Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten

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Wann kann sich der Auftragnehmer hierauf berufen?

Die Berufung des Auftragnehmers auf die Unverhältnismäßigkeit von Mängelbeseitigungskosten hallt oft durch die deutschen Lande. Jedoch wird nach der Rechtsprechung der Auftragnehmer mit dieser Einwendung kaum gehört, was vielfach auf Unverständnis in der Baubranche stößt. Dieser Beitrag will Licht ins Dunkle bringen.

Hierzu müssen wir ein wenig in die Rechtshistorie zurückgehen, um die Systematik des Gesetzes zu verstehen. Vor dem 31.12.2001 war es so, dass kein Mangel vorlag, wenn ein Fehler nicht den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt hat. Damit fielen Bagatellabweichungen nach alter Rechtslage von vornherein nicht unter den Mangelbegriff. Nach der Schuldrechtsreform, die seit dem 01.01.2002 gilt, liegt ein Sachmangel auch vor, wenn die Abweichung von der vereinbarten oder üblichen Beschaffenheit nicht zu einer Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchstauglichkeit des Werks führt (§ 633 Abs. 2 BGB).

Mithin ist jede Abweichung von der Sollbeschaffenheit ein Mangel. 

Dies muss jedem Auftragnehmer klar sein. Selbst eine Verbesserung der Ausführung stellt einen Sachmangel dar. Eine andere Frage ist, welche rechtliche Auswirkung die Abweichung von der Sollbeschaffenheit hat. Zunächst ist zu prüfen, ob die Abweichung vertraglich zulässig ist. Sofern der Vertrag ausdrückliche Regelungen zur Abweichung enthält, so schafft dies Klarheit. Jedoch wird es meistens so sein, dass der Vertrag eben keine Regelung hierzu enthält und deshalb durch das Instrument der Auslegung zu ermitteln ist, ob Qualitätsangaben unbedingt einzuhalten sind oder dem Unternehmer ein Spielraum einzuräumen ist. Dem Auftragnehmer muss bewusst sein, dass Auslegungsparameter immer für die Gerichte Spielräume schaffen, die nicht unbedingt zu dem gewünschten Ergebnis führen. Die Auslegungsmethode führt regelmäßig zu einer Unsicherheit für den betroffenen Auftragnehmer.

Entscheidender Parameter ist immer der Begriff der Funktionstauglichkeit. 

Bei Maßabweichung kann diese Abweichung von einem Maß als Mangel angesehen werden, jedoch nicht, wenn die Funktionstauglichkeit hierdurch nicht berührt wird. Eine restriktive Interpretation einer Beschaffenheitsvereinbarung ist durchaus möglich, wenn die angegebenen Maße als Zirkamaße oder je nach Sachlage als Mindest- oder Höchstmaße interpretiert werden. Soweit ein Bauvertrag die Verpflichtung zu einem 3 cm dicken Wärmedämmputz enthält, so kann das als Mindestmaß verstanden werden, sodass ein 4 cm dicker Putz nicht einen Mangel darstellt. Jedoch darf durch die Mehrstärke des Putzes die Funktionstauglichkeit des Gewerks insgesamt in keinster Weise beeinträchtigt sein. Grundsätzlich stellt jegliche Maßabweichung einen Mangel dar.

Jedoch muss die weitere Frage gestellt werden, welche Auswirkung die Maßabweichung auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion des Werkes hat. Ist die Maßabweichung sogar notwendig, um die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion des Werkes zu erfüllen, so liegt sicherlich kein Mangel vor. Die Funktionalität dominiert auf jeden Fall die Leistung. Jedenfalls müssen Maße und andere Qualitätsangaben eingehalten werden, wenn sie für das Gelingen des Bauwerks von Bedeutung sind. Grundsätzlich sind deshalb Mängelansprüche nach § 634 BGB auch bei Bagatellabweichungen denkbar, jedoch in der Praxis schwer durchsetzbar.

