Schritt für Schritt durch das gesamte Strafverfahren: Kennen Sie Ihre Verteidigungsmöglichkeiten?
- 15 Minuten Lesezeit
Als Beschuldigter einer Straftat hat man Angst vor dem, was alles auf einen zukommen kann. Jeder kennt die Szenen einer öffentlichen Hauptverhandlung aus Film und Fernsehen. Aber keiner möchte selbst auf der Anklagebank sitzen und Schauobjekt der breiten Öffentlichkeit sein. Nicht zu wissen, was einen im Strafverfahren alles erwartet und wie dieses überhaupt abläuft, verstärken die Angst und das Gefühl, verloren zu sein.
Mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen die Angst vor dem Ungewissen nehmen und Licht ins Dunkle bringen. Ich werde Ihnen den Ablauf des Strafverfahrens erklären und dabei die Möglichkeiten der Strafverteidigung aufzeigen.
Wenn man versteht, welche Schritte als nächstes auf einen zukommen, kann man sich besser darauf vorbereiten und das Gefühl der Kontrolle über die eigene Situation zurückgewinnen.
Folgendes erwartet Sie:
- Wie läuft ein Strafverfahren ab?
- Welche Möglichkeiten hat die Strafverteidigung?
- Warum einen Strafverteidiger beauftragen?
Ablauf des Strafverfahrens
Die Hauptverhandlung aus Film und Fernsehen verbinden die meisten Leute mit dem Strafverfahren. In der Praxis geht dieser Hauptverhandlung jedoch ein vielfältiger und manchmal sehr langer Prozess voraus: das sog. Ermittlungsverfahren. Regelmäßig kommt es auch gar nicht zur Hauptverhandlung, sondern das Strafverfahren wird im Ermittlungsverfahren eingestellt.
Dies war laut Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Jahr 2021 sogar bei mehr als der Hälfte der eingeleiteten Ermittlungsverfahren der Fall.
Insgesamt lässt sich der Ablauf des Strafverfahrens in folgende 5 Phasen einteilen:
- Ermittlungsverfahren,
- Zwischenverfahren,
- Hauptverfahren,
- Rechtsmittelverfahren und
- Vollstreckungsverfahren.
I. Ermittlungsverfahren
Jedes Strafverfahren beginnt mit der ersten Phase, dem Ermittlungsverfahren. Dieses wird von der Staatsanwaltschaft als „Herrin des Verfahrens“ geführt. Die Bediensteten der Polizei stellen dabei der „verlängerte Arm“ der Staatsanwaltschaft dar und unterstützen diese im Ermittlungsverfahren.
Das Ermittlungsverfahren teilt sich in 3 Teile auf:
- Beginn,
- Ablauf und
- Abschluss
des Ermittlungsverfahrens.
1. Beginn des Ermittlungsverfahrens: Besteht ein Anfangsverdacht?
Jedes Ermittlungsverfahren beginnt mit der Frage, ob ein sog. Anfangsverdacht gegen eine bestimmte Person besteht. Nur wenn ein solcher vorliegt, ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erlaubt.
Ein Anfangsverdacht besteht gemäß § 152 Abs. 2 StPO dann, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Straftat vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn auf Grundlage der Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung die Beteiligung an einer Straftat als möglich erscheint.
Zu beachten ist dabei, dass bloße Vermutungen oder Spekulationen keinen Anfangsverdacht begründen können. Sondern der Verdacht muss sich auf ganz konkrete Umstände stützen können.
Dennoch muss in der Praxis festgestellt werden, dass die Hürden nicht sehr hoch sind, um einen Anfangsverdacht tatsächlich zu begründen und damit ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Gegen den Anfangsverdacht als solchen wird man sich auch deswegen nicht verteidigen können, weil der Betroffene meist davon nichts mitbekommt. Die Polizei ermittelt regelmäßig ohne Kenntnis des Beschuldigten im Hintergrund. Informiert wird dieser erst im Laufe des Ermittlungsverfahrens zu einem späteren Zeitpunkt – regelmäßig durch die polizeiliche Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung.
