VW-Dieselskandal um EA189: KBA muss Kommunikation mit Volkswagen offenlegen

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Die Deutsche Umwelthilfe (DHU) hat vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig erreicht, dass sie Einsicht in den gesamten Schriftverkehr zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und der Volkswagen AG zwischen dem 18. September 2015 und dem Tag der Anordnung des Rückrufes für Betrugsdiesel EA189, dem 15. Oktober 2015, nehmen darf. 

Im Komplex rund um den Diesen-Abgasskandal hat die Deutsche Umwelthilfe (DHU) von Beginn an eine tragende Rolle eingenommen. So hat der Verband vor verschiedenen Gerichten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge unter bestimmten Voraussetzungen durchgesetzt und damit dafür gesorgt, dass Eigentümer bestimmter Modelle wirtschaftlich große Schäden aufgrund dieser (potenziellen) Fahrverbote erleiden können. Jetzt hat die Deutsche Umwelthilfe einen wichtigen juristischen Sieg gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und VW errungen. Gegenstand des Verfahrens war das Begehren der DUH auf Einsicht in den Schriftverkehr zwischen KBA und VW bezüglich der vom KBA erlassenen Rückrufanforderung von VW-Diesel-Pkw der Motorbaureihe EA189 der Abgasnorm Euro 5. An diesem Modell hatte sich im September 2015 nach den Ermittlungen und Verfahren der US-amerikanischen Behörden der Abgasskandal in Deutschland entzündet. 

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hat nun in dem seit fünf Jahren andauernden Rechtsstreit letztinstanzlich entschieden: Der Umweltverband erhält Einsicht in den gesamten Schriftverkehr zwischen dem KBA und der Volkswagen AG zwischen dem 18. September 2015 und dem Tag der Anordnung des Rückrufes für Betrugsdiesel EA189 des Herstellers Volkswagen, dem 15. Oktober 2015. Ebenso kann die DUH Schriftstücke des dazu geführten Verwaltungsvorganges einsehen. Dies geht aus einem Beschluss des OVG Schleswig hervor, der dem Verband am Montag zugestellt wurde. 

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, betont in dem Zusammenhang in einer Mitteilung: „Diese letztinstanzliche Gerichtsentscheidung ist eine erneute schallende Ohrfeige für Andreas Scheuer, der im Dieselabgasskandal durch die Nichtveröffentlichung ihm vorliegender Fakten den VW-Betrugskonzern schützt und Millionen betroffene Fahrzeughalter schädigt. Allein mit der Baureihe EA189, um die es bei diesen Akten geht, wurden in Deutschland 2,5 Millionen Kunden betrogen. Und das nicht nur beim Kauf der Fahrzeuge, sondern auch später durch neue, aufgespielte Abschalteinrichtungen bei Software-Updates, die nun mit behördlichem Segen besonders in der kommenden kalten Jahreszeit für massiv erhöhten Schadstoffausstoß sorgen.“ 

Der Hintergrund: Die Deutsche Umwelthilfe hatte bereits vor fünf Jahren die Überlassung der Akten eingefordert, was der damalige Bundesverkehrsminister Dobrindt und das Kraftfahrt-Bundesamt verweigerten. Im Frühjahr 2016 übersandte das KBA laut DHU nur eine praktisch komplett geschwärzte knapp 600-seitige Akte. Daraufhin erhob die DUH Klage auf „Entschwärzung“ und Offenlegung aller nicht personenbezogenen Angaben. 

„Damit wird möglicherweise ein neues Kapitel im VW-Dieselskandal aufgeschlagen. Selbst das Kraftfahrt-Bundesamt muss nun Akteneinsicht gewähren und kann sich nicht vor einer Veröffentlichung relevanter Informationen im Abgasskandal drücken. Das kann den Druck in Gerichtsverfahren rund um den Skandalmotor EA189 noch einmal maßgeblich erhöhen“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde. 

Bei vielen Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA189 wird eine Software genutzt, die zwei Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung kennt. Das ist einmal der NOx-optimierten Modus 1, der während des Fahrens unter Laborbedingungen aktiviert ist, und einmal der partikeloptimierten Modus 0 im normalen Straßenverkehr. In ersterem Modus kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und somit zu einem niedrigeren Schadstoffausstoß. Im Normalbetrieb wird das Abgasrückführungssystem demgegenüber im Modus 0 betrieben, bei welchem der Schadstoffausstoß höher ist. Das bedeutet: Im normalen Fahrbetrieb werden die Grenzwerte der Euro 5-Norm nicht eingehalten, da außerhalb des Prüfstandes die Software In einen anderen Modus schaltet, bei dem eine deutlich geringere Abgasrückführung erfolgt. Dadurch hat die Volkswagen AG die Verbraucher vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. 

Es bleibt also laut Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung dabei, dass geschädigte Verbraucher den Weg der Betrugshaftungsklage erfolgreich beschreiten können, um eine finanzielle Kompensation für ihren erlittenen wirtschaftlichen Schaden zu erhalten. Ein wenig Eile sei indes geboten. „Grundsätzlich könnte es bei EA189-Motoren zu einer Verjährung der Ansprüche gegen Volkswagen Ende des Jahres 2020 kommen, wenn nicht sogar von höchstrichterlicher Seite vorher eine sogar schon eingetretene Verjährung zu Ende Dezember 2019 bestätigt werde, warnt der Dieselanwalt.“ Er verweist aber auf ein aktuelles Urteil des Landgerichts Dortmund, das ein neues Klagefenster geöffnet hat. „Das Landgericht hat die Volkswagen AG mit ihrer Tochtermarke Audi aufgrund des Software-Updates zum EA189 aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu Schadensersatz verurteilt. Es wertet das Update als sogenanntes Thermofenster und damit als illegale Abschalteinrichtung. Auch nach dem Aufspielen des Updates hat das Fahrzeug – ein 2016 gebraucht gekaufter Audi A4 – die Grenzwerte bei der Abgasreinigung nicht einhalten können.“

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH


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