Schmerzensgeld bei Behandlungsfehler - Trendwende im Arzthaftungsrecht

  • 4 Minuten Lesezeit

Noch vor 1 bis 2 Jahren wurde von den Versicherungen der Ärzte grundsätzlich jeder Verdacht auf einen Behandlungsfehler zum schicksalhaften Verlauf erklärt und jegliche Haftung abgelehnt. Dem lag anscheinend folgende Rechnung zu Grunde:
40 % der Anspruchsteller geben nach dem Ablehnungsschreiben schon auf. Von den restlichen 60 % hat mindestens die Hälfte keine Kraft für den Rechtsstreit oder kein Geld für die Klage.
Dass diese Ablehnungstaktik die Patienten erst recht wütend machte und in die Klage trieb, obwohl sie sich eigentlich lieber mit dem Arzt außergerichtlich geeinigt hätten, wurde von den Versicherungen der Ärzte nicht mit einkalkuliert.

Inzwischen gibt es eine Trendwende, denn die Haftpflichtversicherungen der Ärzte bieten wieder häufiger Schmerzensgeldzahlungen im Wege der außergerichtlichen Einigung an. Diese Bereitschaft richtet sich nach knallharten versicherungsmathematischen Grundsätzen. Dabei wird das Prozessrisiko von der Versicherung beurteilt, d.h. Schmerzensgeld gibt es nur dann, wenn das Risiko für die Versicherung, den Prozess zu verlieren größer ist als die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient seine Ansprüche vor Gericht nicht durchsetzen kann. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist dabei abhängig von der Schmerzensgeldtabelle und der Höhe des Prozessrisikos für die gegnerische Versicherung. Das bedeutet, das Schmerzensgeld wird höher je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Patient den Behandlungsfehler beweisen kann und den Prozess gewinnt.

Was also tun, um bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler möglichst schnell zu einem angemessenen Schmerzensgeld zu kommen?

Die 5 wichtigsten Tipps für Patienten zum Vorgehen bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler:

1. Fertigen Sie möglichst frühzeitig ein gutes Gedächtnisprotokoll an

Schreiben Sie stichpunktartig alles auf, was Ihnen bei der Behandlung merkwürdig vorkommt - welcher Arzt wann was gesagt hat, wie die Wunde zu welchem Zeitpunkt ausgesehen hat, welche Symptome vorlagen, wann eine Verschlechterung einsetzte und wie Ärzte und Krankenpfleger darauf reagiert haben.
Lassen Sie auch möglichst zeitnah Ihre Angehörigen deren Beobachtungen aufschreiben, wenn sie zuhause etwas gesehen haben oder ihnen bei Besuchen in der Klinik etwas aufgefallen ist. Jede Information kann später bei der Bearbeitung des Falls für den Rechtsanwalt und für die Begutachtung durch einen Sachverständigen wichtig sein.

Außerdem ist ein zeitnahes Gedächtnisprotokoll auch deshalb notwendig, weil die Erinnerung an Details des Ablaufs der Behandlung schon wenige Wochen danach zu verblassen beginnt. Dann ist es oft nur noch schwer möglich, sich exakt an die Abläufe zu erinnern.

2. Sichern Sie Beweise

Lassen Sie sich Kopien von allen wichtigen Behandlungsunterlagen machen und vergessen Sie dabei auch nicht die Pflegeprotokolle aus dem Krankenzimmer und Röntgenbefunde etc. Sollte die Klinik sich weigern, Kopien zu fertigen, dann fragen Sie doch einfach später bei Ihrem Hausarzt nach. Dieser erhält zumindest die Arztbriefe der Klinik und die OP- Berichte, die dann ein erster Anhaltspunkt für den Anwalt sind, um sich ein Bild zu den Erfolgsaussichten des Arzthaftungsfalls zu machen.

Fertigen Sie bitte außerdem mehrfach Fotos vom Behandlungsfortschritt an, am besten mit Datumsangabe - oder noch besser - lassen Sie die Fotos von einem Angehörigen machen. Dieser kann dann später bezeugen, dass das Foto auch wirklich von Ihrem Bein oder von Ihrer Wunde stammt.

3. Lassen Sie sich schon in dieser frühen Phase von einem Patientenanwalt für Arzthaftungsrecht beraten

Der Patientenanwalt kann je nach den Besonderheiten des Einzelfalls feststellen, ob noch weitere Beweise notwendig sind. Er kann zusammen mit dem Patienten die Anmeldung der Ansprüche bei dem betroffenen Arzt besprechen, die Aussagekraft der bisher eingeholten Unterlagen beurteilen und Tipps für die weitere Vorgehensweise geben.

Auch bei Fällen, in denen die Klinik selbst wegen eines Todesfalls mit unklarer Ursache die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat ist es sinnvoll, sich vom Anwalt beraten lassen, wie weiter vorgegangen werden soll. Da der Anwalt ein Akteneinsichtsrecht hat, können Sie auf diesem Wege Einsicht in das Gutachten und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erhalten.

4. Bei Tod durch Behandlungsfehler kann auch ein negatives Gutachten der Staatsanwaltschaft hilfreich sein

Wenn das Gutachten der Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kommt, dass keine Anhaltspunkte wegen einer Straftat bzw. einem Fremdverschulden im Zusammenhang mit dem Tod des Betroffenen festgestellt wurden, betrifft das nur die Frage, ob die behandelnden Ärzte strafrechtlich verfolgt werden sollen.

Die zivilrechtliche Haftung der Ärzte aus einem Kunstfehler ist damit jedoch nicht ausgeschlossen.
In so einem Fall kann Ihnen der Patientenanwalt für Arzthaftungsrecht auf der Basis des von der Staatsanwaltschaft eingeholten Gutachtens dabei helfen, die zivilrechtliche Arzthaftung zu klären.

5. Prüfen Sie bei der Auswahl Ihres Anwaltes, ob dieser über Erfahrungen im Arzthaftungsrecht verfügt

Anhaltspunkte dazu ergeben sich beispielsweise daraus, wie ausführlich und aussagekräftig das Fachgebiet Arzthaftungsrecht oder Medizinrecht auf der Internetseite der Anwaltskanzlei beschrieben ist. Wenn dann noch weitere fünf oder mehr völlig unterschiedliche Fachgebiete bearbeitet werden, sollte man nach weiteren Veröffentlichungen suchen, um Spezialisierungen festzustellen. Manchmal ist dann auch erkennbar, dass die Kanzlei überwiegend die Kliniken vertritt. Dies birgt die Gefahr in sich, dass der Patient als Anspruchsteller und Einzelperson im normalen Büroalltag zu wenig Beachtung finden könnte. 
Es kann auch sehr sinnvoll sein, andere Betroffene zu ihren Erfahrungen zu befragen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich auch das Medizinrecht stetig weiter entwickelt. Da in derartigen Fällen auch das außergerichtliche Verfahren etwas dauern kann, werden möglicherweise im Verlauf des Verfahrens für ähnliche Schädigungen bereits höhere Schmerzensgeldbeträge ausgeurteilt. Daher sollte stets die aktuelle Schmerzensgeldtabelle zugrunde gelegt werden und der beauftragte Patientenanwalt sollte über entsprechende Erfahrung im Bereich des Arzthaftungsrechts verfügen. Denn davon ist letztlich die Höhe Ihres Schmerzensgeldes abhängig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Dr. Cornelia Grüner

Beiträge zum Thema