Besteht ein Anfangsverdacht, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, der Sache nachzugehen und ein Ermittlungsverfahren einzuleiten (Legalitätsprinzip, § 152 Abs. 2 StPO). Dabei gibt es unterschiedliche Wege, wie die Staatsanwaltschaft oder auch die Polizei von Umständen Kenntnis erlangen können, die einen Anfangsverdacht gegen eine Person begründen.
- Etwa durch eine anonyme Strafanzeige (§ 158 Abs. 1 StPO) oder
- durch einen gezielten Strafantrag einer verletzten Person (§ 158 Abs. 2 StPO).
- Denkbar ist aber auch, dass durch mediale Berichterstattung die Staatsanwaltschaft auf den Weg zum Anfangsverdacht gebracht wird (§ 160 Abs. 1 StPO): investigativer Journalismus ist hier das Schlagwort. In einem solche Fall erfolgt die Einleitung eines Strafverfahrens von Amts wegen, also durch die Behörde selbst.
2. Ablauf des Ermittlungsverfahrens: Erforschen und Beweise erheben
Besteht ein Anfangsverdacht, gilt es von Seiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft, den Sachverhalt zu erforschen durch Erhebung von Beweisen (§§ 160, 163 StPO).
Die Strafprozessordnung regelt dabei streng, durch welche Art von Beweisen die spätere Schuld des Angeklagten zur vollen Überzeugung des Gerichts gestellt werden soll. Diese sog. Streng-Beweismittel teilen sich auf in:
- Zeugen,
- Sachverständige,
- Urkunden und
- Augenscheinsobjekte.
An dieser Stelle werden in der Praxis etwa bestimmte Personen als Zeugen zur Polizeiwache geladen und zeugenschaftlich vernommen.
Oder es wird ein Durchsuchungsbeschluss vom Gericht erlassen, so dass eine Wohnungsdurchsuchung beim Beschuldigten erfolgen kann (§ 102 StPO) - etwa zum Auffinden von Beweismitteln (z.B. Drogen, Waffen, Beute oder verbotene Pornographie).
Denkbar sind auch erkennungsdienstliche Maßnahmen, wie etwa das Abnehmen von Fingerabdrücken beim Beschuldigten (§ 81b Abs. 1 StPO) oder die akustische Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“, § 100c StPO).
3. Abschuss des Ermittlungsverfahrens: Besteht ein hinreichender Tatverdacht? - „Freispruch“ oder Anklage oder …
Wurde der Sachverhalt erforscht und Beweise erhoben, gilt es die Ergebnisse zu würdigen. An dieser Stelle muss die Staatsanwaltschaft eine wichtige Entscheidung treffen: Besteht gegen den Beschuldigten ein hinreichender Tatverdacht?
Ein Hinreichender Tatverdacht ist dann gegeben, wenn nach vorläufiger Bewertung der Aktenlage die Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher als ein Freispruch ist.
Bejaht die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht, beendet diese das Ermittlungsverfahren regelmäßig durch Erhebung einer Anklage (§ 170 Abs. 1 StPO).
Kann die Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Tatverdacht feststellen, muss sie von Gesetzes wegen das Straferfahren gegen den Beschuldigten zwingend einstellen (§ 170 Abs. 2 StPO). Die Einstellung des Straferfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO kann deswegen als „Freispruch im Ermittlungsverfahren“ bezeichnet werden.
Eine dritte Möglichkeit kann weder der „Freispruch“ noch die Anklageerhebung sein, sondern der Erlass eines Strafbefehls. Hierauf wird noch unten näher eingegangen.
Vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens ist dem Beschuldigten zwingend „rechtliches Gehör“ zu gewähren, wenn das Ermittlungsverfahren nicht eingestellt wird (§ 163a Abs. 1 StPO). In der Praxis wird dies dadurch umgesetzt, dass dem Beschuldigten eine polizeiliche Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung zugesandt wird.
