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„Sparwunder Tarif“: Einstweilige Verfügung gegen Wunderwerk AG vom Landgericht Hamburg

  • 5 Minuten Lesezeit

Seit der Liberalisierung des Energiemarktes vor rund 20 Jahren ist der deutsche Stromkunde hart umkämpft. Zahlreiche Anbieter, welche größtenteils in der Realität Vermittler sind, buhlen um seine Gunst. 

Dabei sind viele der oftmals flugs gegründeten neuen Energieversorgungsunternehmen (abgekürzt EVU, kurz: Energieversorger) nach nicht allzu langer Zeit wieder vom Markt verschwunden. Erst nach einigen Jahren trennt sich die Spreu vom Weizen.

Die Gründe für die Schnelllebigkeit der Branche sind vielschichtig: Obwohl die Mehrheit der neuen EVUs seriös und nachhaltig am Markt agiert und im Sinne der Verbraucher oder Geschäftskunden attraktive Tarife rund um Strom und Gas anbietet, gibt es doch immer wieder Unternehmen, welche mit eher unseriösem Geschäftsgebaren auffallen.

Letztere versuchen sich auf dem Markt mit unlauteren Methoden zu etablieren und den Kunden mit irreführenden Angabenkauf sich aufmerksam zu machen. 

Dabei sticht in letzter Zeit die Firma Wunderwerk AG des Gründers Samuel Schmidt auf Vergleichsportalen wie Verivox besonders hervor. So wirbt dieses Unternehmen um Kunden mit einem Tarif „Sparwunder“ und spricht von einer „Treueprämie“ in Höhe von jährlich bis zu 320 €. Bejubeln tut Wunderwerk diesen Stromtarif dann noch mit der vollmundigen Behauptung: „Jedes Jahr sparen – Nie mehr wechseln – Gutes tun“. 

Steuersparmodell – alles andere als ein Wunder

Wie geht das? Fakt ist: Das Landgericht Hamburg hat bei Wunderwerk (nicht zu verwechseln mit ähnlich benannten Unternehmen oder Organisationen) genauer hingeschaut und festgestellt, dass jener von der Wunderwerk AG groß inszenierte Wunderwerk Stromtarif auf ein altbekanntes Steuersparmodell zurückgreift und somit andere als ein Wunder darstellt. 

Das von Wunderwerk angepriesene Sparmodell ist im Prinzip nämlich so gestrickt, dass es sich bei der dem Kunden versprochenen „Treue-Prämie“ in Wirklichkeit nur um eine Ersparnis bei der Lohnabrechnung in Form eines lohnsteuer- und sozialversicherungsfreien Sachbezugs handelt. 

  • Es geht also um § 8 des Einkommenssteuergesetzes, der diesen begünstigten Sachbezug, den der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer gewähren kann – aber natürlich nicht muss –, regelt. 
  • Und: Nur ein geringer Teil der Bevölkerung – nämlich eben ausschließlich Arbeitnehmer – können entsprechend der Gesetzeslage bei gutem Willen ihres Arbeitgebers nach einer Änderung des Arbeitsvertrags und unter monatlicher Neuberechnung eventuell bis zu 44,00 € pro Monat sparen, dieses Geld also per Lohnabrechnung bekommen. 

Das geht jedoch rein theoretisch aber bei jedem Energieanbieter oder auch sonstigen Unternehmen. 

Theoretisch geht das bei jedem Energieanbieter oder Unternehmen

Auch ob dies steuerlich funktioniert, hängt dann noch von vielen weiteren Faktoren ab:

  1. dem eigenen Brutto-Gehalt,
  2. der eigenen Lohnsteuerklasse,
  3. den bereits in Anspruch genommenen Freibeträgen
  4. oder davon, ob und inwieweit die Freigrenze für Sachbezüge bereits verbraucht ist. 

Hierin besteht also nun das „Sparwunder“, ein normaler Stromtarif, der durch eine staatliche Subvention billiger werden kann. Offensichtlich ist dabei aber, dass das angebliche „Sparwunder“ wohl eher darin besteht:

  1. Dass es Wunderwerk schafft, die Kunden bei diesem Tarif ohne die Gewährung der branchenüblichen Boni für Neukunden (Sofortbonus, Jahresbonus) zu gewinnen;
  2. Wunderwerk dem Verbraucher einen ganz normalen Stromtarif verkauft;
  3. der mögliche monatliche Sparbetrag von bis zu 44 Euro, so stellt es sich die Wunderwerk AG letztlich offensichtlich vor, – richtig! – an die Wunderwerk AG wandert. 

