Volkswagen verliert Prozesse – Bundesverwaltungsgericht hält Dieselfahrverbote für zulässig

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Nach dem Oberlandesgericht München treffen weitere Oberlandesgerichte im sog. VW-Abgasskandal verbraucherfreundliche Entscheidungen. Damit dürften auch Zwangsstillegungen rechtswidrig sein.

Das Softwareupdate sei nicht geeignet, den Sachmangel wegen zu hoher Abgaswerte zu beheben, so das OLG München. Der achte Senat des Gerichts äußerte sich in fünf Berufungsverfahren, dass er davon derzeit nicht überzeugt sei (Verfügungen vom 20.06.2017 in den Verfahren AZ: 8 U 1706/17, AZ: 8 U 1707/17, AZ: 8 U 1710/17, AZ: 8 U 1711/17 sowie AZ: 8 U 1712/14).

Beweislastumkehr zulasten des Autohändlers

Richtig ist insbesondere, dass das Oberlandesgericht davon ausgeht, dass der Händler die Beweislast dafür trage, dass das von Volkswagen entwickelte Update den Mangel beheben könne. Nicht die Fahrzeugkäufer müssen nachweisen, dass das Update den Mangel nicht behebt, sondern der Händler muss beweisen, dass das Softwareupdate funktioniert und keine Folgemängel nach sich zieht.

Erheblicher Mangel und unzumutbare Softwareupdates

Das OLG Hamm stellte klar, dass die betreffenden Fahrzeuge einen erheblichen Mangel haben bzw. eine zugesicherte Eigenschaft fehlte. Dies sei bei der verbauten Betrugssoftware (Defeat Device) gegeben. Weiterhin sei das Software-Update eine unzumutbare Nachbesserung (OLG Hamm, AZ: 28 U 232/16). Der Käufer kann somit das Auto zurückgeben und verlangen, den Kaufpreis erstattet zu bekommen. Das LG Vreden stellte fest, dass das betroffene Fahrzeug einen Wertverlust von 8 % habe, was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofes (BGH) den sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigt.

Der Autohändler muss sich das Handeln von Volkswagen zurechnen lassen

Das LG München I (AZ: 23 O 23033/15) und das LG Ingolstadt (AZ: 33 O 1571/16) haben – richtigerweise – entschieden, dass sich der Autohändler das Handeln von VW zurechnen lassen müsse. Dies ist sachgerecht, da Vertragshändler als Erfüllungsgehilfen von Volkswagen angesehen werden können. Diese können außerdem Volkswagen in Rückgriffshaftung nehmen. Etwaige Ansprüche verjähren somit erst Ende 2018.

Sie wollen Ihr Fahrzeug zurückgeben?

Dafür bestehen nun gute Erfolgsaussichten. Jedes weitere Zuwarten verschlechtert Ihre Rechte, da Fristen einzuhalten sind. Die Fahrzeuge weisen nämlich einen schweren Mangel auf, da sie laut den Behörden nicht zulassungsfähig sind und nur mit Sondergenehmigung betrieben werden dürfen. Wie bei nachträglichen, nicht genehmigten Veränderungen erlischt mit Auslieferung und Zulassung eines Fahrzeugs mit Manipulationssoftware nach diesseitiger Ansicht die Typgenehmigung/Betriebserlaubnis. Eine Sondergenehmigung unter der Bedingung der Teilnahme an der Rückrufaktion ist insbesondere bei unsicheren technischen Folgen kein Vollrecht. Wenn Sie Ihr Fahrzeug zurückgeben wollen, dürfen Sie nicht an der Rückrufaktion teilnehmen, da dies die Ausübung des Wahlrechts im Gewährleistungsrecht in Richtung Nachbesserung darstellt. Darüber informiert Volkswagen Sie nicht. Außerdem ist, mittlerweile obergerichtlich geklärt, das Software-Update eine unzumutbare Nachbesserung.

Sie wollen Ihr Fahrzeug verkaufen?

Sie müssen mit einem sog. merkantilen Minderwert rechnen, egal, ob das Fahrzeug an der Rückrufaktion teilgenommen hat oder nicht. Diesen Wertverlust vor Gericht zu beweisen ist ggf. problematisch, hängt von der konkreten Marktlage ab und bedarf i. d. R. des gutachterlichen Beweises.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes

Nach dem Urteil des BVerwG können deutsche Städte künftig grundsätzlich Fahrverbote für Diesel-Autos mit zu hohen Emissionen verhängen (Urt. v. 28.02.2018, AZ: 7 C 26/16 und 7 C 30/17). Dieses Urteil ist jedoch mitnichten der Freifahrtschein für Fahrverbote. Der Autor ist der Meinung, dass für derartige Fahrverbote ein Bundesgesetz notwendig ist. Außerdem hat das Gericht ausdrücklich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betont. Europarecht breche außerdem Bundesrecht.

Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Vorliegen eines enteignenden Eingriffs

Es gibt in den Großstädten zahlreiche Verursacher von Abgasen: Autoverkehr, Bahnverkehr, Flugverkehr, Haushalte und Industrieanlagen usw. Das singuläre Herausgreifen lediglich von bestimmten Dieselfahrzeugen verstößt nach diesseitiger Auffassung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist auch ermessensfehlerhaft. Wenn entsprechende Rechtsgrundlagen, Gesetze oder Verordnungen erlassen würden, läge nach diesseitiger Auffassung ein enteignender Eingriff vor. Der enteignende Eingriff ist ein gesetzlich nicht geregeltes Instrument des deutschen Staatshaftungsrechtes. Anwendung findet der enteignende Eingriff bei Sachverhalten, in denen das Eigentum (Art. 14 GG) durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln und durch den Eintritt nicht vorhergesehener atypischer Nebenfolgen dieses Verwaltungshandelns derartig stark beeinträchtigt wird, dass es dem betroffenen Eigentümer nicht zumutbar ist, diesen Eingriff entschädigungslos hinzunehmen. Das Verwaltungshandeln muss dabei zu einer Beeinträchtigung der geschützten Eigentümerposition geführt haben, die dem Betroffenen ein Sonderopfer abverlangt. Vom Vorliegen eines solchen Sonderopfers ist auszugehen, wenn in die geschützte Eigentumsposition des Betroffenen nach Dauer, Art, Intensität und Auswirkung schwer und unerträglich eingegriffen wurde. Hierfür gilt jedoch, dass die Opfergrenze anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bewerten ist. Vorliegend würden Fahrverbote schwerwiegende Folgen für Arbeitnehmer, insbesondere Pendler haben, aber jedoch z. B. auch für Gewerbetreibende in den betroffenen Städten. Hier läge auch ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor.

Hinzu kommt, dass die Behörden die Benutzung eines Gegenstandes verbieten würden, bei dessen Kauf der Staat die Umsatzsteuer erhoben hat, Kfz-Steuern verlangt und jede Instandhaltung und die Betriebsmittel (Treibstoff) ebenfalls besteuert.

In der Praxis dürfte es nahezu unmöglich werden, wirksame Dieselfahrverbote durchzusetzen. Die Kontrolle dieser Fahrverbote durch die Polizei ist ohnehin nicht machbar.

Rechtsanwalt Holger Hesterberg

Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.


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