.

Tanzen auf Bierbänken in Festzelten ist üblich

Doch selbst wenn der Ausfallschritt des Bierbanktänzers eine bewusste Handlung gewesen sein sollte, stand der Verletzten mangels Fehlverhaltens des Mannes kein Anspruch nach § 823 I BGB zu.

Mittlerweile ist es nämlich durchaus üblich, in Festzelten auf die Bierbänke zu steigen und dort zur Musik zu tanzen. Bereits das Auf-die Bierbank-Steigen ist daher noch kein Fehlverhalten. Auch ist allgemein bekannt und daher damit zu rechnen, dass Tanzen auf Bierbänken zu Unfällen führen kann, z. B. weil die Bank wackelt bzw. umkippt und die Hobbytänzer das Gleichgewicht verlieren und fallen. Auch herumstehende Dritte können dadurch verletzt werden. Wer dennoch „mitmacht“ bzw. sich ebenfalls auf oder in der Nähe der „erhöhten Tanzfläche“ aufhält, nimmt somit das Risiko in Kauf, an einem solchen Unfall beteiligt zu werden.

Aber: Wer gestoßen wird und seinen drohenden Sturz mit einem Ausweichmanöver – z. B. einem Ausfallschritt – abzufangen versucht, verhält sich nicht pflichtwidrig. Im Gegenteil – der Stürzende ist natürlich berechtigt, seinen Fall zu verhindern.

So war es im vorliegenden Fall. Denn der Bierbanktänzer hat versucht, seinen Sturz zu verhindern. Dabei riss er zwar die Volksfestbesucherin mit sich, aber er hätte den Zusammenprall mit der Frau und deren Sturz nicht auf zumutbare Weise verhindern können. Dass sie daher ebenfalls zu Boden fiel, war ihr persönliches Pech. Im Übrigen war ihr bekannt, dass das Tanzen auf Bierbänken mit diversen Gefahren verbunden ist.

Fazit: In Festzelten herrscht dank Musik und reichlich Alkohol zumeist gute Stimmung. Beim Tanzen auf Bierbänken ist allerdings Vorsicht angesagt. Wird man nämlich von einer anderen Person mit zu Boden gerissen, kann man im schlimmsten Fall weder Schadenersatz noch Schmerzensgeld verlangen.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 16.03.2017, Az.: 13 U 165/16)

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

Artikel teilen:


Beiträge zum Thema