Voraussetzungen der Anwaltshaftung
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Wer verklagt wird oder selber jemanden verklagen möchte, der begibt sich normalerweise in die Hände eines fachkundigen Rechtsanwalts. Schließlich ist dieser auf allen Rechtsgebieten kompetent und sollte seinen Mandanten immer richtig beraten können. Doch ganz so einfach ist es leider nicht, denn zwischen dem Mandanten und seinem Rechtsanwalt kommt es immer wieder zu Problemen. Immer mehr Mandanten beklagten sich über die schlechte Arbeit ihres beauftragten Rechtsanwalts. Desinteresse am übertragenden Fall, Fristversäumnisse, Gebührenschinderei, Falschberatung, Informationsmängel, Nichtbearbeitung des Falles, Kungelei unter Juristen, Parteiverrat ..., die Liste der Verfehlungen ließe sich beliebig fortsetzen. Rechtsanwälte sind aber auch nur Menschen, und die machen bekanntlich ebenfalls Fehler. Gleichwohl ist dies grundsätzlich nicht hinzunehmen, auch schon deshalb nicht, weil es häufig um sehr viel Geld geht. Allein die beim Bundesgerichtshof anhängigen Haftungsfälle, in denen Mandanten Ansprüche gegen ihren Rechtsanwalt geltend machen, haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Anwaltlicher Pflichtenkatalog
Aus seinem umfangreichen Pflichtenkatalog erwächst dem Rechtsanwalt als ein Organ der Rechtspflege stets die Gefahr einer Haftung, da grundsätzlich nicht alle Probleme und Lösungen bei vorausschauender Betrachtung ersichtlich sind. Dem Rechtsanwalt ist zudem auferlegt, sein eigenes Verhalten jedes Mal zu überprüfen, ob zum Beispiel die richtigen Rechtsbehelfsmöglichkeiten ergriffen wurden. Diese strengen Sorgfaltsanforderungen führen dazu, dass der durchschnittliche Rechtsanwalt laufend der Gefahr ausgesetzt wird, schadensauslösende Sorgfaltspflichtverletzungen zu begehen und dadurch seinem Mandanten bei schuldhafter Pflichtverletzung aus dem in aller Regel anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag haftet.
Der Rechtsanwalt ist seinem Mandanten in aller Regel an Rechtskenntnissen weit überlegen, während die Rechtsunkenntnis des Mandanten diesen daran hindert, die wahre Rechtslage zu erkennen, um bei fehlerhafter Arbeit die erforderlichen Maßnahmen gegen seinen Rechtsanwalt frühzeitig zu ergreifen. Aus diesem Grunde erwachsen dem Rechtsanwalt aus seinem Pflichtenkatalog eine Prüfungs- und Sicherungspflicht gegenüber dem Anspruch des Mandanten in jede rechtliche Richtung und eine Hinweispflicht auf das Vorliegen eines möglichen Regressanspruchs. Diese Pflichtenauferlegung verlangt aber noch weiter, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten zusätzlich zum Hinweis auf den Rechtsanspruch und somit zur Offenbarung eines möglichen Fehlers auch darauf aufmerksam macht, dass die Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs gegen ihn zu laufen begonnen hat. Wie schwer sich allerdings einige Rechtsanwälte damit tun, einen Fehler überhaupt zu erkennen, bzw. einzugestehen, macht das folgende Gerichtsurteil deutlich: Ein Rechtsanwalt, der beim Durchlesen und Korrigieren einer Berufungsbegründung kurz vor Ablauf der Begründungsfrist in seinem Büro am Schreibtisch einschläft und erst nach Fristablauf wieder erwacht, kann sich nicht auf einen unabwendbaren Zufall berufen (BGH VIII ZB 2/70, VersR 1970, 441).
