Steuerhinterziehung: Führt BGH-Urteil zur 50.000-Euro-Grenze zu höheren Strafen?

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Die Steueranwälte von LHP weisen auf die aktuelle Diskussion zu verschärften Strafen bei der Steuerhinterziehung hin. Anlass war ein Urteil des BGH v. 27.10.2015.

Eine Hinterziehung in einem besonders schweren Fall gemäß § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO liegt bereits bei Überschreiten der Schwelle von 50.000 Euro vor (so der BGH in seinem Urteil v. 27.10.2015, 1 StR 373). Bedeutung hat dies für die richtige Wahl des Strafrahmens. Das Strafgericht wählt dann die Strafe aus einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (statt bei der einfachen Steuerhinterziehung von bis zu fünf Jahren).

Welche Konsequenz hat das BGH-Urteil v. 27.10.2015 für die konkrete Strafe?

In der Praxis besteht die Frage, ob sich durch diese verschärfende Rechtsprechung automatisch höhere Strafen ergeben. Der BGH hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass ab einem Hinterziehungsvolumen von mehr als 50.000 Euro bzw. 100.000 Euro je nach den Einzelumständen statt einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe in Betracht kommt (BGH v. 02.12.2008, 1 StR 416/08). Insofern ist zunächst wichtig zu sehen, dass der BGH nie starre Grenzen aufgestellt hat, sondern im Einzelfall eine Gesamtbetrachtung verlangt. Freiheitsstrafen werden bei Ersttätern zudem oft zur Bewährung ausgesetzt. Daher hat das BGH-Urteil v. 27.10.2015 nach zutreffender Ansicht keine automatische – zwangsläufige – Auswirkung auf die Höhe der Strafe. Grundlage der Strafe bleibt auch weiterhin die persönliche Schuld des Täters im Einzelfall (§ 46 StGB). Das BGH-Urteil v. 27.10.2015 betrifft den Strafrahmen (bis zu 10 Jahre statt bis zu 5 Jahre), nicht jedoch die Strafzumessungskriterien. In seinem Urteil v. 27.10.2015 hat der BGH sich nicht dazu geäußert, ob seine Aussage aus 2008, dass eine Freiheitsstrafe (ggf. ausgesetzt zur Bewährung) jedenfalls ab einem sechsstelligen Betrag möglich ist, nun hinfällig ist. Das war nicht Gegenstand des BGH-Urteils v. 27.10.2015. Es ist abzuwarten, ob der BGH die Grenzen aus 2008 ausdrücklich neu justiert.

Keine automatisch höheren Strafen

Die neue Rechtsprechung führt somit nicht automatisch zu Freiheitsstrafen ab Überschreiten der Schwelle von 50.000 Euro. Zudem hat die Erfüllung des Merkmals des „großen Ausmaßes“ nur eine Indizwirkung, die im Einzelfall widerlegt werden kann. Die weitere Rechtsprechung bleibt jedoch abzuwarten.

Aber Achtung in der Praxis

Es gibt aber nur scheinbar Entwarnung. Denn in der Praxis können Staatsanwälte und Richter durchaus andere Sichtweisen vertreten. Auch der psychologische Faktor sollte nicht verkannt werden: Wenn ein Staatsanwalt eine Hinterziehung in einem besonders schweren Fall anklagt, so schwingt dort natürlich ein besonderer Vorwurf mit. Zudem könnten manche Strafrichter geneigt sein, z. B. „mittelschwere“ Fälle zunächst auch eher in der Mitte des Strafrahmens anzusiedeln. Hierbei wäre schon fraglich, was „mittelschwer“ bedeutet. Auch wäre eine solche Vorgehensweise m.E. zu pauschal und daher unzulässig.

Fazit der Steueranwälte von LHP

Die Strafverteidigung steht somit bei Steuerstrafverfahren erneut vor neuen Herausforderungen.

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RA Dirk Beyer

Fachanwalt für Steuerrecht

LHP Rechtsanwälte


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