Versicherer haftet für fehlenden Hinweis auf günstigeren Tarif

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Krankenversicherer muss von sich aus auf günstigeren Ausbildungstarif hinweisen

Häufig stellen Versicherungsnehmer im Laufe des Versicherungsvertrags fest, dass der von ihnen eingedeckte Versicherungsschutz für sie nicht passt, entweder, weil sich – meist im Schadenfall – eine Deckungslücke auftut, die zu geringen Kosten hätte mitversichert werden können, oder, weil der Versicherungsschutz in einem anderen Tarif zu einem geringeren Beitrag hätte versichert werden können.

In beiden Fällen stellt sich dabei die Frage, ob der Versicherer verpflichtet gewesen wäre, auf die „bessere“ Versicherung hinzuweisen und ob er beim Unterlassen dieses Hinweises auf Schadenersatz haftet. Juristisch formuliert geht es also um den Umfang der den Versicherer während der Laufzeit des Vertrags treffenden Beratungspflicht nach § 6 Abs. 4 VVG. Danach hat der Versicherer den Versicherungsnehmer auch während der Dauer des Versicherungsverhältnisses zu beraten, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung erkennbar ist.

Die bisherige Rechtsprechung war bei der Anerkennung eines solchen Anlasses allerdings eher zurückhaltend, weshalb eine nun veröffentlichte Entscheidung des OLG München vom 10.06.2015 (25 U 945/15) zu begrüßen ist.

In dem zu entscheidenden Sachverhalt waren die Kinder des Versicherungsnehmers über seinen Krankenversicherungsvertrag mitversichert. Mit Überschreiten der Altersgrenze von 20 Jahren wurden beide Kinder in normalen Tarifen weiterversichert. Dabei hatte ein Kind vor dem 01.01.2009, eines nach diesem Stichtag Geburtstag. Der Versicherungsnehmer wurde jeweils von dem Versicherer angeschrieben und über die Tarifumstellung und Beitragserhöhung informiert. Einen Hinweis darauf, dass die Kinder in einem wesentlich günstigeren Ausbildungstarif versichert werden können, wenn sie noch in der Ausbildung sind, erfolgte unstreitig nicht.

Nachdem der Kläger Kenntnis davon erlangte, dass er seine Kinder auch im günstigeren Ausbildungstarif hätte versichern können, forderte er die zu viel gezahlten Beiträge als Schadenersatz zurück und erhob, nachdem der Versicherer die Zahlung verweigerte, Klage. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, wogegen der Versicherer in Berufung ging. Die Berufung wurde vom OLG zurückgewiesen, so dass der Kläger nunmehr Schadenersatz erhält.

Dabei hält der erkennende Senat fest, dass sowohl nach altem als auch nach neuem Recht – zum 01.01.2009 trat die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes in Kraft – eine Verpflichtung des Versicherers bestanden hat, auf die Möglichkeit einer Versicherung im Ausbildungstarif hinzuweisen. Der Senat begründet dies damit, dass es der Regelfall sein dürfte, dass 20jährige mitversicherte Kinder noch in der Ausbildung sein werden, so dass es keinen großen Verwaltungsaufwand für den Versicherer bedeutet, zu diesem Stichtag auch auf die Möglichkeit der Ausbildungsversicherung hinzuweisen.

Nicht geholfen hat dem Versicherer, dass sich ein Hinweis auf die Ausbildungsversicherung in den Unterlagen am Ende des Textes ohne konkreten Zusammenhang zur Überschrift des Abschnittes findet, da die Ausführungen an dieser Stelle nicht einer ordnungsgemäßen Beratung entsprechen.

Das Urteil ist auch Sicht der Versicherungsnehmer zu begrüßen, weil es – zwar unter Bezugnahme auf die Ausnahmesituation des Überschreitens der Altersgrenze – gut argumentiert, wann ein Anlass zur Beratung bestehen kann. Nun wird abzuwarten sein, ob diese Kriterien auch auf andere Fälle zu übertragen ist, in denen der Hinweis für den Versicherer keinen großen Verwaltungsaufwand bedeutet. Zu denken wäre z.B. an einen Hinweis auf das Tarifwechselrecht nach § 204 VVG, wenn der Versicherer die Beiträge zur privaten Krankenversicherung anpasst. Ebenfalls teilweise angedacht wurde, dass die Versicherer verpflichtet sein sollen, Versicherungsnehmer aus Altverträgen darauf hinzuweisen, dass ein spezieller Risikoausschluss in einem neuen Tarif oder einer neuen AVB-Generation nicht mehr enthalten ist.

Hier wird die zukünftige Rechtsprechung erst Sicherheit bringen.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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