Oft genug passiert es aber auch, dass der Mandant nach der Schilderung des Falles in der Kanzlei seines Rechtsanwalts und der obligatorischen Unterzeichnung der Vollmacht über Wochen und Monate nichts mehr von ihm hört. Rückfragen werden vom Büropersonal mit Rückrufversprechen erledigt, die aber nie erfolgen. Oder aber der Mandant wird innerhalb der Kanzlei an immer jüngere Kollegen des eigentlich beauftragten Rechtsanwalts einfach durchgereicht. Das alles können Anzeichen von völliger Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts sein, aber auch von Ignoranz gegenüber Ihrem Rechtsverlangen.
Mandatsniederlegung
Sollte Ihnen dann der berühmte Kragen platzen, kann der Rechtsanwalt Ihren durchaus berechtigten Protest gegen seine Arbeitsmethoden mit einer Mandatsniederlegung begründen, die Sie dann ach noch bezahlen dürfen, ohne aber überhaupt eine befriedigende Dienstleistung erhalten zu haben. Da die Rechtsanwälte weitgehend das Monopol für Rechtsberatungen innehaben, können betroffene Mandanten, abgesehen von einer meist erfolglosen Beschwerde gegenüber der Rechtsanwaltskammer, nur zu einem anderen Rechtsanwalt wechseln.
Zwar muss jeder Rechtsanwalt für Schäden, die durch Fehler bei dessen Tätigkeit entstehen, haften. Wenn der Rechtsanwalt aber einen Fehler begangen hat und dadurch eine Klage verloren geht, heißt das allerdings noch lange nicht, dass der Rechtsanwalt auch die Klagesumme in voller Höhe zu erstatten hat. Wenn nämlich der Fehler allein darin besteht, dass der Rechtsanwalt zu Unrecht die Erfolgsaussichten einer Klage als sehr hoch bejaht hat, der Prozess dann aber verloren geht, dann besteht der Schaden nicht im verlorenen Prozess, sondern nur im gefühlten Prozess. Der Rechtsanwalt hat dann allenfalls nur die Kosten des Verfahrens zu erstatten, nicht mehr.
Rechtsanwalt finden
Wollen Sie nun gegenüber Ihrem ehemaligen Rechtsanwalt wegen eines erlittenen Schadens vorgehen, etwa weil Sie denken, den Schaden hätte er schuldhaft verursacht, gibt es die nächsten großen Schwierigkeiten: Sie müssen nämlich einen Rechtsanwalt finden, der gegen den Kollegen vorgehen kann und will. Ein solcher Rechtsanwalt findet sich leider nicht allzu häufig. Und das hat rein gar nichts mit dem vielfach anzutreffenden Vorurteil des sogenannten Krähenprinzips (Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus) zu tun, als vielmehr mit der Tatsache, dass nur relativ wenige Rechtsanwälte das ganz spezielle Rechtsgebiet der Anwaltshaftung überhaupt bearbeiten. Es muss nämlich berücksichtig werden, dass ein Rechtsanwalt, der sich mitunter auf Anwaltshaftung spezialisiert hat, auch Spezialkenntnisse über das betroffene Rechtsgebiet der konkreten Angelegenheit des Mandanten haben muss, da er sonst, abgesehen von formal-juristischen Fehlern wie etwa Fristversäumnisse, womöglich gar nicht das wahre Problem erkennen kann und somit die Belange des Mandanten im gewünschten Umfang vertreten kann.
Bitte bedenken Sie, der Rechtsanwalt schuldet dem Mandanten keinen Erfolg in der Sache, sondern lediglich den Rechtsstreit ordnungsgemäß führen. Gleichwohl kann er natürlich nicht tun und lassen, was er will. Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche ist der Vertrag mit dem Rechtsanwalt. Wer der Meinung ist, sein Rechtsanwalt hätte Mist gebaut und gegen seine Pflichten aus der Übernahme des Mandats verstoßen, muss sich sehr detailliert mit dem Schadensersatz wegen Pflichtverletzung auseinandersetzen.
