Versicherungsfall: Greift die Betriebsschließungsversicherung bei Corona-Schließung?

  • 4 Minuten Lesezeit

Existenzbedrohung aufgrund von Betriebsschließungen 

Firmen, die noch vor Ausbreitung des Coronavirus eine isolierte Betriebsschließungsversicherung oder aber im Rahmen einer Betriebsunterbrechungsversicherung als zusätzlichen Baustein eine solche abgeschlossen haben, stellen sich aktuell die Frage, ob und in welcher Konstellation sie Anspruch auf die Versicherungsleistung geltend machen können und worin der Unterschied zu einem Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz besteht.

Betriebsschließungsversicherung

Zunächst einmal ist anzumerken, dass Versicherungsbedingungen voneinander abweichen. Daher kommt es immer auf den Versicherungsschein und die dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen an. Es kann daher keine pauschale Auskunft gegeben werden. 

Betriebsschließung als Versicherungsfall

In der Regel besteht nach der Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz für den Fall, dass von der zuständigen Behörde „der versicherte Betrieb oder eine Betriebsstätte des versicherten Betriebes zur Verhinderung oder Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern geschlossen wird. Als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten oder für die Fortführung des Betriebs wesentliche Betriebsangehörige mit einem Tätigkeitsverbot belegt werden. 

Voraussetzung ist daher, dass der Betrieb geschlossen wird. Dies ist derzeit bei den meisten Geschäften der Fall. Entscheidend kann hier sein, ob die Versicherungsbedingungen explizit eine Quarantäne als Voraussetzungen nennen oder aber die Formulierung auslegungsfähig ist. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Klausel lautet:

„(...) gewährt der Versicherer für den Fall, dass von der zuständigen Behörde der versicherte Betrieb oder eine Betriebsstätte des versicherten Betriebes zur Verhinderung oder Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern beim Menschen geschlossen wird.“

Schließung durch „zuständige Behörde“?

Der Versicherer könnte seine Leistungspflicht zunächst mit dem Argument, dass die Schließung nicht durch „die zuständige Behörde“ angeordnet worden ist, ablehnen. Da die gegenwärtige Situation einmalig ist, müssen die Versicherungsbedingungen jedoch ausgelegt werden. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Vorkenntnisse sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sachzusammenhangs verstehen muss.

Danach kann es aktuell keinen Unterschied machen, ob ein Geschäft individuell durch die zuständige Behörde aber durch die Landesregierung durch Allgemeinverfügung geschlossen wird. 

Nur im Quarantänefall oder auch bei Allgemeiner Schließungsanordnung?

Ob ein Versicherungsfall „nur“ die Schließung wegen eines konkreten Corona-Infektes eines Mitarbeiters oder Praxisinhabers (faktische Schließung) oder bei konkreter (einzelner) behördlicher Schließung („Quarantäne“) vorliegt oder auch bei einer Allgemeinen Schließungsanordnung, kann streitig sein. Sind die Bedingungen wie oben formuliert, können diese aber durchaus dahingehend ausgelegt werden, dass die allgemeine Schließungsanordnung ausreichend ist, da auch hier die Versicherungsbedingungen auszulegen sind, wie der durchschnittliche VN sie verstehen muss. 

Vorliegen einer meldepflichtigen Krankheit / Krankheitserreger

In der Regel ist weitere ausdrückliche Voraussetzung, dass die Schließung zur Verhinderung von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern erfolgte.

Die Schließungen erfolgten zur Verhinderung oder Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten im Sinne der Bedingungen, da das Coronavirus per Eilverordnung vom 01.02.2020 als meldepflichtig im Sinne von § 5 IfSG erklärt wurde. 

Kann sich der Versicherer auf eine Ausschlussklausel berufen?

Viele Versicherungsbedingungen sehen Ausschlussklauseln für bestimmte Fälle vor. Liegt ein solcher Ausschluss vor und wurde dieser wirksam vereinbart, besteht kein Anspruch auf die Versicherungsleistung.

In manchen Versicherungsverträgen findet sich unter den Ausschlüssen die folgende Formulierung:

„Der Versicherer haftet nicht für Schäden (...) bei Auftreten aller in der zum Schadenszeitpunkt jeweils aktuellen Fassung des IfSG nicht namentlich genannten Krankheiten und Erreger.“

Nach der Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1 des IfSG auf Infektionen mit dem Coronavirus vom 30.01.2020, verkündet am 31.01.2020, bestand seit dem 01.02.2020 eine Meldepflicht im Sinne von §§ 6,7 IfSG.

Entscheidend dürfte daher sein, dass der Schadenzeitpunkt, also die Schließung erfolgte. 

Umfang der Versicherungsleistung

Der Umfang der Versicherungsleistung ergibt sich aus dem Versicherungsschein sowie den Versicherungsbedingungen. In der Regel wird, je nach Anordnung der Behörde, der Schließungsschaden durch Zahlung der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag bis zum Ablauf der vereinbarten Dauer ersetzt. In Betracht kommen weitere Versicherungsleistungen wie die Kostenübernahme für eine Desinfektion oder aber die Vernichtung von Waren. In Betracht kommt ferner ein Anspruch auf Ersatz der Bruttolohn- und Gehaltsaufwendungen. 

Bereicherungsverbot

Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Entschädigung nicht zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers führen darf. Dies ist deshalb von Bedeutung, dass sich die Ansprüche unter Umständen mit jenen aus dem Infektionsschutzgesetz überschneiden. Daher finden sich beitragsfähige Begrenzungen. Darüber hinaus finden sich in den meisten Bedingungen in den sog. Ausschlüssen Regelungen dazu, wann und für welche Fälle der Versicherer nicht leistet. Danach entfällt regelmäßig der Anspruch, wenn und soweit der Versicherungsnehmer aus Anlass des Schadensereignisses einen Anspruch auf staatliche Entschädigung hat. In diesem Fall kann er jedoch vom Versicherer ein zinsloses Darlehen verlangen. Die staatliche Entschädigung steht in diesem Fall bis zur Höhe des gewährten Darlehens dem Versicherer zu.

Obliegenheiten 

Zu beachten sind, wie bei jedem Versicherungsfall, die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten. Dazu zählt insbesondere die unverzügliche Anzeige des Versicherungsfalles.

Fazit

Firmen und Praxen, die bereits früher oder noch vor der Anordnung der Schließungen eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen haben, waren gut beraten. Im Gegensatz zum Infektionsschutzgesetz dürfte hier die allgemeine Schließung zur Verhinderung oder Verbreitung des Coronavirus ausreichend sein und ein Anspruch auf die Versicherungsleistung gegeben sein. Sollte sich der Versicherer dennoch auf einen Leistungsausschluss berufen, sollte eine gerichtliche Überprüfung nicht gescheut werden. 

Selbst in dem Fall, dass der Betrieb aufgrund einer nur faktischen Schließung (Stichwort Tätigkeitsverbot und Quarantäne) nicht betrieben werden kann und ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz besteht, ist die Betriebsschließungsversicherung aufgrund der zu erwartenden zügigeren Darlehensgewährung von enormen Vorteil um die existenzbedrohenden Ausfälle zu kompensieren.

Aufgrund meiner Erfahrung und langjährigen Tätigkeit als Fachanwältin für Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherungsnehmer stehe ich Ihnen  bundesweit für eine fachkundige Überprüfung und Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche gern zur Seite.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Birte Raguse

Beiträge zum Thema