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Dürfen Bordelle in Bayern wieder öffnen?

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Nachdem das Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bereits klargestellt hatte, dass sexuelle Dienstleistungen außerhalb von Bordellbetrieben (Haus- und Hotelbesuche von Prostituierten, Wohnungsprostitution) in Bayern zulässig sind und auch Tantra-bzw. Erotik-Massage-Studios unter Umständen wieder öffnen dürfen, können wohl auch Bordelle bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in Bayern unter Umständen wieder geöffnet werden. 

Gemäß § 11 Abs. 5 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung
(6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020, zuletzt geändert am 14.07.20 müssen Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen bis zum 2. August geschlossen bleiben. 

Der Kollege RA Michael Karthal, der den Betreiber einer Prostitutionsstätte in den Verfahren 20 NE 20.1531 (Eilverfahren) und 20 N 20.1532 (Hauptsacheverfahren) vertritt, hat zu diesen Verfahren dankbarerweise folgende Informationen bereit gestellt:

Das Gericht hat im Verfahren eine Anfrage an das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gestellt, wie "der Begriff des „Bordellbetriebs“ i.S.d. § 11 Abs. 5 6. BayIfSMV allgemein und im Verhältnis zum Begriff der „Prostitutionsstätte“ i.S.d. § 2 Abs. 4, § 18 ProstSchG zu verstehen ist, welche Freizeiteinrichtungen als den Bordellbetrieben vergleichbar angesehen werden und auf welchen tatsächlichen Umständen die „generalisierende, typisierende und pauschalierende“ ... Annahme beruht, dass innerhalb von Bordellbetrieben eine deutlich größere Frequenz an infektiologisch relevanten Kontakten stattfindet, als bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen außerhalb solcher Betriebe.“

Hierzu erfolgt eine Stellungnahme, aus der sich ergibt, dass mit dem Begriff „Bordellbetriebe" nur solche Einrichtungen gemeint sind, die nicht nur von einer Prostituierten, sondern von zahlreichen Prostituierten (mindestens zwei Prostituierten) und Freiern (gleichzeitig) genutzt werden können. Dort komme es typischerweise zu vermehrten Kontakten, welche zu unterbinden seien.

In einem Hinweisbeschluss vom 15. Juli 2020 führte das Gericht dazu folgendes aus:

„Nach dem systematischen Regelungszusammenhang in § 11 Abs. 5 6. BaylfSMV von Bordellbetrieben mit „Clubs" und „Diskotheken" sowie den Ausführungen des Antragsgegners ... dürfte der Regelungszweck der angegriffenen Bestimmung maßgeblich darin bestehen, den besonderen Infektionsgefahren aus dem „persönlichen Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen" entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund erscheint nach vorläufiger Einschätzung des Senats zweifelhaft, ob die von der Antragstellerin betriebene Prostitutionsstätte, bei der nach dem insoweit maßgeblichen Betriebskonzept i.S.v. § 16 ProstSchG ein solches Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen wohl weder vorgesehen noch möglich ist, überhaupt unter den Begriff des „Bordellbetriebs" fällt.“

Hieraus könnte sich ergeben, dass Bordellbetriebe in Bayern dann öffnen können, wenn ein „persönliches Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen" ausgeschlossen werden kann. Dies könnte beispielsweise durch Terminsvergaben und das Verbot des Betretens eines Betriebes für "Laufkundschaft" geregelt werden. Eine generelle Öffnungsmöglichkeit aller Bordellbetriebe in Bayern ergibt sich aus dem Verfahren nicht, eine Betrachtung des Einzelfalls bzw. die Erstellung eines geeigneten Konzepts ist notwendig.

Jedenfalls ist Bayern ist damit das erste Bundesland, in dem ein Gericht die Wiedereröffnung einer Prostitutionsstätte nicht per se ausschließt. 

Allerdings ist in Bayern das Infektionsgeschehen im Vergleich zu den anderen Bundesländern nicht signifikant niedriger. Bei bundesweit insgesamt ca. 200.000 gemeldeten Infektionen fielen etwa ein Viertel auf das Bundesland Bayern. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland auch aktuell noch als insgesamt hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch. 

Andererseits war Bayern bereits in Bezug auf Prostitution an sich sowie die Öffnung von Tantra- bzw Erotik-Massage-Studios einen Sonderweg gegangen. 

Wie eine telefonische Anfrage bei Erlaubnisbehörden in Bayern ergab, sehen die Behörden allerdings noch keinen Anlass, eigenmächtige Wiedereröffnungen durch Betreiber zu akzeptieren. Dies gilt jedenfalls für Hof, Nürnberg und München. Insoweit könnte es für betroffene Betreiber sinnvoll sein, selbst den Rechtsweg zu beschreiten. 

Es bleibt weiterhin abzuwarten, ob das Verfahren für dem Bayrischen VGH eine Signalwirkung auf andere Bundesländer hat. Der Verfasser führt aktuell noch Eilverfahren in Hamburg und Nordrhein-Westfalen, die demnächst zur Entscheidung anstehen. 








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