Vorlage eines falschen Gutachtens lässt Versicherungsanspruch entfallen

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Dass ein Versicherungsnehmer auch durch fehlerhaftes Verhalten nach Eintritt des Versicherungsfalls seinen an sich bestehenden Versicherungsschutz gefährden und vollständig verlieren kann, ist den wenigstens Versicherungsnehmern bewusst. Infolgedessen legen viele auf die Regulierung eines entstandenen Schadens nicht die notwendige Sorgfalt. Nach neuer Rechtslage kommt das Gesetz dem Versicherungsnehmer dabei zwar dadurch entgegen, dass im Regelfall bei der Verletzung von Obliegenheiten, die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, nur eine quotale Kürzung des Anspruchs in Betracht kommt. Dass der Versicherer aber auch vollständig leistungsfrei werden kann, zeigt eine Entscheidung des OLG Köln vom 07.02.2012 (Az. 9 U 61/11). Die Entscheidung basiert zwar noch auf der alten Rechtslage, würde heute aber ebenso entschieden werden.

Was war geschehen?

Die Versicherungsnehmerin („VN") ist Eigentümerin einer Halle, für die sie bei dem beklagten Versicherer einen Gebäudeversicherungsvertrag abgeschlossen hat. Die Halle wurde bei einem Brand am 3./4.06.2008 schwer beschädigt. Die Beklagte und die VN einigten sich auf die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens, um die Höhe des Schadens und die Instandsetzungskosten zu ermitteln. Noch vor Durchführung des Sachverständigenverfahrens beauftragte die VN das klagende Bauunternehmen mit der Wiederherstellung, wobei bzgl. der durchzuführenden Baumaßnahmen das Sachverständigengutachten ausschlaggebend sein sollte. Zur Sicherung der Werklohnansprüche trat die VN ihre Versicherungsansprüche an die Klägerin ab.

In der Folgezeit wurde die Halle wiedererrichtet, wobei objektiv einige Arbeiten aus dem von der Klägerin erstellten Angebot nicht ausgeführt wurden. So wurden drei Stahlbinder in der Deckenkonstruktion nicht ersetzt, sondern es wurden lediglich Sandstrahl- und Malerarbeiten an ihnen durchgeführt, und die Klägerin deckte nur ca. 1/3 der Dachflächen neu ein.

Die Klägerin erklärte im Weiteren gegenüber der Beklagten, dass die Arbeiten abgeschlossen seien, bot ihr die Besichtigung an und setzten eine Zahlungsfrist für die restliche Versicherungsleistung. Die Klägerin zog außerdem den Sachverständigen L. hinzu, der gegenüber der Klägerin schriftlich mitteilte, dass „bescheinigt werden könne, dass das Gebäude insgesamt wiederhergestellt worden sei und damit in Betrieb genommen werden könne". Dies Schreiben wurde der Beklagten ebenfalls von der Klägerin zugeleitet.

Die Beklagte beauftragte dann einen eigenen Gutachter mit der Durchführung eines Ortstermins, der feststellte, dass die im ursprünglichen Gutachten genannten Maßnahmen nicht durchgeführt worden sind.

Die Beklagte verweigerte daraufhin die Zahlung und stütze dies auf die Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung bezüglich der Wiederherstellung der Halle.

Zu Recht, wie sowohl Land- als auch Oberlandesgericht meinten!

Vorliegend waren offenbar zwei Versicherungsleistungen im Streit, nämlich zum einen die Erstattung des Zeitwertschadens, also des Werts, den das Gebäude zum Zeitpunkt des Brands hatte, sowie die sogenannte Neuwertspitze.

Beide Ansprüche bestanden nicht, da die Beklagte wegen einer arglistigen Täuschung der Klägerin leistungsfrei geworden ist. Denn B § 16 Nr. 2 AFB 08, die der Versicherung zugrunde lagen, sehen vor, dass der Versicherer leistungsfrei wird, also keine Versicherungsleistung zu erbringen hat, wenn der VN arglistig über Tatsachen täuscht oder zu täuschen versucht, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Dies war hier nach den Feststellungen des Gerichts gegeben. Arglist des VN setzt dabei das bewusste Einwirken auf die Entscheidung des Versicherers durch unrichtige oder unvollständige Angaben voraus. Die Absicht, sich unrechtmäßig zu bereichern, muss nicht vorliegen. Die Sanktion tritt also auch dann ein, wenn der VN die Regulierung eines bestehenden Versicherungsanspruchs nur beschleunigen will, indem er problematische wahre Angaben nicht macht, die zu weiteren Nachfragen des Versicherers Anlass geben könnten.

Vorliegend war dies unproblematisch gegeben, da die Klägerin Arbeiten und Materialien in Rechnung gestellt hat, die von ihr nicht geleistet wurden. Dies führte schon per se dazu, dass eine höhere als die an sich geschuldete Versicherungsleistung erstrebt wurde. Darüber hinaus lag eine Wiederherstellung des Gebäudes „in gleicher Art und Zweckbestimmung" nicht vor, da durch die unterlassenen Arbeiten die Statik des Gebäudes nicht mehr der an sich geschuldeten entsprach. Diese fehlerhafte Abrechnung erfolgte auch arglistig, da aufgrund der Mitteilung, alle Arbeiten durchgeführt zu haben, der Bestätigung durch einen eigenen Sachverständigen und Vorlage der Rechnung, in der auch nicht durchgeführte Arbeiten abgerechnet wurden, der Eindruck erweckt wurde, der Auftrag sei ordnungsgemäß abgearbeitet und die Halle wiederhergestellt worden. Dieser Sachverhalt reicht als Indiz für die notwendige Arglist aus. 

Die Klägerin ging somit im vorliegenden Verfahren leer aus. Fraglich ist, ob dies Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch gegenüber der Versicherungsnehmerin als Eigentümerin des Gebäudes hat. Denn im Zweifel sollte der abgetretene Versicherungsanspruch die Vergütung nicht ersetzen, sondern lediglich vorrangig bedienen. Gleichzeitig steht das Gebäude der VN wieder zur Nutzung zur Verfügung.

Im Endeffekt dürfte die Klägerin dennoch keine Ansprüche gegenüber der VN mehr haben. Der an sich bestehende Vergütungsanspruch kann sich selbstverständlich nur auf die durchgeführten Arbeiten und gelieferten Materialien beziehen. Diesem Anspruch kann die VN aber einen Schadenersatzanspruch entgegen halten, weil die Klägerin schuldhaft den Versicherungsanspruch riskiert hat, indem sie im Rahmen der Regulierung arglistig getäuscht hat. Die arglistige Täuschung stellt eine Pflichtverletzung des mit der VN getroffenen Vertrags dar.

Interessant ist allerdings die Frage, ob die Klägerin darüber hinaus gegenüber der VN auf Durchführung der unterlassenen Arbeiten haftet. Denn der Auftrag bezog sich auf die Durchführung der Arbeiten nach Maßgabe des eingeholten Gutachtens. Die erbrachten Leistungen weichen hiervon zum Nachteil der VN ab, so dass ein Werkmangel vorliegt. Abschließend ist dies mit den vorliegenden Angaben im Urteil jedoch nicht einzuschätzen.

Das Urteil dürfte jedoch für alle Werkunternehmer, die typischerweise Versicherungsschäden beheben und selbständig gegenüber dem Versicherer abrechnen, eine Warnung sein. Bei fehlerhafter Regulierung in ihrem Haus können sie schnell auf den Ansprüchen aus dem Werkvertrag „sitzen bleiben".

Rechtsanwalt Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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