Teilen – Liken – Kommentieren – Haftung für den Verweis auf Facebookeinträge Dritter

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1. Zusammenfassung – Haftung für Link, Like, Teilen und Kommentieren

Vor wenigen Monaten hat die Rechtsprechung in Gestalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mit der Entscheidung vom 08.09.2016 (Az. C-160/15 – „GS Media“) und im Anschluss das Landgericht Hamburg mit der Entscheidung vom 18.11.2016Az. 310 O 402/16 die Haftung für die Linksetzung auf fremde Inhalte und Internetseiten verschärft. Wir haben darüber in unserem Blog unter www.bielefelder-rechtsanwälte.de berichtet und angekündigt, dass dies der Beginn der Haftung für Verlinkung und ähnliche Handlungen auch im Bereich privater Handlungen sein könnte. Dies bestätigt sich jetzt für das „Liken“ und das „Kommentieren“ auf Social-Media-Plattformen. Das OLG Dresden hat in einem Urteil nunmehr entschieden, dass ein Nutzer für die „Empfehlung“ des Lesens und für das „Liken“ haftet. Das „Teilen“ dagegen sieht das OLG Dresden als nicht haftungsrelevant an, es sei denn, es wird zusätzlich (zustimmend) kommentiert. Die oberflächliche Argumentation überzeugt allerdings nicht, es ist zu befürchten, dass auch das bloße „Teilen“ zukünftig von anderen Gerichten anders als beim OLG Dresden als haftungsrelevant angesehen wird. Grundlage der Haftung des auf fremde Inhalte Verweisenden ist in dieser Entscheidung das „Zu-Eigen-Machen“ des Inhaltes, der in Bezug genommen wird. Warum im „Liken“ ein „Zu-eigen-machen“ liegen soll, im unkommentierten „Teilen“ dagegen nicht, erklärt das OLG Dresden nur oberflächlich.                                                                 

2. Der Fall – Persönlichkeitsrecht

Der zugrundeliegende Sachverhalt ist relativ kompliziert, sodass von einer Darstellung hier abgesehen wird. Im Kern geht es um vermeintlich persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen im Internet, die „geteilt“ wurden, wobei der Autor zusätzlich eine kurze Kommentierung vornahm. Das OLG Dresden verneinte eine Verletzung im Ergebnis, führte aber sehr weitgehend zur Frage aus, an welcher Stelle eine Haftung bestehen soll und wo nicht.

3. Haftungsunterscheidung nach „Teilen“, „Liken“ und „Kommentieren“

Interessant ist dabei, was das OLG Dresden in Bezug auf die Haftung für bezugnehmende Handlungen auf social media Plattformen ausführt und wo es konkrete Unterscheidungen sieht. In der Entscheidung vom 07.02.2017, AZ: 4 U 1419/16 weist das Gericht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zwar den Anspruch des Klägers zurück, äußert sich aber umfänglich zur Frage der Haftung für das „Liken“ „Teilen“ und „Kommentieren“ auf Facebook.

Der Beklagte hat im zugrundeliegenden Fall eine Äußerung eines Dritten geteilt und darüber hinaus kommentiert. Wörtlich hat er kommentiert, der in Bezug genommene Artikel eines Schriftstellers sei „zu erwägenswert, um ihn zu unterschlagen“. Das OLG Dresden differenziert bei der Frage, wofür eine Haftung bestehen soll, nach „Teilen“, „Liken“ („Gefällt mir“) und „Kommentieren“

a) Kein Zu-Eigen-Machen durch „Teilen“ aber durch „Liken“ („Gefällt mir“)

Das OLG Dresden hält das bloße „Teilen“ nicht für ausreichend, um ein „Zu-eigen-machen“ des in Bezug genommenen Inhaltes durch den Teilenden anzunehmen. Eine Haftung für rechtsverletzende Handlungen des „Teilenden“ für den Inhalt des geteilten Artikels sieht das OLG also insoweit (noch) nicht.