Haftungsvoraussetzungen
Zu den Haftungsvoraussetzungen sind die Pflichtwidrigkeit, das Verschulden, der Schaden und schließlich - ganz wichtig - die Kausalität zu prüfen:
- Pflichtwidrigkeit:
In der Praxis ist die Haftung des Rechtsanwalts in den allermeisten Fällen auf eine Pflichtverletzung zurückzuführen. In den allermeisten Fällen liegen aber anwaltliche Pflichtverletzungen nicht bei einem positiven Tun des Rechtsanwalts, sondern bei Unterlassung vor, wenngleich beides sich oft überlappt. Eine der Anwaltspflicht zuzuordnende Unterlassung ist nur dann gegeben, wenn eine erkennbare Rechtspflicht zum Handeln verletzt und die Möglichkeit für den Rechtsanwalt gegeben ist, durch sein Handeln Einfluss auf die tatsächliche Gestaltung zu nehmen. § 43 BRAO gebietet dem Rechtsanwalt, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Gewissenhaftigkeit erfordert, dass Fristen, Termine und Wiedervorlagen zuverlässig notiert und überwacht werden, der Posteingang und -ausgang fehlerfrei funktioniert, die Routinearbeit ganz allgemein glatt und fehlerfrei abläuft. Neben dem Verpassen von Fristen kommt auch anderes Verhalten in Betracht, das zur Haftung des Rechtsvertreters führen kann, wie z.B. eine unschlüssige Klage oder das Annehmen eines gerichtlichen Vergleichs, obwohl die Fortsetzung des Verfahrens angezeigt gewesen wäre. In Betracht kommen zudem allgemeine Beratungsfehler oder die unzureichende Prüfung eines Vertragswerks.
- Verschulden:
Je nach Feststellung der objektiven Pflichtverletzung durch den Rechtsanwalt wird die Bejahung des Verschuldens in fast allen Fällen nur noch als Formfrage angesehen. Für ein schuldhaftes anwaltliches Verhalten kommen die Schuldformen von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht. Eine vorsätzliche Pflichtverletzung wird in der Praxis der Anwaltshaftung nur selten in Erwägung gezogen. Die meisten anwaltlichen Pflichtverstöße beruhen jedoch auf der fahrlässigen Nichtbeachtung von Pflichten gegenüber dem Mandanten. Fahrlässig handelt, wer bei der Ausübung seines Berufes nicht mit der erforderlichen Sorgfalt handelt. Die erforderliche Sorgfalt ist diejenige, die ein gut durchschnittlich ausgebildeter und einsichtsfähiger Repräsentant seines Berufsstandes an möglicher und zumutbarer Sorgfalt aufwenden kann. In besonderen Fällen kann auch die Erkrankung des Rechtsanwalts eine Fahrlässigkeit ausschließen. Hier wird allerdings stets zu fragen sein, ob den Rechtsanwalt nicht deswegen der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft, weil er für den Fall der Krankheit keine Vorsorge getroffen hat, so dass man ihm dann noch immer ein Organisationsverschulden anlasten könne.
- Schaden:
Die Verletzung von Pflichten kann nur dann zu einer Haftung des Rechtsanwalts beim Mandanten führen, wenn diesem dadurch ein Schaden zugefügt worden ist. Die Pflichtverletzung muss also direkt einen Schaden verursacht haben. Den einer Partei durch Anwaltsversehen entstandenen Schaden im Einzelfall nach schadensersatzrechtlichen Grundlagen zu substantiieren, fällt allerdings oft sehr schwer. So mannigfach wie die möglichen Pflichtverletzungen sind auch die denkbaren Schäden, die durch anwaltliche Fehler entstehen können. Wann kann man eigentlich von einem Schaden sprechen? Eine gesetzliche Definition hierzu fehlt. Eine Unterscheidung nach positivem und negativem Interesse ist im Zusammenhang mit der Anwaltshaftung wenig ergiebig. Auch der objektive Zustand einer Sache oder eine bestimmte Vermögenssituation allein begründen noch keinen Schaden. Ein Schaden ergibt sich immer erst aus einem Zustandsvergleich einer Sache oder eines Vermögens zu zwei verschiedenen Zeitpunkten, nämlich vor und nach der schädigenden Handlung. Einfach dargestellt führt etwa ein beschädigtes Fahrzeug dann zu einem Schaden des Eigentümers, wenn es vor der Schädigungshandlung nicht oder weniger beschädigt war. In Anwaltshaftungsfällen geht es in der Regel aber nicht um Beschädigungen einzelner Gegenstände, sondern um die Schädigung des Vermögens des Mandanten. Hier stellt sich der Vergleich zu zwei verschiedenen Zeitpunkten etwas komplexer dar, lässt sich also nicht so einfach beantworten.