Tipp: Wie Sie sich im Fall einer polizeilichen Vorladung am besten verhalten und welche Fehler Sie unbedingt vermeiden sollten,, habe ich Ihnen in einem anderen Beitrag erläutert.
II. Zwischenverfahren
Hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, geht die „Herrschaft“ des Verfahrens auf das Gericht über. Diese Phase bezeichnet man als sog. Zwischenverfahren.
Hier prüft das Gericht anhand der Aktenlage eigenständig, ob ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten besteht. Weiter leitet das Gericht die Anklageschrift dem Betroffenen zu mit einer Frist von regelmäßig 7 Tagen, in denen sich der Angeschuldigte zum Tatvorwurf erklären kann (§ 201 StPO).
Bejaht das Gericht schließlich einen hinreichenden Tatverdacht, erlässt es einen sog. Eröffnungsbeschluss (§§ 199, 203 StPO), andernfalls einen Nichteröffnungsbeschluss (§ 204 StPO).
Durch den Eröffnungsbeschluss wird die Anklage der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung zugelassen. Gleichzeitig wird in dem Beschluss bestimmt, vor welchem Gericht die Hauptverhandlung stattfinden wird (§ 207 StPO). Hierdruch endet das Zwischenverfahren.
III. Hauptverfahren
Nach Abschluss des Zwischenverfahrens bestimmt das Gericht einen Termin zur öffentlichen Hauptverhandlung (§ 213 StPO) und lädt sowohl den Angeklagten als auch dessen Strafverteidiger zum Termin (§§ 217, 218 StPO).
Zwischen der Ladung und dem tatsächlichen Termin zur Hauptverhandlung schreibt das Gesetz eine Mindestfrist von einer Woche vor (§ 217 Abs. 1 StPO).
Ist der Tag der Hauptverhandlung gekommen, findet diese immer in der gleichen Reihenfolge statt, die zwingend von der Strafprozessordnung vorgeschrieben wird (§§ 243, 244, 258, 260 StPO):
- Die Sache wird aufgerufen und das Gericht stellt die Anwesenheit der Beteiligten und der Beweismittel fest
- Der Angeklagte wird zu seinen persönlichen Verhältnissen vernommen (Name, Alter, Staatsangehörigkeit, Anschrift)
- Die Staatsanwaltschaft verliest die Anklageschrift
- Das Gericht teilt mit, ob Verfahrensabsprachen erfolgt sind
- Der Angeklagte wird über sein Schweigerecht belehrt
- Der Angeklagte wird zur Sache vernommen, wenn er nicht schweigen möchte
- Die Beweisaufnahme beginnt: Zeugen, Sachverständige, Urkunden oder Augenscheinsobjekte
- Die Plädoyers werden gehalten: erst die Staatsanwaltschaft, dann die Verteidigung
- Der Angeklagte hat das letzte Wort
- Das Gericht zieht sich zur Urteilsberatung zurück und verkündet sodann das Urteil
IV. Rechtsmittelverfahren
Ist entweder die Verteidigung oder die Staatsanwaltschaft mit dem gesprochenen Urteil nicht zufrieden, können gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt werden. Die Strafprozessordnung kennt hierfür die Berufung (§§ 314 ff. StPO) und die Revision (§§ 333 ff. StPO).
Berufung bedeutet, dass die gesamte Hauptverhandlung vor einem anderen (höheren) Gericht wiederholt wird. Der oben vorgestellte Ablauf einer Hauptverhandlung wird also von Anfang bis Ende wiederholt.
Revision bedeutet, dass das Urteil von einem anderen (höheren) Gericht nur auf Rechtsfehler in einem rein schriftlichen Verfahren überprüft wird. Es findet also keine neue Hauptverhandlung statt.
Welches Rechtmittel möglich ist, hängt davon ab, vor welchem Gericht die Hauptverhandlung stattgefunden hat:
- Gegen Urteile des Amtsgerichts (Strafrichter oder Schöffengericht) ist sowohl Berufung als auch Revision möglich.