Wörtlich führt das OLG aus:

„Anders als das Landgericht geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger die in dem als Anlage AG 2 vorgelegten Beitrag des Schriftstellers K. enthaltenen Äußerungen zu Eigen gemacht hat. Dies setzt voraus, dass die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint (BGH AfP 2010, 72; WRP 2009, 1262). Auch undistanziert wiedergegebene Äußerungen Dritter können dem Verbreiter zugerechnet werden, wenn er sie sich in diesem Sinne zu Eigen gemacht hat (BGH AfP 2010, 72; BGHZ 132, 13ff.). Um die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit nicht über Gebühr zu beeinträchtigen, ist bei der Annahme einer solchen Zueignung jedoch Zurückhaltung geboten. Abzulehnen ist sie etwa beim Abdruck einer Presseschau (vgl. BVerfG WM 2009, 1706) oder bei der Veröffentlichung eines klassisch in Frage und Antwort gegliederten Interviews (vgl. BGHZ 132, 13ff; LG Düsseldorf, AfP 1999, 518). Ein solches Zu-Eigenmachen ist hier allerdings noch nicht daraus abzuleiten, dass der Kläger den Beitrag des Schriftstellers K. bei X. geteilt hat. Bei der Funktion „Teilen“ handelt es sich um eine auf der Plattform bestehende Möglichkeit, auf private Inhalte anderer Nutzer hinzuweisen, ohne dass hiermit zugleich eine Bewertung verbunden wird. Regelmäßig wird diese Funktion von den Nutzern dazu verwendet, Inhalte schnell „viral“ weiterzuverbreiten. Anders als bei der Funktion „gefällt mir“ (vgl. hierzu z. B. Bauer, Kündigung wegen beleidigender Äußerungen auf X., NZA 2013, 67, 71) ist dem „Teilen“ für sich genommen keine über die Verbreitung des Postings hinausgehende Bedeutung zuzumessen (OLG Frankfurt, Urteil vom 26. November 2015 – 16 U 64/15 –, juris).“ 

Das Gericht erkennt also sehr wohl, dass mit der Art des „Teilens“ eine virale Funktion und Verbreitung einhergeht. Was dabei auffällt ist, dass der logisch naheliegende Schluss, dass dieses Teilen gerade auf diese bewusste und gewollte Verbreitung abzielt und damit geradezu denknotwendig ein „Zu-eigen-machen“ vorliegt. Das mag dann anders sein, wenn mit dem „Teilen“ gerade eine negative inhaltliche Kommentierung einhergeht. Dann liegt das Gegenteil des „Zu-eigen-machens“, nämlich die inhaltlich negative Auseinandersetzung mit dem Inhalt vor. Warum aber das bloße „Teilen“ ohne Kommentierung nicht bereits als inhaltlich zustimmend anzusehen ist, erklärt das Gericht nicht. Das überzeugt nicht. Schon von der Wirkung her, noch mehr aber aus Sicht des Lesers des bloß geteilten Artikels dürfte kein Zweifel vorliegen, dass der „Teilende“ den Inhalt im Sinne der eigenen Meinung weiterverbreiten will. Das dürfte nichts anderes als das vom Gericht zitierte „undistanzierte wiedergeben von Äußerungen Dritter“ sein.

Gleichzeitig stellt das Gericht quasi nur in einem Nebensatz („Anders als bei der Funktion „Gefällt mir“…….“) fest, dass es in der Funktion „Gefällt mir“ ein inhaltliches „Zu-Eigen-Machen“ sieht. Dem ist zuzustimmen. Wie sollte mehr eine inhaltliche Übernahme in die eigene Meinung dokumentiert werden, als durch ein zustimmendes „Gefällt mir“?

b) „Zu-Eigen-Machen“ durch „Teilen“ und Kommentieren

Damit endet die Prüfung des Gerichtes jedoch nicht. Vielmehr stellt das OLG nun auf die gleichzeitige Kommentierung des Teilenden ab.

