Überlassungsvertrag: Warum er Ihre Immobilie oft NICHT schützt!
- 8 Minuten Lesezeit
Schützt ein Überlassungsvertrag Ihre Immobilie wirklich vor Pflichtteil, Sozialamt oder Gläubigern? Erfahren Sie die Wahrheit über Risiken & Fallstricke im Erbrecht.
Die Wahrheit über Risiken & teure Fehler im Erbrecht.
Der Wunsch, die eigene Immobilie für die nächste Generation zu sichern, Streitigkeiten unter Erben vorzubeugen oder die eigene Altersversorgung zu gestalten, führt viele Immobilieneigentümer in Deutschland zum Überlassungsvertrag.
Dieses Instrument der vorweggenommenen Erbfolge, bei dem Vermögen – meist das Familienheim – schon zu Lebzeiten an Kinder oder andere nahestehende Personen übertragen wird, ist weit verbreitet und erscheint oft als die ideale Lösung. Doch die Annahme, ein einmal geschlossener Überlassungsvertrag biete einen umfassenden und unumstößlichen Schutz für die Immobilie, ist ein gefährlicher Trugschluss.
Zahlreiche Risiken und Fallstricke können diesen vermeintlichen Schutz zunichtemachen.
Dieser Artikel beleuchtet, warum Ihr Überlassungsvertrag Ihre Immobilie möglicherweise nicht so schützt, wie Sie es sich erhoffen.
Was ist ein Überlassungsvertrag und warum ist er so beliebt?
Ein Überlassungsvertrag (auch Schenkungsvertrag oder Vertrag zur vorweggenommenen Erbfolge genannt) ist eine notariell beurkundete Vereinbarung, mit der ein Eigentümer (der Überlasser/Schenker) sein Vermögen oder Teile davon, typischerweise eine Immobilie, unentgeltlich oder teilweise unentgeltlich auf eine andere Person (den Erwerber/Beschenkten) überträgt.
Die Beliebtheit speist sich aus verschiedenen Motiven:
- Steuerliche Optimierung: Ausnutzung der persönlichen Freibeträge bei der Schenkungsteuer (alle 10 Jahre neu), um die spätere Erbschaftsteuerlast zu mindern.
- Vermeidung von Erbstreitigkeiten: Klare Verhältnisse schon zu Lebzeiten schaffen.
- Versorgung der nächsten Generation: Dem Kind den Start ins eigene Leben erleichtern.
- Eigene Absicherung: Oftmals behält sich der Überlasser Rechte wie ein lebenslanges Nießbrauchsrecht (Nutzung aller Erträge und Wohnrecht) oder ein reines Wohnungsrecht vor. Auch Pflegeverpflichtungen oder Rentenzahlungen können vereinbart werden.
- Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen: Ein oft genanntes, aber – wie wir sehen werden – komplexes Motiv.
Der Mythos vom "Schutz": Wo der Überlassungsvertrag Ihre Immobilie NICHT schützt!
Trotz sorgfältiger notarieller Beurkundung ist die übertragene Immobilie keineswegs in jedem Fall "sicher".
Hier die wichtigsten Risiken, die den Schutz Ihrer Immobilie gefährden können:
- Pflichtteilsergänzungsansprüche enterbter Kinder (§ 2325 BGB): Der wohl bekannteste Stolperstein.
Schenkungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod gemacht hat, werden dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet und können Pflichtteilsergänzungsansprüche anderer pflichtteilsberechtigter Erben (z.B. nicht beschenkte Kinder, Ehegatte) auslösen.
- Die 10-Jahres-Frist mit Abschmelzung: Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall voll, im zweiten Jahr nur noch zu 9/10, im dritten zu 8/10 usw. berücksichtigt. Nach Ablauf von zehn Jahren seit Leistung des geschenkten Gegenstandes bleibt die Schenkung unberücksichtigt.