- Gegen Urteile des Landgerichts sowie des Oberlandesgerichts ist dagegen nur Revision möglich.
V. Strafvollstreckungsverfahren
Ist das Urteil rechtskräftig und ordnet das Gericht hierin negative Rechtsfolgen für den Angeklagten an, schließt hieran das sog. Strafvollstreckungsverfahren. Hier übernimmt wieder die Staatsanwaltschaft als Strafvollstreckungsbehörde das Ruder (§ 451 StPO).
Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es nun, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die im Urteil angeordneten Rechtsfolgen durchzusetzen.
Dies kann insbesondere sein:
- die Vollstreckung von Freiheitsstrafen,
- die Vollstreckung von Geldstrafen oder
- die Durchsetzung des Fahrverbots oder der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie
- alle damit verbundenen und notwendigen Folgeentscheidungen
Möglichkeiten der Strafverteidigung
Jetzt stellt dich die Frage, wie der Strafverteidiger in den jeweiligen Phasen des Strafverfahrens zugunsten des Mandanten handeln und für diesen das beste Ergebnis erreichen kann.
Die wesentlichen Möglichkeiten der Strafverteidigung werden je nach Verfahrensabschnitt im Folgenden aufgezeigt.
I. Strafverteidigung im Ermittlungsverfahren
Meine Strafverteidigung zielt bereits in der ersten Phase des Strafverfahrens darauf ab, das Verfahren zur Einstellung zu bringen. Hierdurch kann das Führungszeugnis des Betroffenen eintragungsfrei gehalten und eine belastende öffentliche Hauptverhandlung vermieden werden.
Dieses Verteidigungsziel kann im Ermittlungsverfahren auf 3 Wegen erreicht werden:
- Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO
- Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 StPO oder
- Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO.
1. Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO
Wie bereits oben ausgeführt, muss die Staatsanwaltschaft zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens die Frage nach dem hinreichenden Tatverdacht des Beschuldigten beantworten. Nur wenn diese Frage bejaht wird, kann Anklage erhoben werden; andernfalls muss das Strafverfahren eingestellt werden gemäß § 170 Abs. 2 StPO.
Auf diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft kann die Strafverteidigung Einfluss nehmen. Nach Sichtung der Akten und der Beweislage kann der Strafverteidiger einen sog. Einstellungsantrag verfassen, indem rechtlich begründet wird, warum hier das Strafverfahren mangels hinreichendem Tatverdacht einzustellen ist. Gelingt dies, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, das Strafverfahren einzustellen.
Der fehlende hinreichende Tatverdacht kann einerseits aus tatsächlichen Gründen oder andererseits aus rechtlichen Gründen begründet werden.
Kein hinreichender Tatverdacht aus tatsächlichen Gründen
Dies liegt immer dann vor, wenn der Beschuldigte aufgrund der Beweislage nicht mit hinreichender Verurteilungswahrscheinlichkeit Täter oder Teilnehmer der verfolgten Straftat ist.
- Etwa im Falle einer Falschverdächtigung oder
- wenn die verwertbaren Beweise keinen hinreichenden Schluss auf die Person des Beschuldigten zulassen.
Kein hinreichender Tatverdacht aus rechtlichen Gründen
Dies liegt etwa dann vor, wenn aufgrund der Beweislage kein strafbares Verhalten festgestellt werden kann.
- Etwa, weil der Beschuldigte durch Notwehr gerechtfertigt gehandelt hat (§ 32 StGB) oder
- dieser schlicht ohne Tatvorsatz handelte, weil er einem Irrtum unterlag (§ 16 Abs. 1 StGB).
Denkbar ist auch, dass ein Strafverfolgungshindernis in Form der Verjährung (§§ 78 ff. StGB) besteht.
Oder bei absoluten Strafantragsdelikten kein wirksamer Strafantrag gestellt wurde. Ein solcher ist etwa beim Tatvorwurf der Beleidigung oder des Hausfriedensbruchs zwingend erforderlich (§ 194 Abs. 1 Satz 1, 123 Abs. 2 StGB).
