Voraussetzungen Erwerbsminderungsrente

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Die nachfolgenden Informationen sollen Ihnen einen Überblick über die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger verschaffen und Ihnen hilfreiche Ratschläge an die Hand geben.

In Zeiten einer immer längeren Lebensarbeitszeit sowie einer gestiegenen psychischen Belastung in der Arbeitswelt stellt sich für viele Betroffene die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, aus gesundheitlichen Gründen früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, ohne hierbei die finanzielle Lebensgrundlage zu verlieren. Hierfür hat der Gesetzgeber für gesetzliche Rentenversicherte die Rente wegen Erwerbsminderung vorgesehen.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen:

Grundsätzliche Voraussetzung einer Rente wegen Erwerbsminderung (wie auch der Altersrenten) ist die Erfüllung der Allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (Mindestversicherungszeit).

Als besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung ist geregelt, dass der/die Antragsteller*in während der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Leistungsfalles mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung eingezahlt oder die Anwartschaft auf andere Weise, z.B. durch ununterbrochenen Bezug von Arbeitslosengeld 2, erhalten hat. Beiträge, die für die Pflege von Angehörigen entrichtet werden, zählen mit. Von den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gibt es Ausnahmen, z.B. für den Fall einer Erwerbsminderung aufgrund eines Arbeitsunfalles/einer Berufskrankheit oder innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung.

Medizinische Voraussetzungen:

Weiterhin sind medizinische Voraussetzungen zu berücksichtigen, an denen die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente in den meisten Fällen scheitert. Die Prüfung erfolgt durch den zuständigen Rentenversicherungsträger. In der Regel werden aktuelle Befundberichte/Reha-Berichte beigezogen sowie ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. In diesem Zusammenhang prüft die Rentenversicherung ebenfalls, ob die Erwerbsfähigkeit durch Rehabilitationsmaßnahmen („Reha vor Rente“) wiederhergestellt werden kann. Die persönliche Einschätzung spielt bei der sozialmedizinischen Bewertung keine Rolle.

Die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt voraus, dass der/die Antragsteller*in wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies bezieht sich auf jede Tätigkeit und nicht lediglich auf den erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf. Sofern eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für einen täglichen Zeitraum von drei bis unter sechs Stunden nach sozialmedizinischer Begutachtung möglich ist, wird lediglich eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt. Die Rentenhöhe beträgt genau die Hälfte der Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Einen Unterfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung stellt die sog. Arbeitsmarktrente dar. Sofern der/die Versicherte täglich von drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig ist, der Teilzeitarbeitsmarkt jedoch verschlossen ist, wird trotz lediglich teilweiser Erwerbsminderung die volle Rente bewilligt. Hierfür ist erforderlich, dass kein konkreter und den gesundheitlichen Einschränkungen entsprechender Teilzeitarbeitsplatz zur Verfügung steht. In der Regel steht kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung. Bitte beachten Sie hierzu auch meinen Rechtstipp "Arbeitsmarktrente".

Einen weiteren Unterfall stellt die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit dar, die zum 31.12.2000 abgeschafft wurde. Für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, besteht jedoch Vertrauensschutz.

Bewilligungszeitraum der Erwerbsminderungsrente:

Die Erwerbsminderungsrente wird ab dem Eintritt des Leistungsfalls gezahlt. Hiermit ist nicht die Antragstellung gemeint, sondern die Feststellung, seit wann eine relevante Erwerbsminderung besteht. Dieser Zeitpunkt kann, z.B. aufgrund eines Reha-Berichtes, auch deutlich in der Vergangenheit liegen, so dass es zu einer Rentennachzahlung bzw. Verrechnung mit anderen Leistungsträgern kommt.

Sofern die Erwerbsminderungsrente befristet bewilligt wird, was der Regelfall ist, erfolgt eine Zahlung erst nach Ablauf von sieben Kalendermonaten nach Eintritt des (rückwirkenden) Leistungsfalles.

Die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung von 36 Monaten Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten fünf Jahre (siehe oben) muss ebenfalls nicht ab Antragstellung, sondern ab Eintritt des Leistungsfalles erfüllt sein.

Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass Renten wegen Erwerbsminderung grundsätzlich nur befristet zu bewilligen sind. Hierbei erfolgt die Befristung für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sodann ist ein Antrag auf Weiterbewilligung der Rente zu stellen. Nach Ablauf von neun Jahren wird die Rente unbefristet bewilligt. Sofern vor Ablauf dieses Zeitraums, ggf. sogar schon von Beginn an, feststeht, dass eine Verbesserung des Gesundheitszustandes unwahrscheinlich ist, kommt ausnahmsweise eine frühere Entfristung in Betracht.

Die sog. Arbeitsmarktrente kann nicht unbefristet bewilligt werden, da sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt im Laufe der Jahre ändern kann.

Abschläge und Zurechnungszeiten:

Im Falle der Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung sind prozentuale Abschläge in Kauf zu nehmen, die sich nach dem jeweiligen Alter zum Zeitpunkt des Rentenbeginns sowie der individuellen Regelaltersgrenze richten. Die Abschläge betragen für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme 0,3%, sind jedoch auf maximal 10,8% begrenzt. Beim späteren Wechsel in die Regelaltersrente bleiben die zuvor in Ansatz gebrachten Abschläge bestehen.

Da die Erwerbsminderungsrente vor dem regulären Rentenalter bewilligt wird und auch zum Leben reichen soll, hat der Gesetzgeber vorgesehen, Zurechnungszeiten gutzuschreiben. Der/die Erwerbsminderungsrentner*in wird daher so gestellt, als hätte er/sie durchschnittlich weiter so in die Rentenversicherung eingezahlt wie im vorherigen Erwerbsleben. Die Dauer der Zurechnungszeiten richtet sich nach dem Geburtsjahr.

Bei Ablehnung der Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin, der/die über entsprechende Erfahrungen verfügt, zu beauftragen, um Widerspruch zu erheben und Akteneinsicht bei dem Rentenversicherungsträger zu nehmen.

Ebenfalls sollten bereits im Rahmen der Antragstellung bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger frühzeitig die behandelnden Ärzte/Ärztinnen eingebunden werden, um die relevanten gesundheitlichen Einschränkungen hinreichend begründen zu können. Eine fehlende (fach-)ärztliche Behandlung erschwert die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente ungemein.

Das Antragsverfahren nimmt in der Regel mehrere Monate in Anspruch. Es empfiehlt sich daher, den Antrag so frühzeitig zu stellen, dass andere Leistungen noch mindestens 12 Monate beansprucht werden können. In der Regel handelt es sich hierbei um Arbeitslosengeld 1, das nach Aussteuerung aus dem Krankengeld bewilligt wird.

Mit freundlichen Grüßen aus Braunschweig!

Sebastian Berg

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Sozialrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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