- Fristbeginn bei Nießbrauch/Wohnrecht: Achtung! Behält sich der Schenker umfassende Nutzungsrechte wie den Nießbrauch oder ein ausschließliches Wohnrecht an der gesamten Immobilie vor, beginnt die 10-Jahres-Frist nach herrschender Rechtsprechung oft nicht zu laufen, da die Schenkung wirtschaftlich noch nicht als "geleistet" gilt.
Die Immobilie ist dann auch nach über 10 Jahren nicht vor Pflichtteilsergänzungsansprüchen geschützt.
- Sozialhilferegress (§ 528 BGB, § 93 SGB XII): Wird der Schenker innerhalb von zehn Jahren nach der Schenkung bedürftig und muss Sozialhilfe beantragen (z.B. für Pflegeheimkosten), kann das Sozialamt die Schenkung zurückfordern, um die Kosten zu decken.
Der Beschenkte muss die Immobilie dann zwar nicht immer sofort verkaufen, aber unter Umständen deren Wert ersetzen, soweit er nicht selbst bedürftig ist (sog. Notbedarfseinrede des Beschenkten, § 529 Abs. 1 BGB).
Dieser Rückforderungsanspruch kann die finanzielle Existenz des Beschenkten empfindlich treffen und den vermeintlichen Schutz der Immobilie aushebeln.
- Gläubigeranfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG): Hat der Schenker die Immobilie in der Absicht übertragen, seine Gläubiger zu benachteiligen, können diese die Schenkung unter bestimmten Voraussetzungen anfechten und die Zwangsvollstreckung in die Immobilie betreiben.
Bei unentgeltlichen Übertragungen (Schenkungen) ist dies bis zu vier Jahre nach der Schenkung möglich, ohne dass die Gläubiger eine Benachteiligungsabsicht des Schenkers beweisen müssen (§ 4 AnfG).
Kannte der Beschenkte die Zahlungsunfähigkeit oder Benachteiligungsabsicht des Schenkers, sind längere Fristen möglich.
- Insolvenz des Schenkers: Im Falle einer Privat- oder Regelinsolvenz des Schenkers kann der Insolvenzverwalter Schenkungen der letzten vier Jahre (oder bei Benachteiligungsvorsatz auch länger zurückliegende) anfechten und die Immobilie zur Insolvenzmasse ziehen (§§ 134, 143 InsO).
Der Schutz der Immobilie ist dann dahin.
- Rückforderung wegen groben Undanks (§ 530 BGB): Obwohl seltener, kann der Schenker die Schenkung widerrufen, wenn sich der Beschenkte einer schweren Verfehlung gegen den Schenker oder dessen nahe Angehörige schuldig macht (z.B. schwere Beleidigungen, körperliche Angriffe).
- Eigene vertragliche Rückforderungsvorbehalte: Oft werden im Überlassungsvertrag Rückfallklauseln für bestimmte Fälle vereinbart (z.B. Tod des Beschenkten vor dem Schenker, Insolvenz des Beschenkten, Scheidung des Beschenkten, Nichtnutzung für eigene Wohnzwecke). Diese dienen zwar dem Schutz des Schenkers, zeigen aber auch, dass die Übertragung nicht bedingungslos ist und die Immobilie unter Umständen zurück an den Schenker fällt.
- Scheidung des Beschenkten – Zugewinnausgleich: Erhält ein Kind während seiner Ehe eine Immobilie per Überlassungsvertrag, fällt diese in sein Endvermögen. Im Falle einer Scheidung kann dies beim (ehemaligen) Schwiegerkind zu Zugewinnausgleichsansprüchen führen, wenn kein Ehevertrag etwas anderes regelt.
Die Immobilie selbst muss vielleicht nicht geteilt werden, aber ihr Wert kann zu erheblichen Ausgleichszahlungen führen. Ein vertraglich vereinbarter Rückfall oder eine auflösende Bedingung für den Scheidungsfall kann hier vorbeugen, muss aber sehr präzise formuliert sein.
- Insolvenz des Beschenkten: Ist der Beschenkte später selbst insolvent, fällt die geschenkte Immobilie grundsätzlich in seine Insolvenzmasse – es sei denn, im Überlassungsvertrag wurden wirksame Rückfallklauseln für diesen Fall vereinbart. Ohne solche Klauseln ist die Immobilie für die Familie des Schenkers verloren.
