Voraussetzungen der Beschäftigung polnischer Arbeitnehmer in Deutschland

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Seit dem Beitritt Polens in die EU und dem Ablauf der Übergangsbestimmungen zum 1. Mai 2011 ist die Beschäftigung polnischer Arbeitnehmer in Deutschland grundsätzlich problemlos möglich. Im Rahmen der Freizügigkeit haben diese Arbeitnehmer uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Sie benötigen keine besondere Arbeitserlaubnis. Dennoch haben deutsche Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Bürgern aus anderen EU-Staaten – insbesondere im Rahmen von Saisonarbeit und kurzfristigen Beschäftigungen – einige arbeits- und sozialrechtlichen Besonderheiten zu beachten. 

1. Arbeitnehmerfreizügigkeit

Polnische Staatsbürger dürfen nach § 2 Abs. 1 Nr.1, 2. Alt FreizügigG/EU zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten. Für die Einreise wird lediglich ein gültiger Reisepass oder ein Personalausweis benötigt. Ein weiterer Aufenthaltstitel bzw. eine Arbeitsgenehmigung ist nicht erforderlich. Es besteht jedoch die allgemeine Meldepflicht bei den Meldebehörden. Polnische Arbeitnehmer müssen sich nach der Einreise innerhalb einer Woche beim Einwohnermeldeamt anmelden. Dann erfolgt die Anmeldung durch den Arbeitgeber bei der zuständigen Sozialversicherung. Das Recht, sich in Deutschland zur Arbeitssuche aufzuhalten, besteht für mindestens drei Monate und für einen darüber hinausgehenden Zeitraum solange, wie der polnische Staatsangehöriger nachweisen kann, dass er ernstlich und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht. 

Unabhängig davon, ob ein Aufenthaltstitel bzw. eine Arbeitserlaubnis benötigt wird, können für bestimmte Berufe Zulassungen zur Ausübung des Berufs oder spezielle Qualifikationsnachweise erforderlich sein. Diese müssen bei der Aufnahme der Beschäftigung in Deutschland erfüllt sein.

2. Deutsches Arbeitsrecht

Bei der Beschäftigung eines polnischen Bürgers bei einem deutschen Arbeitgeber gelten die Regelungen des deutschen Arbeitsrechts, bspw. die Vorschriften zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, zum Urlaub, zum Kündigungsschutz und zur Arbeitszeit. Das deutsche Arbeitsrecht unterscheidet nicht zwischen in- und ausländischen Arbeitnehmern. 

Der Arbeitgeber ist nach dem Nachweisgesetz (§ 2 Abs. 1 NachwG) verpflichtet, spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer unterzeichnet auszuhändigen. Diese zwingende Regelung wird in der Praxis oft missachtet. Allerdings sind auch polnische Arbeitnehmer gegenüber ihren deutschen Arbeitgebern nicht schutzlos gestellt. Neben dem Anspruch auf Erfüllung der Nachweispflicht und Schadensersatzansprüchen hat der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf seine Arbeitsleistung. Diese Rechte kann der polnische Arbeitnehmer auch vor den deutschen Gerichten geltend machen.

3. Mindestlohn 

Mit dem 01.01.2015 ist in Deutschland ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt worden. Dieser beträgt seit dem 1. Januar 2017 8,84 Euro brutto pro Stunde. Das Mindestlohngesetz findet auf alle Arbeitnehmer während ihrer Beschäftigung in Deutschland Anwendung, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Daher müssen auch polnische Unternehmen, die in Deutschland polnische Arbeitskräfte einsetzen, den deutschen Mindestlohn zahlen. Darüber hinaus gelten in Deutschland neben dem gesetzlichen Mindestlohn zahlreiche branchenabhängige Mindestlöhne, die in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen geregelt sind. Tarifliche Mindestlöhne gelten unter den gleichen Voraussetzungen für Unionsbürger wie für deutsche Arbeitnehmer. Zu den Branchen, in denen mehr als der vom Gesetzgeber geforderte Mindestbetrag gezahlt wird, gehören u.a. das Baugewerbe (11,30 EUR), Dachdeckerhandwerk (12,05 EUR), Elektrohandwerk (zwischen 10,40 bis 10,65 EUR), Maler- und Lackierhandwerk (ab 10,35 EUR) sowie die Pflegebranche (zwischen 9,50 bis 10,20 EUR).

Deutsche Arbeitgeber versuchen, die Regelungen zur Mindestlohnzahlung zu umgehen, indem sie polnische Staatsbürger als Selbstständige beschäftigen. Diese Vorgehensweise ist riskant und in der Regel zwecklos. Für die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung ist das tatsächlich gelebte Arbeitsverhältnis entscheidend, nicht die gewählte Bezeichnung im Vertrag. Insoweit kann auch ein Ein-Mann-Werkvertragsunternehmer „Scheinselbstständiger“ und Arbeitnehmer im Sinne der deutschen Gesetze sein, sodass er sämtlichen sozial- und arbeitsrechtlichen Regelungen unterliegt.

