Scheinselbstständigkeit & Hochrechnung (Nettolohnabrede)

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Für die betroffenen Unternehmer hat eine Prüfung durch das Hauptzollamt oder Deutscher Rentenversicherung oftmals schwerwiegende Konsequenzen, insbesondere dann, wenn der Vorwurf der „Schwarzarbeit“ bzw. Beschäftigung von Scheinselbstständigen im Raume steht.

Je nach Fallgestaltung schließt sich nicht selten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelten zur Sozialversicherung (§ 266a StGB) sowie wegen Lohnsteuerhinterziehung (§§ 369, 370 AO) an.

Es sind jedoch einige Stellschrauben vorhanden, mit denen man als spezialisierter Anwalt das Thema „Scheinselbstständigkeit“ bzw. „illegale Beschäftigung“ aufgreifen und die zur Entscheidung berufenen Träger (Deutsche Rentenversicherung aber auch Staatsanwaltschaft und/oder Hauptzollamt) im Sinne seiner Mandanten auf die „richtige Bahn“ bringen kann.

Hierzu ist erforderlich, an den entsprechenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen anzusetzen.

1. Arbeitnehmereigenschaft

Eine Selbstständigkeit „zum Schein“ kann nur dann vorliegen, wenn der Betroffene als Arbeitnehmer einzustufen ist. Hierfür sieht das Gesetz folgende Regelung vor: „Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“ (§ 7 Abs. 1 SGB IV)

Anhand des Gesetzeswortlauts hat die Rechtsprechung eine Vielzahl von Kriterien entwickelt (vgl. https://www.anwalt.de/rechtstipps/scheinselbststaendigkeit-im-fokus-von-staatsanwaltschaft-rentenversicherung-und-finanzamt_084261.html). Die Wichtigsten lauten: „Weisungsgebundenheit, Eingliederung in den Betrieb sowie unternehmerisches Risiko“.

Schon hier ergibt sich oftmals ein erheblicher Argumentationsspielraum für einen spezialisierten Rechtsanwalt.

2. Entgelthochrechnung

Soweit objektiv eine abhängige Beschäftigung vorliegt, beginnt das besondere „Drama“ der gesetzlich vorgesehenen Entgelthochrechnung des § 14 Abs. 2 S.2 SGB IV. Die Entgelthochrechnung bedeutet, dass der an einen vermeintlichen (Schein-)Selbstständigen gezahlte Lohn als Nettolohn „fingiert“ wird. Dieser Nettolohn wird „hochgerechnet“ auf einen Bruttolohn, was im Klartext bedeutet, dass auf den gezahlten Lohn die Anteile des Arbeitgebers zur Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Rentenversicherungsbeiträge), aber auch Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag hinzuaddiert werden.

Diese Hochrechnung kann so weit gehen, dass ein Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wird, welches in keinem angemessenen Verhältnis mehr zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Arbeitsleistung steht und das vertragliche Austauschverhältnis beitragsrechtlich auch nicht entsprechend abbildet.

Nicht umsonst wird der Entgelthochrechnung des § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV ein „sanktionsähnlicher Charakter“ bescheinigt.

Neben der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen zentrale arbeitgeberbezogenen Pflichten des Sozialversicherungsrechts bedarf es für die Entgelthochrechnung der Feststellung einer – zumindest – bedingt vorsätzlichen Handlung (vgl. BSGE 109, 254; BGH NStZ-RR 2014, 246). Nicht ausreichend ist dagegen das Vorliegen einer Fahrlässigkeit in den Erscheinungsformen der bewussten oder der groben Fahrlässigkeit (vgl. BSG Urteil vom 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R). Es leuchtet unschwer ein, dass die Grenzen zwischen bewusster Fahrlässigkeit („unter Umständen gröbliche Außerachtlassung der Sorgfalt, ohne es zu wollen“) und bedingten Vorsatz („es zwar nicht so genau zu wissen, aber den Erfolg billigend in Kauf nehmen“) fließend und daher schwer zu bestimmen sind.

Nicht selten bejahen die zuständigen Stellen den bedingten Vorsatz vorschnell, ohne eine substantielle Begründung zu liefern. Daher lassen sich die getroffenen Feststellungen (wenn diese sich nicht schon darin erschöpfen, dass die Rechtsprechung wiedergegeben wird) regelmäßig mit Erfolg angreifen.

Somit eröffnet sich auch hier ein weites Verteidigungsfeld, um einerseits die geforderte Beitragssumme deutlich zu reduzieren, aber auch, um die Unternehmer vor weitreichenden strafrechtlichen Konsequenzen zu bewahren.

Kanzlei Gemmerich

Herr Rechtsanwalt Sören Gemmerich ist als Fachanwalt für Strafrecht auf diesem Gebiet spezialisiert und hat bereits eine Vielzahl von Unternehmer erfolgreich vertreten und verteidigt. Sollten Sie ebenfalls von Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Beschäftigung von Scheinselbstständigen betroffen sein, wenden Sie sich gerne an uns und wir arbeiten für Sie ein passendes Konzept aus.

Auch wenn Sie weitergehende Fragen zu diesem Artikel haben, stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.


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