Der Auftragnehmer wird dem Verlangen nach einer Mängelbeseitigung häufig den Einwand der unverhältnismäßigen Kosten gemäß § 635 Abs. 3 BGB entgegenhalten können. Die Mängelbeseitigungspflicht entfällt dann. Selbst eine Minderung scheitert häufig daran, dass die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigt ist und ein Minderwert nicht festgestellt werden kann. Dies sollte den Auftragnehmer jedoch nicht dazu verleiten, insbesondere bei einer vereinbarten Qualitätsmarke ein abweichendes baugleiches No-Name-Produkt zu verwenden. In diesen Fällen ist die Gebrauchstauglichkeit zwar regelmäßig nicht gemindert, jedoch liegt eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit vor und damit ein Mangel.

Die Rechtsprechung geht dann hin, die Minderung mindestens in Höhe der Ersparnis des Auftragnehmers vorzunehmen, die er durch die vom Vertrag abweichende Leistung erzielt hat. So geht ein Bodenleger hin und verlegt baugleiches Parkett eines günstigeren Herstellers, obwohl ihm nach dem Leistungsverzeichnis ein Parkett eines führenden Parkettherstellers aus Deutschland vorgegeben wurde. Wenn er durch diesen Einbau zum Beispiel 5.000 € erspart, so ist in Höhe seiner Ersparnis die Minderung des Werklohns vorzunehmen.

In der Auseinandersetzung über Mängel des Werks macht der Auftragnehmer häufig geltend, eine Beseitigung würde unverhältnismäßige Kosten verursachen. Dahinter steckt in der Regel der Gedanke, dass die erbrachte Leistung nahezu gleichwertig ist oder sich der Mangel nicht besonders nachteilig auswirkt und deshalb die Beseitigung des Mangels unwirtschaftlich ist. Hierbei ist zu unterscheiden nach dem Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers nach Abnahme und vor Abnahme.

Ist das Werk abgenommen, ist der Auftragnehmer berechtigt, die Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3 BGB zu verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dieser Einwand kann auch beim VOB-Vertrag erhoben werden. Unverhältnismäßig im Sinne des § 635  Abs. 3 BGB sind die Kosten für die Beseitigung eines Werkmangels dann, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht. Dies wird in aller Regel dann anzunehmen sein, wenn einem objektiv geringen Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung unter Abwägung aller Umstände ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht, sodass die Forderung auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung einen Verstoß gegen Treu und Glauben ist.

So rechtfertigt ein kaum wahrnehmbarer Fugenversatz nicht den Abriss einer Fassade. Maßstab für alles ist wiederum die Funktionsfähigkeit des Werks. Ist die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt, so kann die Nachbesserung regelmäßig nicht wegen hoher Kosten verweigert werden. Es reicht deshalb nicht, wenn die Mängelbeseitigungskosten hoch sind, insbesondere Mängel, die den Wohnwert eines Bauwerks erheblich beeinträchtigen, wie Schallschutzmängel. Diese Mängel werden regelmäßig ohne Rücksicht auf die Kosten zu beseitigen sein.

Eine weitere Rolle spielt auch, in wieweit der Unternehmer den Mangel verschuldet hat. Also muss jedem Auftragnehmer klar sein, dass es entscheidend auf die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit ankommt. Wenn das Werk noch nicht abgenommen ist, ist § 635 BGB nicht anwendbar, weil er lediglich das Recht gibt, die Nacherfüllung zu verweigern. Die Nacherfüllung verweigern kann der Auftragnehmer jedoch nur, wenn ihm Nacherfüllungsansprüche zustehen. Das ist grundsätzlich vor Abnahme nicht der Fall. Dies soll den Auftragnehmer jedoch nicht beunruhigen.

Hierzu gibt es die Vorschrift des § 275 Abs. 2 BGB, auch für den VOB-Vertrag. Die Erfüllungsleistung kann verweigert werden, soweit dies einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert und unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Grundsätzlich läuft dies jedoch auch darauf hinaus, dass wiederum das Merkmal der Funktionsfähigkeit des Werks maßgebend ist.

Daraus wird ersichtlich, dass die Frage der Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten nicht einfach zu beantworten ist und auch nur in Ausnahmefällen greifen wird. Deshalb sollte der Auftragnehmer nicht allein mit dieser Einwendung spekulieren.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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