Vorstellungsgespräch - Welche Fragen sind erlaubt?

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Im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs sind Fragen des Arbeitgebers selbstverständlich. Inwieweit tatsächlich ein legitimes Informationsinteresse des Arbeitgebers gegeben ist, klären wir nachfolgend anhand häufig aufkommender Streitpunkte.  

Welche Fragen darf der Arbeitgeber dem Bewerber beim Vorstellungsgespräch stellen? 

Im Zuge eines Bewerbungsprozesses kommen die meisten Arbeitnehmer in die Situation eines Vorstellungsgespräches. Hierbei stellt sich auf Bewerberseite die Frage, was der potenzielle neue Arbeitgeber im Rahmen des Vorstellungsgespräches fragen darf und wann Arbeitnehmer wahrheitsgemäß antworten müssen.  

Grundsatz 

Um sicher zu gehen, dass der jeweilige Arbeitsplatz mit einer qualifizierten Person besetzt wird, hat der Arbeitgeber ein Interesse daran, möglichst viel über den potenziellen neuen Arbeitnehmer zu erfahren. Jedoch sind dem Fragerecht des Arbeitgebers Grenzen gesetzt. Der Arbeitgeber muss ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Frage vorweisen, auf Grund dessen die Belange des Bewerbers, seine persönlichen Lebensumstände zum Schutz seines Persönlichkeitsrechts und zur Sicherung der Unverletzlichkeit seiner Individualsphäre geheim zu halten, zurücktreten müssen. Zum einen muss die Antwort auf die Frage erheblich für die Beurteilung der Fähigkeit sein, die Arbeit ordnungsgemäß zu verrichten; zum anderen darf auch Arbeitsplatzrelevantes nicht gefragt werden, soweit dies mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre verbunden ist. Es kommt insoweit auf eine einzelfallbezogene Interessenabwägung an. Je weniger die beabsichtige Frage des Arbeitgebers mit der Tätigkeit in Zusammenhang steht und je mehr sie die Person selbst ausforscht, desto eher ist sie als unzulässig einzustufen. Das Fragerecht des Arbeitgebers wird nicht nur durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingeschränkt, sondern auch durch die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). An der wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen, die eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen der in § 1 AGG genannten Merkmale zur Folge haben können, besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse. Sollte die Frage des Arbeitgebers unzulässig sein, muss der Arbeitnehmer nicht wahrheitsgemäß antworten. Er hat dann ein sogenanntes „Recht zur Lüge“ (BAG, Urteil vom 22. 9. 1961 - 1 AZR 241/60). 

Frage nach der Gewerkschafts- oder Parteizugehörigkeit 

Die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist wegen der in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierten Koalitionsfreiheit unzulässig (BAG, Beschluss vom 28.3. 2000 - 1 ABR 16/99, BAG, Urt. v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13). Ebenfalls darf die Einstellung nicht vom Austritt aus der Gewerkschaft abhängig gemacht werden. Gegen einen derartigen rechtswidrigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit kann sich auch die betroffene Gewerkschaft durch eine Unterlassungsklage schützen (BAG, Urteil vom 02.06.1987).  

Die Frage nach der Mitgliedschaft in politischen Parteien ist ebenfalls unzulässig. Eine Ausnahme davon genießen bestimmte Tendenzbetriebe wie Verlage oder Parteien. Außerdem ist im öffentlichen Dienst die Frage nach der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei zulässig (OVG Nordrhein-Westfalen v. 26. 9. 1983 CL 22/82). 

Frage nach Vorstrafen 

Der Bewerber darf seine Vorstrafen verschweigen, wenn sie gem. § 51 BZRG nicht (mehr) in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen sind (BAG, Urt. v. 20.3.2014). 

Nach ständiger Rechtsprechung darf im Übrigen bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nicht einschränkungslos nach Vorstrafen des Bewerbers gefragt werden. Begründet wird dies damit, dass die Resozialisierung des Vorbestraften nicht unnötig erschwert werden und den Bewerber nicht in unnötige Gewissenskonflikte bringen soll. Der Arbeitgeber darf den Bewerber nach Vorstrafen fragen, soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert (BAG, Urt. v. 20.3.2014 – 2 AZR 1071/12). Zum Beispiel: Vorstrafe eines Bankkassierers auf vermögensrechtlichem Gebiet, Sittlichkeitsdelikte eines Erziehers, verkehrsrechtliche Vorstrafen eines Kraftfahrers. Die Straftat muss das zu besetzende Feld erfassen und demnach einschlägig sein.  

Frage nach dem bisherigen Gehalt  

Soweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht, ist die Frage nach dem bisherigen Gehalt begrenzt zulässig. Zur geschützten Individualsphäre gehören auch die Einkommensverhältnisse des Arbeitnehmers. Die Frage ist unzulässig, wenn das bisherige Gehalt nicht maßgebend in Bezug auf die Qualifikation für den zu besetzenden Arbeitsplatz ist. Die Situation ist anders zu beurteilen, wenn der Bewerber von sich aus, das bisherige Einkommen zur Mindestbedingung erhebt oder wenn es Rückschlüsse auf seine Eignung zulässt. Jedoch sind Gehaltsverhandlungen Gegenstand des Vorstellungsgesprächs, in denen jede Partei auf ihren Vorteil bedacht ist. Bemühungen des Arbeitgebers, eine ihm vorteilhafte Position zu erlangen, muss der Bewerber nicht durch eine wahre Angabe über sein früheres Gehalt unterstützen.  

Frage nach persönlichen Lebensverhältnissen 

Nach persönlichen Lebensverhältnissen darf grundsätzlich nur gefragt werden, wenn der Arbeitgeber ein betriebsbezogenes, berechtigtes Interesse an der Information hat. Dies könnten z.B. Verwandtschaftsbeziehungen mit Betriebsangehörigen sein. Fragen zum Bestehen einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, einer Scheidung oder der Absicht einer Eheschließung sind grundsätzlich nicht zulässig. Sie stellen einen nicht vertretbaren Eingriff in den Intimbereich des Bewerbers dar. Ausnahmen davon bilden, aufgrund ihrer verfassungsrechtlich geschützten Autonomie, kirchliche Einrichtungen.  

Frage nach Krankheiten 

Bei der Frage nach Krankheiten sind strenge Maßstäbe anzulegen, da sie einen nicht unerheblichen Eingriff in die Intimsphäre des Bewerbers darstellt. Die Frage ist zulässig, wenn die Krankheit die Eignung des Bewerbers für die angestrebte Stelle auf Dauer oder in periodisch wiederkehrenden Abständen erheblich beeinträchtigt oder aufhebt (BAG, Urteil vom 07.06.1984). Die tätigkeitsunabhängige Frage nach dem Gesundheitszustand ist dagegen unzulässig. Dagegen ist die Frage bei ansteckenden Krankheiten, die Kollegen oder Kunden gefährden könnten, zulässig.  

Frage nach der Schwangerschaft 

Die Frage nach einer Schwangerschaft stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und gem. § 3 Abs. 1 S. 2 AGG eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar und ist stets unzulässig. 

Die ältere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Frage zulässig sein sollte, sofern im Falle einer Beschäftigung Gefahr für das ungeborene Kind oder die Bewerberin bestanden hätte, ist überholt. Dies gilt auch, wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen werden soll und in den Fällen, in denen ein Beschäftigungsverbot gem. § 9 MuSchG die Folge wäre.  

Ebenfalls ist unzulässig, im Bewerbungsgespräch nach einem Kinderwunsch oder Familienplanung zu fragen.  

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Anmerkung: Aus Gründen besserer Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter 


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