USA: ESTA-Einreise vs. Verbot der Doppelbestrafung Art. 103 GG "double jeopardy"

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Jeder demokratisch und rechtsstaatlich geführter Staat garantiert einem Individuum das Verbot der Doppelbestrafung.

Der Einzelne kann darauf vertrauen, dass nach einer einmal gegen ihn von einem zuständigen Gericht ausgesprochenen und vollzogenen Strafe keine weiteren Nachteile mehr aus dem Verhalten gegen sie mehr erwachsen dürfen.

Dieses Verfahrensprinzip bildet eine tragende Säule im Strafprozess. Rechtswissenschaftlich streiten hierfür die Straftheorien.

Die relative Straftheorie versteht als Strafzweck jede gerichtliche Sanktion, nach deren Verbüßung das vormals mit der Straftat verursachte Ungleichgewicht in der Gesellschaft – eben durch z. B. Absitzen einer Freiheitsstrafe – danach wiederhergestellt ist.

Im Gerichtsalltag werden spätestens in den Plädoyers von der Strafverteidigung die Garantie aus § 46 Abs. 3 StGB für den Angeklagten gefordert: „Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden.“

Die das Schuldstrafrecht begründende Norm § 46 StGB verankert also das für jedes Strafverfahren bedeutenden Norm Verbot der Doppelbestrafung.

Dieser „Verbrauch der Strafklage“ ist die wichtigste Wirkung der materiellen Rechtskraft und tritt erst ein, wenn das Verfahren wegen der Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist, vollständig abgeschlossen ist (BGH 28, 119, 121), vorher – während die Strafsache also noch bei Gericht verhandelt wird – besteht das Verfahrenshindernis der Rechtshängigkeit bei Gericht.

Dessen Sperrwirkung – auch ne bis in idem genannt – begründet das Verbot der Doppelbestrafung näher sowie den Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung es gebietet, dass eine neue Strafverfolgung gegen denselben Täter wegen derselben Tat unzulässig macht. Weil dies in Art. 103 GG so verankert ist, ist das Verbot der Doppelbestrafung sogar ein subjektives verfassungsgemäßes Recht (Bundesverfassungsgericht; BVerfGE 65, 377, 381).

1.

Dennoch gibt es im Alltag Situationen, in denen der Einzelne darlegen muss, dass gegen ihn keine Strafe verhängt wurde. Dies gilt z. B.

  • bei Bewerbung um eine Arbeitsstelle, für welche der Arbeitgeber die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses verlangen kann (Strafe über 90 Tagessätze?)
  • Bei Bewerbung um Anstellung im öffentlichen Sektor wird ein sog. Erweitertes polizeiliches Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde verlangt (überhaupt keine Eintragungen?)
  • bei privater wie geschäftlicher Einreise in Länder außerhalb des Schengenraums (USA, Kanada, Russland usw.).
  • bei der urteilsweisen Einziehung von Tatgegenständen (Tatmittel oder Tatwerkzeuge oder Geldbeute).
  • Fahrverbot, Führerscheinentziehung
  • Sicherungsverwahrung neben bzw. nach Freiheitsstrafe

Zutreffend kann man argumentieren, dass oben benannte Anforderungen ja keine nochmaligen Verurteilungen oder Strafen im prozessualtechnischen Sinne sind.

Dem ist entgegenzuhalten, dass es auf die technische Natur der Strafe nicht ankommen darf.

Was interessiert es den Angeklagten, wie der juristische Hintergrund der Sanktion zustande kommt und wer die Strafe ausspricht (zum Beispiel das Gericht: die Verurteilung zur Geldstrafe wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB, die Anordnung der Medizinisch Psychologischen Untersuchung („Idiotentest“) zur Ausräumung der Mängel an der Fahrereigenschaft: die regionale Fahrerlaubnis-Behörde).

Dies ist Sache der Juristen, ein Laie wird und muss dies nicht auseinanderhalten können.

2.

Besonders frappierend ist das der US-Gesetzeslage (USA Patriot Act) seit den Terror-Anschlägen auf das World-Trade Center am 11.09.2001 folgende Verfahren über das Electronic System für Travel Authorization als elektronisches Reisegenehmigungsverfahren des US-Ministeriums für innere Sicherheit:

Noch vor Antritt der Reise in die USA soll akribisch ausgefüllt werden, wen man wo wie lange und weshalb in den USA besucht.

Mitunter muss beantwortet werden, ob und wenn ja, wann und warum man von einem Gericht strafrechtlich verurteilt wurde.

Gibt man an, verurteilt worden zu sein, wird entweder die Einreise abgelehnt oder man wird aufgefordert darzulegen (in englischer Landessprache) wieso man dennoch einreisen möchte.

Sodann wird von der ESTA-Behörde entschieden, dass man (in aller Regel) nicht einreisen darf.

Dem Maßstab eines demokratischen Rechtsstaates werden weder die geforderten Angaben (Freiheit von Selbstbelastung/Schweigerecht/the right to remain silent) noch das Prozedere insgesamt gerecht.:

Der ablehnenden Entscheidung der mit Ermessensspielraum ausgestatteten US-Behörde kann nicht etwa mittels rechtlichem Gehörs begegnet werden.

Es gibt auch kein Rechtsmittelverfahren vor einen unabhängigen Gericht, welches die Einreiseversagung der ESTA-Behörde kassieren könnte.

Dies ist besonders auffallend weil die US-amerikanische Verfassung „The Bill of Rights“ als erste Grundrechtserklärung gelten will und darin das Recht von „checks-and -balances“ installiert ist, wonach man gegen jede unliebsame Entscheidung Beschwerde einlegen kann und von einer anderen, höheren Instanz neue Entscheidung über den Fall einfordern kann

Das ESTA-Programm erweist sich auch als unpraktikabel, da mitunter Jahrzehnte zurückliegende Verurteilungen zum Gegenstand des aktuellen Einreisewunsches gemacht werden. Häufig werden aber Gerichtsurteile bei den örtlichen Staatsanwaltschaften nur ca. 10 Jahre aufbewahrt und sodann in ein Landesarchiv gebracht und dort verwahrt wird (dessen nachträgliche Beschaffung mit hohem Aufwand verbunden ist).

Unterstellt man, dass das große Aussortierungsinteresse einreisewilliger Touristen präventive Gründe hat und nur daher geschieht, um etwaige Straftaten in den USA zu verhindern, so zeigt sich ein klarer Bruch zum oben aufgeführten Verbot der Doppelbestrafung („double jeopardy“):

Nicht nur liegen Taten mitunter Jahrzehnte zurück, sie wurden auch von einem zuständigen Gericht bereits gesühnt mit der Folge, dass keine weitere Bestrafung dem folgen darf.

Es empfiehlt sich vorher Kontakt mit einem in diesen Verfahren erfahrenen Strafrechtsanwalt aufzunehmen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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