Unterschied zwischen Aufstockungsunterhalt und Betreuungsunterhalt beachten

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Nicht selten wird von den erstinstanzlichen Gerichten bei Entscheidungen über den nachehelichen Unterhalt nicht genau differenziert, um welche konkreten Unterhaltstatbestände es sich handelt, der dem Unterhaltsberechtigten zugesprochen wird. Dies kann fatale Folgen haben, insbesondere wenn Ansprüche auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt neben dem Betreuungsunterhalt in Betracht kommen.

Beispiel:

Die Ehefrau A und der Ehemann B streiten über den nachehelichen Unterhalt. Die beiden vier- und sechsjährigen Kinder leben bei A. A ist halbtags beschäftigt und verdient netto bereinigt 1000 €, B ist vollzeitbeschäftigt und verdient netto bereinigt 4000 €. Würde A Vollzeit tätig sein, könnte sie netto bereinigt 1800 € verdienen. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit eine Tätigkeit über eine Halbtagstätigkeit hinaus nicht von A verlangt werden kann.

Oftmals wird wie folgt gerechnet:

Einkommen B4000 €
abzüglich Kindesunterhalt Kind 1, sechs Jahre418 €
abzüglich Kindesunterhalt Kind 2, vier Jahre352 €

3230 €
abzüglich Eigeneinkommen A1000 €

2230 €
Unterhaltsanspruch 3/7 =955,71 €

Dieser Betrag wird häufig in Gänze als Betreuungsunterhalt bezeichnet und unbefristet tituliert, da Betreuungsunterhalt einer Befristung nicht unterliegt (BGH, Urteil vom 17.06.2009, XII ZR 102/08 und vom 21.04.2010, XII ZR 134/08).

Die Berechnung ist rechnerisch zutreffend. Allerdings beinhaltet der Unterhaltsanspruch aber nur in Höhe von (1800 € – 1000 €) 800 € Betreuungsunterhalt und stellt im Übrigen Aufstockungsunterhalt dar. Aufgrund der Betreuung der Kinder ist A derzeit daran gehindert, eine Vollzeitstelle auszuüben und ist mithin daran gehindert, 1800 € zu verdienen. Durch den Betreuungsunterhalt sollen letztlich lediglich Erwerbseinbußen ausgeglichen werden.

Die restlichen 155,71 € stellen, was oftmals übersehen wird, Aufstockungsunterhalt dar, der (nur) deshalb gewährt wird, weil A mit ihren Vollzeiteinkünften den eheangemessenen Unterhalt nicht sicherstellen könnte. Der Aufstockungsunterhalt unterliegt aber gegenüber dem Betreuungsunterhalt der Begrenzung/Befristung nach § 1578b BGB.

Wird dies im Prozess nicht sauber herausgearbeitet und unterlässt der Unterhaltsverpflichtete, den Einwand der Befristung zu erheben, weil er etwa der Ansicht ist, dass nur über den Betreuungsunterhalt gestritten wird, läuft er Gefahr, in einem späteren Abänderungsprozess mit dem Einwand der Befristung präkludiert zu sein.


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