Schuster, bleib bei deinen Leisten

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Wie die Redensart ausdrückt, soll sich ein Fachmann um sein eigenes Fachgebiet kümmern und nicht versuchen, in anderen Gebieten glänzen zu wollen. Auch im Patentrecht stellt sich oft die Frage danach, welches Wissen ein Fachmann zu Rate ziehen würde, wenn es darum geht, die Patentfähigkeit von Erfindungen zu beurteilen. Im Prinzip gilt – wenn die anderen Voraussetzungen erfüllt sind – eine Erfindung als erfinderisch, wenn sie dem Fachmann aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt wird. Ein häufiger Streitpunkt ist dabei, ob ein Fachmann diese oder jene Schrift überhaupt verwenden oder miteinander kombinieren würde, wenn sie nicht in seinem Fachgebiet angesiedelt sind.

In der Entscheidung X ZR 119/14 hatte der Bundesgerichtshof nun eine leicht andere Art dieser Frage zu beurteilen. Im vorliegenden Fall ging es um die Konstruktion eines Sportschuhs. Im Jahre 2002 war ein europäisches Patent angemeldet und inzwischen auch erteilt worden. Gegen den deutschen Teil dieses Patent war nun Nichtigkeitsklage erhoben worden.

Zur Begründung dafür, dass die patentierten Schuhe nicht erfinderisch sind, hatte die Klägerin eine Kombination einer deutschen Schrift DE 1 084 173 (veröffentlicht 1954) und einer US-amerikanischen Veröffentlichung US 2,440,393 (veröffentlicht 1948) angeführt. Es stellte sich nun die Frage, ob ein Fachmann im Jahr 2002 so alte Dokumente, insbesondere die deutsche Schrift, als Ausgangspunkt für seine Überlegungen gewählt hätte.

Im Urteil wird daran erinnert, dass das Alter einer Veröffentlichung immer nur eines von mehreren in Frage kommenden Kriterien ist, um festzustellen, ob ein Fachmann eine bestimmte Schrift als Ausgangspunkt seiner Überlegungen nutzen würde. Andere Kriterien – wie beispielsweise Entwicklungszyklen der Branche, Abhängigkeit von außertechnischen Faktoren oder Trends – sind auch zu berücksichtigen. Es reicht nicht aus, dass die alte Schrift einfach nur die meisten Elemente der Erfindung bereits offenbart. Ist die Übereinstimmung wesentlicher Elemente zwischen der Veröffentlichung und der Erfindung allerdings sehr groß, bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung, warum der Fachmann das Dokument nicht in Betracht gezogen hätte. 

Im Urteil weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass im vorliegenden Fall neben den langen Innovationszyklen auch das aktuell als Trend zu erkennende „Retrodesign“ es begünstigen, dass der Fachmann auch sehr alte Schriften in Betracht zieht. Das Patent wurde konsequenterweise für nichtig erklärt.

Schlussfolgerungen

Das Urteil zeigt, dass das reine Alter einer Veröffentlichung nicht prinzipiell gegen eine Berücksichtigung spricht. Ansonsten bestünde auch die Gefahr, dass Patente für lediglich „wiederentdeckte“ Erfindungen erteilt würden. Ohne gute Gründe wird auch ein sehr altes Dokument immer relevant sein. 

Allerdings sind gerade alte Dokumente häufig nur unzureichend recherchierbar. Eine gute Recherche – am besten vor der Anmeldung – ist daher auf jeden Fall zu empfehlen, insbesondere in technischen Gebieten, welche schon auf eine sehr lange Tradition zurückblicken.

Für weitere Fragen zu Patenten, Marken, Designs und Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes steht die Kanzlei Patentanwälte Gierlich & Pischitzis Partnerschaft mbB gerne zu Ihrer Verfügung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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