- Kausalität:
Doch auch wenn ein anwaltlicher Fehler vorliegt, muss dieser nicht kausal, also ursächlich für den eingetretenen Schaden sein. Entscheidend, beispielsweise bei einer versäumten Frist, sind die Aussichten des Verfahrens. Wurde die Frist für eine Berufung verpasst, hätte die Berufung aber keine Aussicht auf erfolg, dann sei die verpasste Frist auch nicht ursächlich für den Schaden. Pflichtverletzungen, zudem ursächlich für einen Schaden, sind nicht die Regel. Weit über die Hälfte der Haftpflichtprozesse gegen den eigenen Rechtsanwalt gehen verloren, weil ein ursächlicher Schaden nicht nachgewiesen werden kann. Geht der Vorwurf allgemein dahin, dass der Berater fehlerhaft beraten habe, dann ist vorzutragen, wie die korrekte Beratung hätte aussehen müssen und vor allem wie sich der Mandant dann verhalten hätte. Der Mandant ist also so zu stellen wie er stünde, wenn er korrekt beraten worden wäre. Es gibt immer wieder Fälle, in denen der Anspruchsteller fälschlicherweise verlangt, so gestellt zu werden, als sei der falsche Rat korrekt gewesen.
Prozessstrategie
Da Haftungsfälle in aller Regel vor Gericht geklärt werden, kommt der Prozessstrategie und dem prozessualen Können des vom geschädigten Mandanten beauftragten Rechtsanwalts eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als in der Erstinstanz allenfalls größere Landgerichte über spezialisierte Spruchkörper für Fragen der Berufshaftung verfügen. Nicht immer also kann damit gerechnet werden, dass die Richter vertiefte Kenntnisse über die maßgeblichen Regeln, denen die Haftung des Rechtsberaters unterliegt, besitzen. Schickt der geschädigte Mandant nicht selbst einen juristischen Experten ins Rennen, läuft er damit große Gefahr, dass dem Prozessvortrag des beklagten Rechtsberaters nicht das erforderliche Wissen gegenübersteht, er also unterliegen wird.
Die an dieser Stelle nur angedeuteten Probleme zeigen, dass die strategischen Überlegungen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vielfältig und kompliziert sind. Die Gerichte zeigen allerdings deutlich auf, dass die Argumente der Rechtsberater einer versierten rechtlichen Überprüfung oftmals nicht standhalten und der geschädigte Mandant sehr wohl gute Chancen hat, den Prozess trotz der von der Gegenseite kategorisch geäußerten Verweigerung zum Schadensausgleich zu gewinnen. Und zwar mit dem richtigen auf Haftungsrecht versierten Rechtsanwalt.
Empfehlung
Um einen Regress zu vermeiden, stehe ich als Experte für Beraterhaftung zur Verfügung und helfe bei allen Fragen rund um meine Kernkompetenz. Ich unterstütze Sie im Haftungsfall und setze Ihre Ansprüche gerichtlich durch bzw. verteidige Sie gegen entsprechende Regressansprüche, um den Schaden zu mindern oder gar abzuwenden. Selbstverständlich übernehme ich dabei die Korrespondenz mit allen Verfahrensbeteiligten als auch mit Ihrer Versicherung.
Ihr Rechtsanwalt
JUDr. Norman M. Spreng, LL.M.
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