Verweis auf den Privatklageweg
Eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO kommt aber nicht nur bei fehlendem, hinreichenden Tatverdacht in Betracht, sondern auch in einem weiteren Fall.
Wird dem Beschuldigten ein sog. Privatklagedelikt (§ 374 Abs. 1 StPO) vorgeworfen und verneint die Staatsanwaltschaft mangels öffentlichem Interesse die Strafverfolgung (§ 376 StPO), so stellt diese das Strafverfahren ebenfalls nach § 170 Abs. 2 StPO ein und verweist den Verletzten auf den Privatklageweg (§§ 374 ff. StPO).
Die Folge: Der Verletzte als Privatperson muss die Strafverfolgung selbst betreiben, also etwa eigenständig eine Anklageschrift verfassen (§ 381 StPO).
Da nicht selten die Personen hiervor zurückschrecken, kann auch der Verweis auf den Privatklageweg ein Ziel der Strafverteidigung sein.
2. Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 StPO oder § 153a StPO
Die Strafverteidigung kann in dem Einstellungsantrag an die Staatsanwaltschaft alternativ eine Verfahrenseinstellung nach den §§ 153, 153a StPO anregen.
Im Unterschied zur Einstellung nach § 170 Abs. 2 StGB liegt eine derartige Verfahrenseinstellung im Ermessen der Staatsanwaltschaft (sog. Opportunitätsentscheidung); diese ist hierzu also nicht rechtlich verpflichtet, selbst wenn die Voraussetzungen an sich von der Verteidigung aufgezeigt werde können.
a) Einstellung nach § 153 StPO wegen geringer hypothetischer Schuld
Die Anregung einer Verfahrensbeendigung nach § 153 StPO kommt immer dann in Betracht, wenn bei unterstellter Tatbegehung (1.) die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, (2.) es sich bei dem Delikt um ein bloßes Vergehen handelt und (3.) kein öffentliches Interessen an der Strafverfolgung besteht. Je nach Fall muss zudem das Gericht der Verfahrenseinstellung zustimmen.
Vergehen sind – im Unterschied zu Verbrechen – Straftaten, die etwa auch mit Geldstrafe bestraft werden können (§ 12 Abs. 2 StGB). Dies sind Delikte, die typischerweise der Kleinkriminalität zugeordnet werden können, etwa:
- Hausfriedensbruch, § 123 StGB
- Beleidigung, § 185 StGB
- Körperverletzung, § 223 StGB
- Betrug, § 263 StGB
- Diebstahl, § 242 StGB
- Sexuelle Belästigung, § 184i StGB
- Nötigung, § 240 StGB
- Bedrohung, § 241 StGB
- Urkundenfälschung, § 267 StGB
b) Einstellung nach § 153a StPO durch Geldauflage
Besteht ein hinreichender Tatverdacht, kann eine Verfahrenseinstellung unter Umständen über § 153a StPO erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist ebenfalls, dass sich (1.) bei dem Tatvorwurf um ein Vergehen handelt (s.o.), (2.) die Schwere der Schuld des Täters einer solchen Einstellung nicht entgegensteht und (3.) die zu erteilende Auflage oder Weisung geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Auch hier bedarf es je nach Fall der Zustimmung des Gerichts.
Die wohl prominenteste Auflage ist die sog. Geldauflage (§ 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO). Hier wird der Beschuldigte verpflichtet, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen. Weitere Auflagen oder Weisungen stellen z.B. der Täter-Opfer-Ausgleich (Nr. 5) oder eine Therapie (Nr. 8) dar.
c) Strafbefehl: Vermeidung einer öffentlichen Hauptverhandlung
Besteht hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten und ist kein Einstellungsantrag durch den Strafverteidiger nach den §§ 170 Abs. 2, 153, 153a StPO erfolgsversprechend, gibt es unter Umständen einen letzten Weg, um zumindest eine belastende, öffentliche Hauptverhandlung für den Betroffenen abzuwenden: der Erlass eines Strafbefehls.
