Umsatzsteuerhinterziehung und Umsatzsteuerkarussell-Anklage abgewehrt
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Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte dem Mandanten sowie weiteren drei Angeklagten vorgeworfen, eine europaweite kriminelle Vereinigung gegründet und mit ihr bandenmäßige Umsatzsteuerhinterziehungen in großem Umfang im Sinne des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO, im konkreten Fall in Millionenhöhe, im Rahmen eines sog. Umsatzsteuerkarussells begangen zu haben; es drohten für alle Angeklagten langjährige Haftstrafen.
Bei einem Umsatzsteuerkarussell werden Waren zwischen den einzelnen am Karussell teilnehmende Firmen formell ordnungsgemäß in einem Kreislauf oder einer Kette ge- und verkauft, wobei die Beteiligten des Karussells durch Warenbewegungen ins Ausland oder aus dem Ausland die Umsatzsteuerzahllast so zu steuern versuchen, dass diese sich bei einer Gesellschaft – dem erkorenen „missing trader“ – bündelt, diese Gesellschaft die Umsatzsteuer jedoch nicht abführt. Durch Inanspruchnahme der Vorsteuer aus den vom „missing trader" in Umlauf gebrachten Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis bei der vom „missing trader“ belieferten Gesellschaft, wird letztendlich diese Vorsteuer vom Finanzamt erstattet. Der zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen, sowie zur Zahlung der sich daraus ergebenden Umsatzsteuer verpflichtete „missing trader“ – regelmäßig eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung – ist bei einem solchen kriminellen Modell dann – wie von Vornherein beabsichtigt – vermögenslos und der Geschäftsführer persönlich nicht mehr greifbar. Die gesamten Geschäfte des Karussells sind nur darauf gerichtet, einen Gewinn durch die Erstattung der Umsatzsteuer zu generieren sowie die Waren auf diesem Weg zu verbilligen.
Der Vorwurf an den Mandanten und die weiteren Angeklagten war, mehrere Gesellschaften in Deutschland und in anderen europäischen Ländern einzig mit dem Ziel gegründet zu haben, ein derartiges Umsatzsteuerkarussell aufzubauen, um gemeinsam unter Missbrauch der Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts einen Gewinn durch die Erstattung der Umsatzsteuer zu generieren sowie die Warenflüsse zwischen den einzelnen Gesellschaften auf diesem Wege zu verbilligen.
Einer derartigen Anklage, der monatelange Ermittlungen von Steuerfahndern, Haus- und Firmendurchsuchungen und Beschlagnahmungen etc. europaweit vorausgingen, kann nur durch eine akribische und substantiierte Verteidigung durch den Strafverteidiger nicht nur im Strafermittlungsverfahren, sondern auch im Hauptverfahren begegnet werden. Ständige Hinweise auf die relevante aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), des Bundesgerichtshofes (BGH) und des Bundesfinanzhofes (BFH) zu den relevanten steuerlichen strafprozessualen und Inhaftierungs-Themen sowie zur Umsatzsteuerhinterziehung konkret sind bereits im Strafermittlungsverfahren unabdingbar. Entscheidend in allen Fällen, in denen es um Umsatzsteuerbetrug, insbesondere um ein angebliches Umsatzsteuerkarussell geht, ist, ob der Staatsanwaltschaft der Nachweis gelingt, einer lückenlosen Kausal- und Vorsatzkette zwischen allen beteiligten Gesellschaften und den dahinter stehenden Gesellschaftern und/oder Handelnden im behaupteten Umsatzsteuerkarussell bis zur Erstattung der Umsatzsteuer zu Lasten des Fiskus.
In derartigen Verfahren müssen oft Tausende von Belegen und Rechnungen untersucht werden. Aufgabe des Strafverteidigers in einem derartigen Steuerstrafverfahren ist es, jeden vermeintlichen Beweis und jedes in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vorgebrachte Indiz durch permanentes Hinterfragen ggf. zu widerlegen oder zumindest in Frage zu stellen. Es ist stets zu prüfen: Wurde jede einzelne belieferte Gesellschaft in der Rechnungskette des behaupteten Umsatzsteuerkarussells nur deshalb eingebunden, für Lieferungen der Zulieferer in der „Kette“ Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis auszustellen und die ausgewiesene Umsatzsteuer dann doch nicht zu erklären und abzuführen? Gibt es tatsächlich einen durchgängigen Tatplan aller angeblich Beteiligten im Rahmen des vorgeworfenen „Umsatzsteuerkarussells“? Gerade in bestimmten Branchen, wie z.B. im Autohandel, im Autozubehörhandel oder im Schrotthandel, geraten mitunter auch immer wieder völlig unbeteiligte Gesellschaften und/oder Gesellschafter in das Visier von Steuerfahndern und Staatsanwaltschaften, ohne tatsächlich bei einem Umsatzsteuerbetrugskarussell beteiligt gewesen zu sein. Gerade hier ist besonders steuerliches und strafprozessuales Fachwissen eines auf derartige Fälle spezialisierten Strafverteidigers unbedingt erforderlich.
Im konkreten Fall konnte schließlich die zuständige Strafkammer davon überzeugt werden, dass der Mandant weder Mittäter einer Umsatzsteuerhinterziehung war, noch Bandenmitglied oder gar Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussels. Alle Verfahren wurden nach über 1-jähriger Verhandlung vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht eingestellt; sowohl der Mandant als auch die weiteren Angeklagten wurden aus der Haft entlassen.
York Riedel
Rechtsanwalt und Strafverteidiger
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