Vergewaltigung = Gefängnis ?

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Strafe unterhalb der gesetzlichen Mindeststrafe möglich !

Das Sexualstrafrecht ist in den letzten Jahren immer wieder modernisiert worden. Nicht zuletzt die aktuelle MeToo-Bewegung bzw. die in den Medien berichtete Debatte um das „Nein heißt Nein“ haben die Diskussionen befeuert.

Im Sexualstrafrecht existieren verschieden Tatbestände. Von exhibitionistischen Handlungen über die sexuelle Belästigung oder den sexuellen Übergriff geht es bis hin zum sexuellen Missbrauch oder der Vergewaltigung.

Die Vergewaltigung wird oft als das typische Sexualdelikt angesehen

Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegt eine Vergewaltigung dann vor, wenn der Täter gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt, die das Opfer besonders erniedrigen – insbesondere, wenn die Handlungen mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind.

Wichtig:  „Eindringen“ meint nicht nur den klassischen Geschlechtsverkehr. Ein „Eindringen“ liegt auch dann vor, wenn der Täter das Opfer zum Oralverkehr zwingt oder mit seinem Finger vaginal oder anal eindringt.

Nach dem Gesetz wird die Vergewaltigung als besonderes schwere Variante des sexuellen Übergriffs mit mindestens 2 Jahren Freiheitsstrafe bestraft.

Das hat insbesondere zwei Auswirkungen:

Zum einen stellt § 177 Abs. 6 StGB (Vergewaltigung) ein sogenanntes Regelbeispiel dar. Normalerweise liegt bei einer Mindeststrafe von einem Jahr oder mehr ein sogenanntes Verbrechen vor, kein Vergehen mehr. Das ist insbesondere von Bedeutung für die Frage, ob ein Versuch strafbar ist und vor welchem Gericht die Sache verhandelt wird.

Im Falle einer Vergewaltigung liegt nicht zwingend ein Verbrechen vor

§ 177 Abs. 6 StGB formuliert ein so genanntes Regelbeispiel, was dazu führt, dass nur im Falle der Verwirklichung dieses Beispiels eine Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren zu verhängen ist. Falls das Beispiel nicht erfüllt wird, liegt ein Vergehen vor.

Weiterhin bedeutet die Mindeststrafe von zwei Jahren, dass der Betroffene je nach Lage seines Falles möglicherweise keine Chance mehr hat auf eine Bewährung: Bei einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren ist eine Bewährung nicht mehr möglich. Falls also zu der Vergewaltigung noch ein kleiner Ladendiebstahl hinzukommt, könnte es mit einer Bewährung schwer werden.

Allerdings ist das Gesetz etwas missverständlich formuliert. Nach dem ersten Lesen wird man davon ausgehen müssen, dass eine Vergewaltigung immer mit mindestens zwei Jahren Gefängnis bestraft wird. Das ist jedoch nicht der Fall:

„In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn …“

Das heißt in normalem Deutsch: Eine Vergewaltigung führt normalerweise zu einem besonders schweren Fall und damit zu einer Mindeststrafe von zwei Jahren. Durch die Formulierung „in der Regel“ hat der Richter jedoch einen gewissen Spielraum. Falls der Richter zu dem Ergebnis kommt, dass die Handlung des Täters das Opfer nicht besonders erniedrigt, kann er zu dem Ergebnis kommen, dass zwar eine Vergewaltigung vorliegt, jedoch eine Freiheitsstrafe beispielsweise einem Jahr ausreicht.

Auch bei Verurteilung ist eine Bewährung möglich

Ein entsprechendes Urteil wurde von der Kanzlei Löwenberg in einem Verfahren erstritten (AG Würzburg, 332 Ls 902 Js 4757/19). Hier war zwar eine Verurteilung wegen Vergewaltigung nicht vermeidbar, da unser Mandant mit dem Finger in die Scheide seiner Bekanntschaft eingedrungen war. Gleichwohl wurde er lediglich zu einer Freiheitstrafe von 9 Monaten mit Bewährung verurteilt. 

Der Grundsatz, wonach auch bei einer Vergewaltigung eine Strafe von weniger als zwei Jahren verhängt werden kann, wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt (BGH, 06.02.2019, 5 StR 598): Auch bei einer besonders schweren Vergewaltigung kann trotz der an sich gegebenen Sperrwirkung der Strafrahmenuntergrenze des § 177 Abs. 6 StGB und der im Katalog des § 177 Abs. 9 StGB fehlenden Berücksichtigung als „minder schwerer Fall“ mit einer niedrigeren Strafuntergrenze gleichwohl unter bestimmten Umständen die Annahme als solche bei Wegfall der Regelbeispielwirkung in Betracht kommen.

Fazit:

Das Sexualstrafrecht ist ein komplizierter Rechtsbereich – sowohl hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung, als auch hinsichtlich der rechtlichen Bewertung.

Ein kompetenter Rechtsanwalt wird auf der Sachverhaltsebene zunächst die Frage stellen, ob das (angebliche) Opfer überhaupt glaubwürdig ist. Auf rechtlicher Ebene wird er z.B. prüfen, ob ein Regelbeispiel vorliegt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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