Das Strafbefehlsverfahren ist in den §§ 407 ff. StPO geregelt. Zwar kann hierdurch keine Straffreiheit erreicht, aber wenigstens eine öffentliche Hauptverhandlung abgewendet werden. Die kann in Zeiten medialer Berichterstattungen und social media für den Betroffenen enorm wichtig sein.
Der Strafbefehl ist eine Art Urteil ohne vorausgegangener Hauptverhandlung.
Hierzu kann die Staatsanwaltschaft allerdings nicht verpflichtet werden. Sondern diese stellt nach eigenem Ermessen einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls an das Gericht (§ 407 Abs. 1 StPO). Erst wenn das Gericht ebenfalls der Meinung ist, dass der Strafbefehl das richtige Mittel zur Ahndung der Strafbarkeit ist, erlässt es einen Strafbefehl (§ 408 Abs. 3 StPO).
II. Strafverteidigung im Zwischen- und Hauptverfahren
Kann die Erhebung einer Anklage als Abschluss des Ermittlungsverfahrens nicht verhindert werden, muss sich die Strafverteidigung regelmäßig auf eine öffentliche Hauptverhandlung einstellen.
In seltenen Fällen kann durch einen Antrag auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens das Gericht zum Erlass eines Nichteröffnungsbeschluss überzeugt werden, was aber die absolute Ausnahme darstellt.
In der Hauptverhandlung bestehen je nach Ausgangslage unterschiedliche Ziele der Strafverteidigung:
- Freispruch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen
- Einstellung des Strafverfahrens wegen geringer Schuld des Angeklagten, § 153 StPO
- Einstellung des Verfahrens durch Erteilung von Auflagen oder Weisungen, § 153a StPO
- Strafmaßverteidigung als „Schadensbegrenzung“
1. Freispruch oder Verfahrenseinstellung
Herzstück des Strafverfahrens ist die Beweisaufnahme. Hier spielt in der Praxis die Musik. Wichtige Aufgabe des Strafverteidigers ist es, durch Beweisanträge (§ 244 Abs. 3 StPO) oder Zeugenbefragung (§ 240 Abs. 2 StPO) gezielt auf die Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen.
Das Ziel muss dabei sein, so viele begünstigende Umstände für den Angeklagten we nur möglich in das Strafverfahren einzuführen. Diese Umstände können so überzeugend sein, dass der Angeklagte freigesprochen werden muss; oder aber sie dienen jedenfalls dazu, eine Verfahrenseinstellung zu erreichen (§§ 153, 153a StPO).
2. Strafmaßverteidigung
Ist all dies nicht möglich, muss sich die Strafverteidigung darauf konzentrieren, das bestmögliche Ergebnis im Urteil für den Mandanten zu erreichen. Stichwort: Strafmaßverteidigung.
Hierbei strebt die Strafverteidigung drei mögliche Ziele an:
- Eine Verurteilung zur Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB)
- Das Führungszeugnis eintragungsfrei zu halten
- Die Freiheit des Mandanten zu bewahren
a) Verwarnung mit Strafvorbehalt, §§ 59 ff. StGB
Eine Verurteilung zur Verwarnung mit Strafvorbehalt hat trotz Verurteilung die positive Folge, dass keine spürbare Strafe vorliegt.
Der Angeklagte wird unter Vorbehalt zu einer Geldstrafe verurteilt. Es wird eine Bewährungszeit festgesetzt, in derer der Angeklagte keine weiteren Straftaten mehr begehen darf.
Nur dann, wenn er dies nicht schafft und eine weitere Straftat begeht, muss er die im Urteil festgesetzte Geldstrafe bezahlen. Bleibt der Betroffene die gesamte Bewährungszeit straffrei, muss er keine Geldstrafe bezahlen.
