Scheinselbstständigkeit bei Haushaltshilfen und Pflegepersonal

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Der Pflegenotstand beschäftigt nicht nur die Politik, sondern zunehmend auch Staatsanwaltschaften und Gerichte. Die meisten Vermittlungsagenturen von Pflegepersonal werben mit unbürokratischen und kostengünstigen Alternativen zu den herkömmlichen Angeboten. Insbesondere werden zunehmend osteuropäische Pflegekräfte vermittelt. Einige Agenturen erwecken hierbei den Eindruck, dass entweder die Pflegekraft selbst „Unternehmerin“ sei oder aber die Agenturen als Arbeitgeber der Pflegekräfte anzusehen seien und somit die Beiträge zur Sozialversicherung an die zuständigen Stellen abführen. Allerdings ist dies oftmals nicht der Fall.

Die Staatsanwaltschaften, die Hauptzollämter sowie die Deutsche Rentenversicherung gehen vermehrt gegen Vermittlungsagenturen und damit mittelbar auch gegen Privathaushalte vor. Im Fokus steht je nach Fallgestaltung der Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) sowie der Vorwurf der Lohnsteuerhinterziehung (§§ 369, 370 AO). Für betroffene Unternehmen sowie Privathaushalte hat der Vorwurf der „Scheinselbstständigkeit“ oft gravierende strafrechtliche wie auch wirtschaftliche Folgen.

Eine Strafbarkeit kommt immer dann in Betracht, wenn die Pflegekräfte als Arbeitnehmer (und damit als Scheinselbstständige) zu qualifizieren sind und die Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht abgeführt wurden. 

Arbeitnehmereigenschaft

Eine sogenannte „Scheinselbstständigkeit“ kann nur dann vorliegen, wenn der Betroffene als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Wer Arbeitnehmer ist bestimmt § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV: „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“

Zur Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft hat die Rechtsprechung eine Vielzahl von Kriterien entwickelt. Hierzu gehören die Weisungsgebundenheit, die Eingliederung in den Betrieb, als auch das Tragen von wirtschaftlichen Risiken. Einen ausführlichen Indizienkatalog finden Sie unter https://www.anwalt.de/rechtstipps/scheinselbststaendigkeit-im-fokus-von-staatsanwaltschaft-rentenversicherung-und-finanzamt_084261.html

Bei der Abgrenzung von Selbstständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller im Einzelfall gegebenen Umstände durchzuführen. Gerade im Fall von 24h-Pflegekräften variieren die Umstände von Fall zu Fall. Maßgeblich kann hierbei unter anderem sein, welche Rolle die Agentur bei der Vermittlung und darüber hinaus einnimmt, ob individuelle Vertragsverhandlungen zwischen Kunden und Pflegekraft stattfinden, wie frei die Pflegekräfte in ihrer Zeiteinteilung sind und wie bzw. durch wen deren Arbeit kontrolliert wird.

Vorsätzliche Handlung

Neben den objektiven Tatbestandsmerkmalen ist im Rahmen von § 266a StGB das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der Beiträge bei Fälligkeit zu unterlassen. Der Arbeitgeber muss daher die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit kennen und wenigstens billigend in Kauf nehmen, dass diese Pflicht nicht erfüllt wird. 

Nicht selten wird von den Vermittlungsagenturen suggeriert, dass die Agentur selbst der Arbeitgeber des Betreuungspersonals ist. Es ist sodann Frage des Einzelfalls, anhand welcher Umstände auf den Vorsatz der Betroffenen geschlossen werden kann. Oftmals liegt hier ein vielversprechender Verteidigungsansatz.

Prüfung und Gestaltung der Verträge

Die Ausführungen zeigen, dass einerseits Kunden von Vermittlungsagenturen die Verträge vor Unterzeichnung genau prüfen und sich von der Not eine „günstige“ Pflegekraft finden zu müssen sowie von der oftmals reißerischen Werbung nicht täuschen lassen sollten. Andererseits sollten Agenturen in den Verträgen die genaue Aufgabenverteilung klarstellen und Unsicherheiten bei der Stellung der Pflegekräfte – gerade mit Hinblick auf eine etwaige Arbeitnehmereigenschaft – vermeiden. 

Kanzlei Gemmerich

Herr Rechtsanwalt Gemmerich ist als Fachanwalt für Strafrecht auf diesem Gebiet spezialisiert und hat bereits eine Vielzahl von Unternehmern und Privatpersonen erfolgreich vertreten und verteidigt. Sollten Sie ebenfalls von Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Beschäftigung von Scheinselbstständigen betroffen sein, wenden Sie sich gerne an uns und wir arbeiten für Sie ein passendes Beratungs- oder Verteidigungskonzept aus.

Auch wenn Sie weitergehende Fragen zu diesem Artikel haben, stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Ihr

RA/FAStr

Sören Gemmerich


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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