Der Teilende hat folgenden Kommentar abgegeben:

„die Seite des Schriftstellers K. ist zu erwägenswert, um ihn zu unterschlagen“

Das Gericht hält diese Art der Kommentierung für ausreichend, um eine inhaltliche Übernahme der Sachaussagen auf der Seite anzunehmen:

„Durch den unstreitigen Hinweis, die Seite des Schriftstellers K. sei „zu erwägenswert, um ihn zu unterschlagen“, hat der Kläger jedoch zugleich eine dringliche Leseempfehlung ausgesprochen. Der durchschnittliche Empfänger des geteilten Beitrages, der den Kläger und dessen Positionen kennt, kann diese Empfehlung nur als inhaltliche Identifikation mit den geteilten Positionen verstehen. Die entgegenstehende Annahme des Landgerichts, der Zusatz drücke lediglich aus, dass der Kläger dem Artikel eine gewisse Bedeutung beimesse, überzeugt nicht. Die Bewertung der dort enthaltenen Inhalte als „zu erwägenswert“ macht vielmehr deutlich, dass der Kläger sich mit diesen inhaltlich ernsthaft auseinandergesetzt, sie mit seinen eigenen Positionen abgeglichen und im Ergebnis dieser Auseinandersetzung als so gewichtig angesehen hat, dass er sich moralisch verpflichtet fühlte, den Artikel auch seinen „X.-Freunden“ zur Verfügung zu stellen. Eine wie auch immer geartete Distanz zu den unter der Rubrik „Allerlei“ veröffentlichten Texten ist hingegen nicht zu erkennen.“

Hier bleibt das OLG eine nachvollziehbare Begründung schuldig. Der Kommentar, eine Meinung oder Seite sei „erwägenswert“, erscheint eher als Einschränkung einer inhaltlichen Übernahme als eigene Aussage. Das „Teilen“ alleine ohne Kommentierung dürfte den meisten Lesern eher als stärkere inhaltliche Übernahme erscheinen, als wenn der geteilte Inhalt als „erwägenswert“ gekennzeichnet wird. Dies hat das Landgericht – meines Erachtens völlig zu Recht – anders als das Oberlandesgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung ebenfalls so gesehen

Zusammengefasst meint demgemäß das OLG Dresden, dass bloßes „Teilen“ keine inhaltliche Aussage und damit kein „Zu-Eigen-Machen“ durch den Teilenden beinhalte, dagegen das „Liken“ stets eine inhaltliche Übernahme der Sachaussage darstellt und bei Teilen mit einem „positiven“ (selbst einem eingeschränkt positiven) Kommentar ebenfalls ein „Zu-Eigen-machen“ anzunehmen ist.

Ob andere Gerichte diese wenig nachvollziehbaren Differenzierungen zukünftig mitgehen werden, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls aber ist zu befürchten, dass der jetzt seit etwa 6 Monaten beschrittene Weg der Haftung für die Verlinkung und das in – Bezug – Nehmen fremder Inhalte zukünftig noch weit stärker in den Focus von Abmahnern und Gerichten rücken wird. Das gilt sowohl für das Äußerungsrecht als auch die anderen Schutzrechte wie das Urheberrecht und das Markenrecht.

Dabei ist der Argumentation in alle Richtungen Tür und Tor geöffnet, was das Urteil des OLG Dresden zeigt. Lässt sich zwar vielleicht noch im Rahmen einer Abstufung nachvollziehen, dass „gefällt mir“ mehr inhaltliche Zustimmung als bloßes „Teilen“ ist, erscheint die Herleitung der Haftung aus der eher einschränkenden Kommentierung höchst fragwürdig. Das Problem sind derzeit fehlende klare Anhaltspunkte der Rechtsprechung, sodass auch zukünftig damit zu rechnen ist, dass der Ausgang solcher Verfahren schwierig vorherzusehen ist. Das bringt mit sich, dass auch Privatpersonen zukünftig deutlich vorsichtiger mit den Funktionen des „Liken“, „Teilen“ und „Kommentieren“ umgehen sollten. Ansonsten drohen unschöne Überraschungen in Form von Abmahnungen.

Wir vertreten als erfahrene Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz, Urheber – und Medienrecht bundesweit mit dem Schwerpunkt Ostwestfalen (Bielefeld, Detmold, Gütersloh, Herford, Paderborn, Rheda – Wiedenbrück, Rietberg, Verl) Unternehmen und Privatpersonen bei der Anmeldung und Durchsetzung von Marken, Urheberrechten, Persönlichkeitsrechten und Vermeidung negativer Bewertungen und Berichterstattungen ebenso wie Medienunternehmen, Händler, Produzenten, Behörden und Privatpersonen bei der Abwehr von unberechtigten Abmahnungen und Gerichtsverfahren.

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Volker Küpperbusch

Rechtsanwalt und Notar

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Dr. Stracke, Bubenzer & Partner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB



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