Weiterer Vorteil: Eine Verurteilung zur Verwarnung mit Strafvorbehalt wird nicht ins Führungszeugnis eingetragen. Das heißt, der Betroffene gilt weiterhin als „nicht vorbestraft“ (§ 32 Abs 2 Nr. 1 BZRG).
b) Führungszeugnis sauber halten: Als „Nicht vorbestraft“ gelten
Kann eine Verurteilung zur Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht erreicht werden und muss sich auf eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe eingestellt werden, ist das Ziel der Strafverteidigung, dass der Mandant dennoch weiter als „nicht vorbestraft“ gilt.
Dies wird dadurch erreicht, indem das Führungszeugnis eintragungsfrei gehalten wird.
Hierzu gibt es klare Grenzen vom Gesetz:
- Wer erstmalig zu einer Geldstrafe von bis zu 90 Tagessätzen verurteilt wird, erhält keinen Eintrag ins Führungszeugnis (§ 32 Abs. 2 Nr. 5 a BZRG) und gilt weiterhin als „nicht vorbestraft“ (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG)
- Wer erstmalig zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Monaten verurteilt wird, erhält ebenfalls keinen Eintrag ins Führungszeugnis (§ 32 Abs. 2 Nr. 5 b BZRG) und kann sich ebenfalls als weiterhin „nicht vorbestraft“ bezeichnen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG)
c) Freiheit des Mandanten wahren: Kein Gefängnis
Liegt eine Beweislage vor, wonach mit keiner Geldstrafe, sondern ausschließlich mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen ist, ist es das Ziel der Strafverteidigung, die Freiheit des Mandanten zu bewahren: Stichwort Strafaussetzung zur Bewährung.
Auch hierzu hat das Gesetz klare Grenzen gesetzt:
- Der Vollzug einer Freiheitsstrafe kann nur bis zu einer Verurteilung von bis zu 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 56 Abs. 2 StGB).
Aus diesem Grund ist der Strafverteidiger darauf bedacht, so viele begünstigende Umstände für den Mandanten wie nur möglich in das Strafverfahren einzuführen, damit die magische Grenze von 2 Jahren nicht überschritten zu werden droht.
Warum einen Strafverteidiger beauftragen?
Mein Ziel war es, dass Sie sich an diesem Punkt erst gar nicht mehr die Frage stellen müssen, warum Sie einen Strafverteidiger beauftragen sollten.
Sie haben gesehen, wie vielfältig das Strafverfahren ist und wie viele unterschiedliche Möglichkeiten die Strafverteidigung hat, ein für den Betroffenen positives Ergebnis zu erreichen: sei es eine Verfahrenseinstellung, ein Freispruch oder auch nur die Bewahrung des Status` als „nicht vorbestraft“.
Je früher Sie sich entscheiden, einen Strafverteidiger mit ins Boot zu nehmen, desto besser sind die Chancen, dass dieser zu Ihren Gunsten auf das Strafverfahren Einfluss nimmt.
So setzt meine Strafverteidigung bereits im Ermittlungsverfahren an mit dem Ziel, das Strafverfahren gegen Sie zu Einstellung zu bringen und Ihnen und Ihrer Familie eine belastende, öffentliche Hauptverhandlung zu ersparen.
Dies kann ich aber nur dann versuchen zu erreichen, wenn Sie frühzeitig den Kontakt aufnehmen. Andernfalls muss und werde ich versuchen, dass für Sie bestmögliche Ergebnis im weiteren Verfahrensablauf zu erreichen.
Sie sind Beschuldigter einer Straftat? Bei Ihnen wurde durchsucht? Sie haben eine Anklage erhalten?
Rechtsanwalt Yannic Ippolito hat sich ausschließlich auf das Strafrecht spezialisiert und ist Lehrbeauftragter für Strafrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er verteidigt seine Mandanten in jeder Lage des Strafverfahrens und vor jedem Gericht. Schwerpunktmäßig in Nordrhein-Westfalen. Zu Festpreisen.
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