- Steuerliche Aspekte: Obwohl oft ein Motiv, können auch hier Fehler passieren. Werden Freibeträge falsch berechnet, Auflagen (Nießbrauch, Pflege) nicht korrekt bewertet oder Folgeschenkungen nicht bedacht, kann es zu unerwarteten Schenkungsteuerbelastungen kommen.
Dies ist zwar kein "Schutz"-Problem im engeren Sinne, aber ein finanzielles Risiko.
Wie kann der Schutz im Rahmen des rechtlich Möglichen optimiert werden?
Ein Überlassungsvertrag ist kein Standardprodukt, sondern muss individuell auf die familiäre und finanzielle Situation zugeschnitten sein.
Um den Schutz der Immobilie und die Interessen aller Beteiligten bestmöglich zu gestalten, sind folgende Punkte essenziell:
- Frühzeitige Planung: Die 10-Jahres-Fristen (Pflichtteil, Sozialhilferegress) beginnen erst mit der "Leistung" des Schenkungsgegenstandes. Je früher die Übertragung erfolgt (und wirtschaftlich vollzogen wird!), desto eher sind diese Fristen abgelaufen.
- Sorgfältige und umfassende Vertragsgestaltung:
- Nießbrauch vs. Wohnrecht: Genaue Abwägung, welche Rechte der Schenker behalten soll und wie sich dies auf Fristenlauf und Bewertung auswirkt.
- Detaillierte Rückfallklauseln: Für Fälle wie Insolvenz, Scheidung oder Vorversterben des Beschenkten, Zwangsvollstreckung in die Immobilie durch Gläubiger des Beschenkten. * Pflegeverpflichtungen: Klar und realistisch formulieren.
- Verfügungsbeschränkungen: Soll der Beschenkte die Immobilie ohne Zustimmung des Schenkers veräußern oder belasten dürfen?
- Kombination mit anderen erbrechtlichen Instrumenten: Ein Überlassungsvertrag sollte nie isoliert betrachtet werden. Er muss in ein Gesamtkonzept mit Testament, Erbvertrag und ggf. Ehevertrag eingebettet sein.
- Offene Kommunikation: Eine transparente Kommunikation mit allen potenziellen Erben und Pflichtteilsberechtigten kann helfen, spätere Konflikte zu vermeiden. Ein (notarieller) Pflichtteilsverzicht anderer Kinder im Gegenzug für eine Abfindung kann eine Lösung sein.
- Professionelle Rechtsberatung: Dies ist der wichtigste Punkt! Nur ein im Erbrecht und Immobilienrecht erfahrener Rechtsanwalt oder Notar kann die komplexen Zusammenhänge überblicken, auf individuelle Risiken hinweisen und einen maßgeschneiderten Vertrag entwerfen.
Der Überlassungsvertrag ist kein Allheilmittel!
Ein Überlassungsvertrag kann ein sinnvolles Instrument der Vermögensnachfolge sein. Er bietet jedoch keinen automatischen Schutzschild für Ihre Immobilie.
Die Vorstellung, man unterschreibe beim Notar und alles sei "in trockenen Tüchern", ist eine Illusion.
Die Risiken sind vielfältig und können sowohl den Schenker als auch den Beschenkten empfindlich treffen.
Fazit: Informieren Sie sich gründlich und lassen Sie sich kompetent beraten!
Die Übertragung einer Immobilie zu Lebzeiten ist eine weitreichende Entscheidung mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen.
Der "Schutz", den sich viele davon versprechen, ist oft nur ein scheinbarer und hängt von einer Vielzahl von Faktoren und einer extrem sorgfältigen Vertragsgestaltung ab. Pauschallösungen gibt es nicht.
Bevor Sie einen Überlassungsvertrag abschließen, ist eine umfassende Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht unerlässlich. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihre Ziele bestmöglich erreicht und ungewollte Risiken minimiert werden.
