Strafrechtliche Haftung des faktischen Geschäftsführers

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BGH: Zu den Anforderungen an eine faktische Geschäftsführung

Insbesondere in mittelständischen Gesellschaften, aber teilweise auch in Konzernstrukturen kommt es vor, dass die faktische Entscheidungsfindung und Leitung des Unternehmens nicht von den bestellten Organen, sondern von Dritten - meist Gesellschaftern oder Investoren - getroffen und umgesetzt werden und das Unternehmen somit faktisch von diesen geführt wird. Kommt es hierdurch zu einer Vermögensminderung der Gesellschaft, stellt sich zivilrechtlich die Frage, inwieweit der Hintermann gegenüber der Gesellschaft auf Schadenersatz haftet. Aber die zivilrechtliche Haftung ist nicht die einzig mögliche Folge des Schadens. Sofern ein vorsätzliches Verhalten in Betracht kommt, kann die Unternehmensleitung durch einen Dritten auch als Untreue nach § 266 StGB strafrechtlich verfolgt und sanktioniert werden. Voraussetzung ist dafür nur, dass der Dritte als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist und ihm damit auch eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft zukommt.

Zu den Anforderungen für die Annahme an eine faktische Geschäftsführung konnte der BGH vor kurzem in einem Strafverfahren Stellung nehmen (Beschluss vom 13.12.2012, 5 StR 407/12).

Sachverhalt

Der Angeklagte hatte die S-Immobiliengruppe errichtete, die sich mit der Sanierung und Vermarktung von Immobilien beschäftigte. Er selbst fungierte als Geschäftsführer der V-GmbH, die Komplementärin von mehreren Bauherren-KGs war. Die Bauherren-KGs beauftragten die A-GmbH als Generalunternehmerin mit der Erbringung diverser Werkleistungen, die wiederum kleinere Generalunternehmer oder Subunternehmer beauftragte. Die Bauvorhaben wurden durch Bankdarlehen finanziert, die nach Einreichung von Abschlagsrechnungen direkt an die A-GmbH ausgezahlt wurden. Nach Auszahlung der Darlehen stornierte die A-GmbH durch ihre bestellte Geschäftsführerin ohne Rechtsgrund eine Reihe von Rechnungen und zahlte die hierfür erhaltenen Darlehensbeträge an die A-GmbH aus. Dies geschah in dem Bewusstsein, dass die stornierten Beträge in Zukunft nicht ausgeglichen würden und dass damit praktisch auf sie verzichtet wird. Dies Vorgehen entsprach nach den Feststellungen des Landgerichts dem gemeinsamen Tatplan der Geschäftsführerin mit dem Angeklagten. Die A-GmbH geriet damit in Liquiditätsschwierigkeiten und letztlich in die Insolvenz.

Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten wegen Untreue zu Lasten der A-GmbH zu zwei Jahren auf Bewährung, da es davon ausging, dass er als faktischer Geschäftsführer fungiert und damit eine Vermögensbetreuungspflicht inne gehabt habe.

Entscheidung

Der BGH hob auf die Revision des Angeklagten die Entscheidung auf und verwies sie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Berlin zurück, da er aufgrund der Feststellungen in der schriftlichen Urteilsbegründung eine faktische Geschäftsführung nicht erkennen konnte.

Der erkennende Senat führte dabei aus, dass faktischer Geschäftsführer ist, wer die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest ein deutliches Übergewicht hat. Zwar sah der Senat, dass der Angeklagte erheblichen Einfluss in der A-GmbH hatte, da die Geschäftsführerin kaum eigene Entscheidungen fällte, nach Ansicht des Senats müssen aber hierzu noch Befugnisse treten, wie sie für ein Organ gerade typisch sind. Indizien hierfür seien z.B. die Einräumung einer Bankvollmacht oder die Wahrnehmung von organtypischen Pflichten durch Auftreten gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Finanzamt.

Fazit

Der Beschluss zeigt die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien nachvollziehbar auf. Letztlich steht die Frage, ob eine faktische Geschäftsführung vorliegt, im Spannungsfeld zwischen der berechtigten Wahrnehmung der eigenen wirtschaftlichen Interessen des Dritten - die von der Rechtsordnung gebilligt wird - und der Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht. Es ist einsichtig, dass nicht jede faktische Möglichkeit, auf die Entscheidung der Organe auch zu eigenem Nutzen Einfluss zu nehmen, ausreichen kann, um eine strafbewehrte Vermögensbetreuungspflicht zu begründen. Zu verlangen ist vielmehr, dass der Dritte wie ein Geschäftsführer für das Unternehmen mit Einverständnis der Gesellschafter tätig wird.

In der Praxis kommt dies allerdings häufig vor, z. B. wenn nach einer Insolvenz des Ehemanns die Ehefrau die Gesellschaft gründet und als Geschäftsführerin fungiert, während der Ehemann tatsächlich das Unternehmen leitet. Auch erfüllen Strohmannkonstruktionen und Treuhandkonstruktionen häufig die Voraussetzungen.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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