Man kann hier also durchaus der Meinung sein: Der eigentliche Gewinner oder „Sparer“ ist hier Wunderwerk selber und weniger der Kunde oder sein Arbeitgeber. 

Klappt der angebliche Spartrick über den Arbeitgeber nicht, auch gut – jedenfalls für Wunderwerk, denn: 

„In keinem Fall übernimmt die Wunderwerk AG Gewähr oder Haftung dafür, dass eine Steuerersparnis in Ihrem Fall realisiert werden kann“, führt Wunderwerk für seinen Wunderwerk Strom aus.

Wo bleibt das Positive? Gibt es auch, denn der Tarif ist monatlich kündbar. Allerdings gibt es dann auch eventuell nichts für die sozialen Einrichtungen. Wir erinnern uns: Man tue mit Wunderwerk Strom auch Gutes, behauptet jedenfalls das erst seit wenigen Monaten aktive Unternehmen.

Die Geschichte mit den sozialen Einrichtungen und Wunderwerk

Warum tut ein Wunderwerk-Kunde aber bei Kündigung des Energievertrages vor Ablauf der ersten sechs Monate dann in Wirklichkeit doch nichts Gutes? Ganz einfach: Die sozialen Einrichtungen, so sehen dies die AGB vor, erhalten überhaupt erst nach den ersten 6 Monaten Vertragslaufzeit die zugesagte Spende. 

Klar: Eine steuerlich für den Kunden günstige, da absetzbare, Spendenbescheinigung gibt es auch nicht. Das ist blöd: Würden sie das Geld nämlich direkt spenden, könnten sie einen Teil des gespendeten Betrages mit der Steuererklärung ein Jahr später wieder zurückholen.

Als neuer Energievermittler, beziehungsweise eben Energieversorgungsunternehmen, ist es sicherlich schwierig, einen derartig komplizierten Stromtarif so zu beschreiben, dass der Kunde gänzlich durchblickt. Das gilt auch für Wunderwerk.

Selbst als Anwalt muss man mehrere Paragraphen wälzen und die AGB studieren, ehe das angebliche versprochen Sparwunder entzaubert wird.

Irreführung beim Wunderwerk Stromtarif

Das Landgericht Hamburg stellte jedenfalls kürzlich in einer einstweiligen Verfügung fest, dass große Teile der Werbung der Wunderwerk AG von Samuel Schmidt irreführend seien. Grund: 

  • Da die Werbeversprechen des Wunderwerk Energieangebots einen von allen Verbrauchern nutzbaren besonders günstigen Tarif suggeriere. 
  • In Wirklichkeit sei das aber nicht so, da die versprochene Ersparnis tatsächlich aus Steuervorteilen resultiere, welche nur abhängig Beschäftigte bei Mitwirkung Ihres Arbeitgebers erzielen könnten.
  • Die diesbezüglich aufklärenden Hinweise des Unternehmens Wunderwerk seien aber nicht in der notwendigen Form mit der streitigen Werbung verknüpft gewesen, stellte der Richter in seinem Beschluss fest.

Die Wunderwerk AG hat diese einstweilige Verfügung, welche wir im Auftrag einer Mandantin durchgesetzt haben, als endgültige Regelung akzeptiert. 

Schaut man sich die aktuelle Homepage der Firma an, so wird weiterhin versucht, den vom Landgericht Hamburg in seiner bisherigen Darstellung kritisierten „Tarif“ an den Kunden zu bringen. 

Samuel Schmidt, der Vorstand von Wunderwerk, erklärte gegenüber einem Onlineportal Mitte April 2018 zum damaligen Stand seines Unternehmens:

  • „Seit seinem operativen Start im Februar habe das Unternehmen etwa 3.000 Kunden gewonnen, allerdings sei „nur eine dreistellige Zahl tatsächlich im neuen Steuertarif.“

Fazit: Wahrscheinlich durchschauen die Kunden des neuen Energievermittlers oder deren Arbeitgeber, dass der eigentliche echte Gewinner des von Wunderwerk als angeblichen Spar- und Spendentarif angepriesenen „Tarifs“ vor allem die Wunderwerk AG selber ist.

Kunden, die diesen konkreten Tarif wählen, sollten vor Abschluss des Vertrages mit Ihrem Arbeitgeber sprechen, ob dieser überhaupt bereit ist, so einen Sachbezug zu gewähren. In der Regel wird es für den Kunden jedoch lukrativer und leichter sein, einfach einen günstigen Anbieter/Tarif (das bietet auch Wunderwerk) mit einem Sofort- und Jahresbonus zu wählen und den Markt im Auge zu behalten.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten Gewerblicher Rechtsschutz, Steuerrecht, Wettbewerbsrecht

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