Schmerzensgeldhöhe bei Tod durch Behandlungsfehler nach 5 Tagen

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Die trauernde Familie möchte wenigstens einen finanziellen Ersatz, auch wenn das den Verlust nicht ausgleichen kann und muss sich dann das Argument der gegnerischen Versicherung anhören, der Verstorbene hätte doch nicht lange gelitten. Diese höchst unbefriedigende Situation muss jedoch nicht hingenommen werden:

1. Zum Sachverhalt

Am Anfang der Tätigkeit meiner Kanzlei stand die Erstberatung der Angehörigen zur weiteren Vorgehensweise. Dabei berichtete der Vater des Verstorbenen, dass sein erwachsener Sohn plötzlich im Wald beim Pilze sammeln mit Bauchschmerzen zusammengebrochen sei. In der umgehend aufgesuchten Klinik wurde eine Bauchspeicheldrüsenentzündung diagnostiziert.

Nachdem der Sohn operiert worden war und es ihm bereits deutlich besser ging, erreichte die Familie die schockierende Nachricht über den plötzlichen Tod des Sohnes. Besonders regte sich die Familie bei der ersten anwaltlichen Besprechung über die Anmerkung auf der Todesbescheinigung: „chronischer Alkoholabusus“ auf, denn der Verstorbene war definitiv kein Trinker gewesen.

Zum Ablauf der ganzen Sache wurde der Familie von der Klinik mitgeteilt, dass nach der Operation unbeherrschbare Komplikationen eingetreten wären, denn der Luftschlauch sei bei der maschinellen Beatmung herausgerutscht.

Aufgrund des damit verbundenen qualvollen Erstickungstodes des Sohnes, Ehemannes und Familienvaters hatten die Angehörigen eine Schmerzensgeldvorstellung in Höhe von 40.000,00 €.

Außerdem legte die Familie des Verstorbenen zur Besprechung eine Bescheinigung vor, dass das von der Klinik eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen nichtnatürlichen Todes eingestellt wurde. Bei der vorgenommenen Akteneinsicht ergab sich, dass das Gutachten der rechtsmedizinischen Sektion mit der Feststellung endete: „Die Durchsicht der Behandlungsunterlagen ergab keine Hinweise auf eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht, die im Zusammenhang mit dem letalen Verlauf steht“. Dies konnte die Familie aufgrund des Sachverhaltes nicht verstehen und wollte die Klinik trotzdem zur Verantwortung ziehen.

2. Prüfung der Erfolgsaussicht

Eine genauere Analyse des Gutachtens der Rechtsmedizin ergab eine ganze Reihe von Anhaltspunkten für ärztliche Versäumnisse, die durchaus geeignet waren, eine zivilrechtliche Haftung zu begründen. Außerdem zeigte sich, dass die Annahme einer Alkoholerkrankung völlig haltlos war. Somit konnte von einer relativ guten Erfolgsaussicht ausgegangen werden, auch wenn das Gutachten selbst negativ formuliert war, da es zur Prüfung der strafrechtlichen Relevanz der Angelegenheit erstellt wurde.

Zur außergerichtlichen und einvernehmlichen Klärung der sich aus dem Gutachten ergebenden Fragen wurde mit anwaltlicher Unterstützung ein Vermittlungsverfahren vor der sächsischen Landesärztekammer (Az.: HS-021-12) durchgeführt. Dieses Vermittlungsverfahren endete mit dem Bescheid: „anerkannter Todesfall durch Behandlungsfehler“ und der Feststellung, dass der Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegeben ist.

3. Verhandlungen mit der Haftpflichtversicherung der Klinik

Von der gegnerischen Versicherung wurde zur Abgeltung sämtlicher immaterieller Ansprüche ein Betrag von 15.000,00 € angeboten. Dieses Angebot wurde damit begründet, dass der Patient nur wenige Tage nach der stationären Aufnahme verstorben war. Die Versicherung verwies auf 2 Entscheidungen des OLG Hamm, wonach ein Betrag in dieser Höhe nach 32 bzw. nach 8 Tagen Leidenszeit bis zum Tod ausgeurteilt wurde. Dies sei noch ein deutliches Entgegenkommen, da hier der Tod nur wenige Tage nach Einlieferung in die Klinik eingetreten war.

Auf dieses Abgeltungsangebot reagierten die Angehörigen des Verstorbenen verständlicherweise mit großer Unzufriedenheit. Sie wollten die Angelegenheit zwar möglichst ohne langwieriges und belastendes Gerichtsverfahren klären, aber sich dennoch nicht mit einem derart niedrigen Betrag abspeisen lassen.

Unsererseits wurde im weiteren Verlauf der außergerichtlichen Verhandlungen darauf verwiesen, dass es nach einer neueren Entscheidung des Landgerichtes Düsseldorf nicht allein auf die Zeitdauer bis zum Eintritt des Todes ankommt, sondern auch berücksichtigt werden muss, wenn der Verstorbene (mit 41 Jahren laut LG Düsseldorf) vergleichsweise noch jung ist.

4. Verhandlungsergebnis: Gesamtabfindung 39.500,00 €

Darin enthalten sind 20.000,00 € Schmerzensgeld für den durch Behandlungsfehler herbeigeführten Erstickungstod eines jungen Familienvaters. Dabei wurden die Dauer der Leidenszeit des Verstorbenen und die Wahrnehmungsfähigkeit durch den Verstorbenen selbst berücksichtigt.

Im Gegensatz zu früherer Rechtsprechung konnte auf der Basis der aktuellen Schmerzensgeldtabelle auch das vergleichsweise junge Alter des Verstorbenen in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden.

Zusätzlich wurde ein Schmerzensgeld von 5000,00 € für den sogenannten Schockschaden des Vaters des Verstorbenen gezahlt.

Einen Anspruch auf Schmerzensgeld für Verwandte des Geschädigten kennt das deutsche Recht nicht. Ausnahmsweise greift eine Haftung des Schädigers allerdings dann, wenn die psychische Beeinträchtigung des Angehörigen durch den Todesfall über das „normale Maß“ hinaus Krankheitswert hat. Dabei muss jedoch gesondert nachgewiesen werden, dass über die normalerweise immer beim Verlust eines Angehörigen vorliegende Trauer hinaus eine psychische Schädigung vorliegt.

Bei der ersten anwaltlichen Konsultationen hatte die Familie des Verstorbenen eine Vorstellung von 40.000,00 € für einen finanziellen Ausgleich geäußert.

Ohne anwaltliche Unterstützung wäre man dieser Vorstellung noch nicht einmal annähernd nahe gekommen. So aber konnte durch die außergerichtliche Einigung ein für die Angehörigen in besonderem Maße psychisch belastendes Gerichtsverfahren vermieden werden.


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