4. Besonderheiten bei Saisonarbeit und kurzfristiger Beschäftigung

Den Mindestlohnregelungen unterliegen auch polnische Saisonarbeitskräfte, wie zum Beispiel Erntehelfer oder Hilfskräfte in der Gastronomie, die ihre Tätigkeit in Deutschland ausüben. Allerdings ist für Saisonarbeitnehmer bei der Mindestlohnberechnung die Regelung des § 107 Abs. 2 Gewerbeordnung zu beachten. Danach wird die Anrechnung von Verpflegung und Unterkunft auf den Mindestlohn zugelassen. Voraussetzung ist, dass eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, die Anrechnung dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht und die Anrechnung der Sachleistungen die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigt. So muss ein lediger Arbeitnehmer nach Anrechnung der Sachleistungen immer noch 1.079,99 Euro netto verdienen. Schließlich müssen Unterkunft und Verpflegung von „mittlerer Art und Güte“ sein, d.h. qualitativ nicht zu beanstanden sein. Eine Anrechnung der Sachleistung ist nicht zulässig, soweit Arbeitgeber den Mindestlohn auf Grundlage des Arbeitnehmerentsendegesetzes oder des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zahlen müssen.

Weiterhin unterliegen Saisonkräfte der Versicherungspflicht in allen Zweigen der deutschen Sozialversicherung. Versicherungspflichtig nach deutschem Recht sind demnach alle Arbeitslosen und Arbeitnehmer während eines unbezahlten Urlaubs. Ausnahmen von der genannten Grundregel gelten für Arbeitnehmer während eines bezahlten Urlaubs, Selbstständige mit einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit im Heimatland, entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für Personen, die in zwei oder mehr Mitgliedstaaten beschäftigt sind. Diese sind weiterhin in ihrem Heimatland versicherungspflichtig.

Eine weitere wichtige Ausnahme besteht für Saisonarbeitnehmer, die im Rahmen einer kurzfristigen Beschäftigung eingestellt werden. Diese Arbeitnehmer unterliegen in Deutschland nicht der Sozialversicherungspflicht. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn sie pro Kalenderjahr auf längstens drei Monate oder 70 Tage begrenzt ist. Die Befristung muss sich entweder aus der Eigenart der Tätigkeit oder der vertraglichen Vereinbarung ergeben. Dabei ist zu beachten, dass für befristete Arbeitsverhältnisse zwingend die Schriftform erforderlich ist und Arbeitsverträge, die diese Form missachten, als unbefristet abgeschlossen gelten. Ferner darf die Beschäftigung bei einem Verdienst von mehr als 450,00 Euro im Monat nicht berufsmäßig ausgeübt werden. Das bedeutet, sie darf nicht allein der Sicherung des Lebensunterhalts dienen. Bei der Prüfung der Berufsmäßigkeit werden vor allem frühere Beschäftigungen in Betracht gezogen. Insofern sollten Arbeitgeber schon vor Beginn der Tätigkeit in Deutschland prüfen, welche Tätigkeiten der Arbeitnehmer zuletzt in seinem Heimatland ausgeübt hat.

5. Unterschiede zwischen dem polnischen und deutschen Arbeitsrecht 

Bei der Beschäftigung polnischer Arbeitnehmer sind die Unterschiede zwischen dem polnischen und dem deutschen Arbeitsrecht nicht außer Acht zu lassen. Die Regelungen des individuellen Arbeitsrechts in beiden Ländern unterscheiden sich nicht wesentlich. Es bestehen jedoch weiterhin kleine, aber feine Unterschiede. Ein Beispiel hierfür ist der Kündigungsschutz: Der polnische Arbeitgeber muss – im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland – für eine fristgerechte Kündigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags zwingend einen konkreten Kündigungsgrund in dem Kündigungsschreiben angeben. Ferner ist eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber nur in Fällen des Vorliegens der im polnischen Arbeitsgesetzbuch abschließend aufgeführten Gründe möglich. Weitere Abweichungen bestehen u.a. im Rahmen der Urlaubsgewährung und Urlaubsabgeltung, bei dem Anspruch auf Abfindung und bei der Regelung von Ausschlussfristen. Diese Aspekte und nicht zuletzt die unterschiedliche Mentalität der Polen und Deutschen können zu potentiellen Konflikten bei der Begründung, Durchführung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit polnischen Arbeitnehmern führen.

Wir helfen Ihnen, diesen Konflikten vorzubeugen und beraten Sie gerne als Arbeitnehmer vor der Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland bzw. als Arbeitgeber bei der Einstellung polnischer Staatsbürger umfassend auf dem Gebieten des deutschen Arbeitsrechts. 

Die hier dargestellten Informationen sollen einen Überblick über die relevanten Rechtsfragen der Beschäftigung polnischer Arbeitnehmer in Deutschland verschaffen und sind daher nicht abschließend. Trotz sorgfältiger Recherche bleibt eine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen ausgeschlossen.



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