Sie planen einen Überlassungsvertrag, um Ihre Immobilie zu übertragen? Oder haben Sie bereits einen Vertrag abgeschlossen und sind unsicher über die tatsächliche Schutzwirkung und mögliche Risiken?
Verlassen Sie sich nicht auf Halbwissen oder Standardmuster! Jede familiäre und vermögensrechtliche Situation ist einzigartig und erfordert eine maßgeschneiderte Lösung.
Als Ihre erfahrenen Experten im Erbrecht und Immobilienrecht analysieren wir Ihre individuelle Situation, klären Sie umfassend über alle Chancen und Risiken auf und gestalten einen Vertrag, der Ihre Interessen bestmöglich wahrt.
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Wichtige Informationen:
rund ums Testament:
- Testament richtig erstellen – Checkliste REXUS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
- notarielles Testament und Erbschein
- wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist?
- gemeinschaftliches Testament
zur Nachlassplanung:
- Erbschaftssteuer legal umgehen
- Nießbrauch richtig gestalten
- Familiengesellschaft gründen
zum Erbstreit:
- Verjährung von Pflichtteilsansprüchen
FAQ – Häufige Fragen zum Überlassungsvertrag und Immobilienschutz
Kann mein Kind die Immobilie einfach verkaufen, wenn ich ein Nießbrauchsrecht habe?
Der Beschenkte wird zwar Eigentümer, aber bei einem eingetragenen Nießbrauchsrecht kann er die Immobilie nur mit dieser Belastung verkaufen. Ein Käufer wird dies nur akzeptieren, wenn der Preis erheblich gemindert ist. Ihr Nutzungsrecht bleibt bestehen. Ohne Ihre Zustimmung kann er das Nießbrauchsrecht nicht löschen lassen.
Was passiert, wenn ich nach der Immobilienübergabe pflegebedürftig werde?
Wenn Ihre eigenen Mittel und die Pflegeversicherung nicht ausreichen, kann das Sozialamt innerhalb von 10 Jahren nach der Schenkung die Rückforderung des Geschenks (bzw. Wertersatz) vom Beschenkten verlangen, um die Pflegekosten zu decken (§ 528 BGB).
Sind meine anderen Kinder durch den Überlassungsvertrag an eines meiner Kinder komplett enterbt?
Nein. Sie haben weiterhin ihren Pflichtteilsanspruch. Die verschenkte Immobilie kann sogar noch nach Jahren in die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs einfließen (10-Jahres-Frist mit Abschmelzung, ggf. gehemmter Fristbeginn bei umfassenden Vorbehaltsrechten).
Kann ein Überlassungsvertrag einfach rückgängig gemacht werden?
Nein, grundsätzlich ist ein Vertrag bindend ("pacta sunt servanda"). Eine Rückabwicklung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich (z.B. vertraglich vereinbarte Rückforderungsrechte, grober Undank, schwere Verarmung des Schenkers innerhalb von 10 Jahren).
Schützt der Überlassungsvertrag die Immobilie vor Gläubigern meines Kindes (des Beschenkten)?
Nicht automatisch. Wenn Ihr Kind Schulden macht, können dessen Gläubiger grundsätzlich auch auf die geschenkte Immobilie zugreifen. Nur sehr spezifische und sorgfältig formulierte Rückfallklauseln im Überlassungsvertrag können hier einen gewissen Schutz bieten, indem die Immobilie in diesem Fall an Sie zurückfällt.
Beginnt die 10-Jahres-Frist für den Pflichtteil immer mit Vertragsunterzeichnung?
Nein, nicht zwangsläufig. Entscheidend ist der wirtschaftliche Vollzug der Schenkung. Behält sich der Schenker ein umfassendes Nießbrauchsrecht oder ein Wohnungsrecht an der gesamten Immobilie vor, sodass er wirtschaftlich gesehen weiterhin "Herr im Haus" ist, beginnt die Frist nach gängiger Rechtsprechung erst mit dem Wegfall dieser Rechte (z.B. durch Tod des Schenkers oder Verzicht).
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